Am 18. November feierte Mickey Maus seinen Geburtstag, an diesem Tag im Jahre 1928 erschien nämlich „Steamboar Willie“ und veränderte die Animations-Landschaft für immer. In der fiktiven Welt von „Bendy and the Ink Machine“ gibt es zwar keine Maus, Titelfigur Bendy und seine Freunde waren aber ähnlich erfolgreich, zumindest vor den Ereignissen des Spieles. Die fröhlichen Zeiten sind vergessen und stattdessen besucht der Spieler ein Produktionsstudio, in dem der Horror regiert. Ob diese bizarre Version von Zeichentrick in ein gutes Spiel resultiert, haben wir für euch herausgefunden.

Ein furchtbar guter Anfang

In „Bendy and the Ink Machine“ übernehmen die Spieler die Rolle von Henry, der das verlassene Gebäude der Joey Drew Studios erforscht. Dort hat ein Team einst an mehreren Zeichentrickfilmen mit der Figur Bendy gearbeitet, einem kleinen Teufel, der sowohl bei jung als auch alt beliebt war. Von diesen Glanztagen sieht der Spieler allerdings wenig, denn überall befinden sich nur alte Requisiten, angefangene Zeichnungen und Bendy-Pappaufsteller. Dennoch macht sich ein ungutes Gefühl breit, und bei der Suche nach Gegenständen, um eine mysteriöse Tintenmaschine in Gang zu bringen, tauchen immer mehr Pappaufsteller auf, selbst wenn man diese zerstört.

Das Spiel gelingt es in seiner ersten Stunde, eine faszinierende Grundatomsphäre aufzubauen. Die kleinen Räume sind interessant aufgebaut und decken verschiedene Bereiche klassischer Produktionsstudios an. Besonders positiv fällt der Raum auf, in dem die Musik aufgezeichnet wurde. Die Liebe zum Detail ist an jeder Ecke zu sehen und passt hervorragend zur gruseligen Atmosphäre. An dieser Stelle sollen die subtilsten Momente nicht vorweggenommen werden, doch es dauert einige Zeit, bis man den eigentlichen Gegenspieler sieht. Die ersten beiden Kapitel sind allerdings mehr Einleitung als Hauptevent, denn die Produktionsgeschichte diktiert das Pacing.

Horror in 5 Akten

Das Spiel von the Meatly Games wurde ursprünglich auf dem PC in fünf Episoden veröffentlicht. Die erste erschien bereits im Februar 2017, das Finale folgte nun im Oktober kurz vor Halloween. Währenddessen arbeiteten die Macher immer weiter an der Geschichte, und das wird nachträglich sehr deutlich. Die ersten beiden Kapitel sind relativ kurz geraten und bestehen ausschließlich aus leichten Rätseln, die bereits ein wenig frustrierend sein können. Ständig muss man die Gegenden erneut durchsuchen um Schalter, Objekte oder Hinweise zu entdecken, was glücklicherweise dank des tollen Leveldesigns nicht zu schnell langweilig wird. Bis auf wenige Situationen mit ungefährlichen Gegnern wird der Spieler aber noch subtil gegruselt, inklusive regelrecht heftiger Szenen. Das Fehlen von Blut, schließlich bestehen alle Feinde aus Tinte, ermöglichte dem Titel sogar ein USK 12 Siegel, obwohl einige Momente regelrecht grausam sind.

Mittlere Katastrophe

Ab Kapitel drei wollten die Macher mehr bieten, sowohl was die Länge als auch die Anzahl an Räumlichkeiten angeht. Die Idee ist gut, denn der Spieler lernt Alice Angel kennen, den wohl besten Charakter des Spieles, und muss vielfältigere Gegner bekämpfen und ihnen ausweichen. Leider bringt das Spiel keine eigenen Ideen hervor und kombiniert simple Kämpfe mit Schlagwaffen und Situationen, in denen man sich vor Monstern verstecken muss. Durch die hervorragende Sprecherin von Alice Angel, die während des gesamten Kapitels mit dem Spieler spricht, ist das glücklicherweise nicht wirklich schlimm. Was das Spiel an vielfältigen Mechaniken misst, macht es durch seine Geschichte und Atmosphäre wett.

Leider entwickelt sich der Mittelteil zu einer gigantischen Katastrophe, da man über eine halbe Stunde lang Objekte für die zum Leben erweckte Schurkin suchen muss. Der Spieler läuft zu einer Station, nimmt einen Auftrag entgegen, erledigt diesen und kehrt zurück – und das mehrfach. Das ist extrem frustrierend und streckt die Spielzeit völlig unnötig. Vermutlich hätte das dritte Kapitel besser funktioniert, wenn es in Sachen Länge wie die vorherigen gewesen wäre, die eigentliche Freude besteht darin, diese Sammelaufgaben endlich abgeschlossen zu haben.

Die wahre Freude

Die letzten beiden Kapitel haben aus den Fehlern gelernt und führen mehrere Ortschaften, Gegnerarten und Gefahren an, die der Spieler überwinden muss. Gepaart mit der spannenden Geschichte rund um die zum Leben erweckten Zeichentrick-Figuren möchte man unbedingt herausfinden, was hinter den Ereignissen steckt. Sogar Boss-Kämpfe sind in den letzten beiden Kapitel vorhanden, die durchaus einen kreativen Lösungsansatz erfordern, während man an anderen Stellen herausfinden muss, wie man den mächtigsten Wesen aus dem Weg geht. Das exzellente Charakter-Design sorgt ebenfalls dafür, dass man regelrecht in die mysteriöse Welt eintaucht, während die Hintergründe der Geschichte hauptsächlich durch mal mehr, mal weniger gut vertonte Audio-Logs erzählt wird.

In seinen besten Momenten erinnert „Bendy and the Ink Machine“ an eine Zeichentrickstudio-Version von „BioShock“ und kann in Sachen Atmosphäre definitiv mithalten, obwohl natürlich kein visuelles Spektakel geboten wird. Um Spaß zu haben, muss man aber gleichzeitig seine Erwartungen an das Gameplay herunterschrauben. Und auch bei der Geschichte sollte man eine große Toleranz beweisen, denn das Ende entpuppt sich als herbe Enttäuschung für alle, die sich auf Antworten gefreut haben.

Bendy und das ikonische Design

Der gesamte Artstil ist sehr simpel gehalten und besteht aus verschiedenen Gelb-, Braun- und Schwarztönen. Man fühlt sich beinahe wie in einem Animationsfilm der vergangenen Tage gefangen. Auch der Soundtrack ist ein Genuss für die Ohren, während die meisten Sprecher einen guten Job machen. Besonders aber das Design von Bendy und seinen Freunden, sowohl in Zeichentrickform als auch in 3D ist perfekt gelungen und beweist, mit welcher Expertise die Macher das Maskottchen designet haben. Nicht ohne Grund wurde massenweise Merchandise produziert, noch bevor das Finale erschien. Die kurzen Zeichentrick-Szenen, die man sich an verschiedenen Stellen anschauen kann, werden jedem Fan der alten Tage gefallen. Man fühlt sich wie in einem entsprechenden Film gefangen, trotz 3D-Stil.

Glücklicherweise passt die technische Umsetzung zum Stil. Die Bildrate bleibt meist konstant und die wenigen Aussetzer unterbrechen den Spielfluss nicht. Leider gibt es ein kleines Input-Delay, das allerdings noch im akzeptablen Bereich ist. Schlimmer sind einige Bugs, die unschön sind, den Ablauf aber ebenfalls nicht stören. Obwohl die PC-Fassung noch einen Tacken besser aussieht, erwartet alle Spieler ein sehr schönes, stilechtes Erlebnis, auch auf PlayStation 4.