Das kleine Karten-Spiel „Gwent“ entwickelte sich schon als Mini-Spiel in „The Witcher 3: Wild Hunt“ zum Hit, bevor die überarbeitete Standalone-Fassung erschien. Bereits zu deren Ankündigung wurde ein Story-Modus versprochen, der die Karten-Schlachten mit dem fantastischen Storytelling der Reihe verbinden sollte. Daraus ist in der Zwischenzeit deutlich mehr geworden, weshalb wir uns in „Thronebreaker: The Witcher Tales“ die Frage gestellt haben, ob das Entwicklerstudio den nächsten Hit bereithält.

Eine epische Handlung

Die Geschichte spielt während der Nilfgaard-Kriege und somit vor der beliebten Trilogie. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Königin Meve von Lyrien und Rivien, die nach langer Abwesenheit in ihre Heimat zurückkehrt um zu entdecken, dass diese von Nilfgard überrannt und zerstört wurde. Das stellt allerdings nur den Beginn einer knapp 40 stündigen Reise dar, die mit zahlreichen Wendungen, emotionalen Momenten sowie schockierenden Entwicklungen fesselt.

Obwohl die ersten Stunden von eher langsamer Natur sind, fesselt die Erzählung immens. Dabei liest man ähnlich wie in einem Visual Novel hauptsächlich die Texte, die von wunderschön gezeichneten Ortschaften sowie Charakteren begleitet werden. Es ist keine Übertreibung wenn man sagt, dass kaum ein anderes RPG der letzten Jahre mit einem dermaßen überragenden Storytelling aufwarten konnte. Jeder Dialog ist interessant und man kann es kaum abwarten, der nächsten Wendung zu begegnen. Insbesondere die Nebencharaktere entpuppen sich als narrative Meisterwerke und werden lebendiger als in den meisten anderen Videospielen. Man kann den Controller kaum zur Seite legen und vergisst gerne, dass es sich bei „Thronebreaker: The Witcher Tales“ eigentlich um ein Kartenspiel handelt. Wer eine Geschichte auf „The Witcher 3“-Niveau erwartet, wird definitiv nicht enttäuscht.

Berüchtigte Qualität

Anstatt nur die Dialoge zu genießen, muss man sich oft zwischen diversen Optionen in Textform entscheiden. Diese Momente sind so wichtig wie im großen Bruder, denn sie beeinflussen den Verlauf der Geschichte. Mal sind das kleinere Szenen, manchmal verändern große Ereignisse aber auch die geschmiedeten Allianzen, verschrecken Begleiter und verändern die Moral der gesamten Truppe. Die Moral der Spieler wird ständig auf den Prüfstand gestellt, und erneut gibt es weder gute noch schlechte Entscheidungen, da man für jede Seite argumentieren kann. Da einige Auswirkungen mitunter erst nach einigen Stunden sichtbar werden, müssen Spieler gut überlegen, anstatt lediglich den Spielstand neu zu laden.

Wie vielschichtig die narrativen Elemente sind, wird ebenfalls erst nach einigen Stunden klar. Alle Faktoren können das Geschehen maßgeblich beeinflussen, denn Allianzen mit einigen Fraktionen können den Wut der anderen auf einen Lenken. Noch wichtiger sind die Nebencharaktere, die sich Meve anschließen können. Dann kann man zum Beispiel dank besonderer Fähigkeiten Höhlen erkunden, versperrte Gebiete erreichen oder sogar Konfliktsituationen ohne Blutvergießen oder Verluste lösen. Man könnte also denken, dass man es allen recht machen muss, doch genau das ist nicht möglich. Da es auch innerhalb der Gruppe Konflikte gibt, muss man stets aufs Neue abwägen, wen man bekräftigen und wen verärgern muss. All diese in sich greifenden Elemente sorgen für eine unglaublich packende Reise, die sogar Wiederspielwert bietet.

Ein beeindruckendes Kartenspiel?

Bei all der Faszination über die Geschichte könnte man fast vergessen, dass sich dahinter ein Kartenspiel versteckt, das Fans von „The Witcher 3“ nur in den Grundzügen wiedererkennen. Die Regeln, die Karten, die Eigenheiten, „Gwent“ hat sich in den Jahren als Standalone-Spiel enorm weiterentwickelt und vor allem im Meta Game haben die Macher viel verändert, sodass der angenehme Start in Sachen Schwierigkeitsgrad sehr hilfreich ist. Anders, als in der Vorlage, wird man nicht einfach nur normale Runden spielen. Vielmehr hat jeder Kampf einen eigenen Twist, zum Beispiel muss man erst bestimmte Einheiten vernichten oder der Gegner belebt seine Einheiten regelmäßig wieder. Dadurch bleibt die Motivation durchweg hoch und man langweilt sich selbst nach den 40 Stunden noch nicht. Natürlich wiederholen sich bestimmte Schema immer wieder, dank der Menge an Kämpfen sowie der allgemeinen Vielfalt stört das allerdings nicht.

Auch abseits der Matches geht es um die Karten. Schließlich sind einige Karten in bestimmten Situationen sinnvoller als in anderen, weshalb man immer wieder sein Deck bearbeitet. Karten zu sammeln und diese stets neu anzuordnen entwickelt eine Suchtspirale, aus der man gar nicht erst entkommen möchte. Leider gibt es keine Möglichkeit, bestimmte Decks zu speichern, sodass man schon zu oft durchwechseln muss, nur um oft ältere Decks nachzubauen. Hier könnte ein Patch Aushilfe schaffen und diese Fummelei beheben. Wer allerdings auf den niedrigeren Stufen spielt, um sich zum Beispiel eher auf die Story zu beschränken, kommt auch mit wenigen Umarbeitungen gut durch das Abenteuer.

Zwischen den Zeilen

Wenn man sich nicht gerade durch die Dialoge klickt, Entscheidungen trifft oder die Schlachten auf Kartenbretter austrägt, reitet der Spieler mit Meve durch die insgesamt fünf fantastisch gestalteten Oberwelten, die genauso detailverliebt und lebendig wirken wie das große Vorbild, obwohl man lediglich eine isometrische Sicht sowie viele 2D-Elemente zu Gesicht bekommt. Es macht überraschend viel Spaß, die Welten zu erkunden und dabei auch Geheimnisse, optionale Wege und mehr zu entdecken. Auch die Steuerung funktioniert mit einem Controller sehr gut, sodass es rein spielerisch keine merklichen Unterschiede zur PC-Fassung gibt.

Wer sich wirklich unter Beweis stellen möchte, darf einen Blick auf die Puzzle Kämpfe werfen. Hier müssen verschiedene Aufgaben mit vorgefertigten Karten gelöst werden, und das auf ganz unterschiedliche Weise. Mal müssen Karten auf dem Brett bewegt werden, mal eine Truppe durch geschicktes Einsetzen der eigenen Fähigkeiten ausgelöscht werden. Die Vielfalt an Ideen ist großartig und stellt sich als gelungene Abwechslung zu den bereits starken Kämpfen der Kampagne heraus. Vor einer Herausforderung sollte man allerdings keine Angst haben, schließlich kann es weitaus mehr als ein paar Minuten benötigen, bis man diese knackigen Rätsel gelöst hat.

Katastrophale Portierung?

Bereits zur Erstveröffentlichung wurde von katastrophalen Bugs berichtet. Das Spiel stürzt regelmäßig ab, Aktionen werden nicht richtig ausgeführt, weshalb das Abenteuer nicht weiter gehen kann und andere Fehler machen das Abenteuer für einige unspielbar. Es ist bereits ein Patch erschienen, dieser löst allerdings nicht alle Probleme. Obwohl das vernichtend klingt, müssen die gravierenden Probleme nicht bei jedem auftreten. In unserem Test ist das Spiel 2 Mal zu Beginn eines Matches abgestürzt, weshalb der Fortschritt nicht verloren ging. Aus eigener Erfahrung soll dieses Problem nicht in die Wertung einfließen, jeder Käufer sollte allerdings gewarnt sein, dass er ein weitaus schlimmeres Erlebnis haben kann als wir, solange die nächsten Patches nicht alle Probleme beseitigt haben.