Hier im Westen sorgen die jährlichen „WWE“-Ableger dafür, dass der Wrestling-Spaß auch interaktiv wird. In Japan versteckte sich allerdings eine beliebte Traditionsreihe, die weniger auf pompöse Inszenierung setzt und dafür spielerischen Spaß verspricht und auch schon einige Ausflüge nach Nordamerika wagte. Mit „Fire Pro Wrestling World“ wagt sich die Reihe zum zweiten Mal auch nach Europa und hat dabei auch einige Neuerungen in Petto. Ob Wrestling-Fans nun eine echte Alternative haben, verraten wir euch im Test.

Eigenartig gut

Optisch dürfte jeder auf den ersten Blick mit den Wimpern zucken. Die Charaktermodelle, die Arenen, die Animationen, alles erinnert an die 16-bit-Zeiten und ohne HD-Texturen könnte man sich das Spiel auch auf dem SNES vorstellen. Auf den vierten Blick dürfte jedoch erkenntlich sein, wieso dieser Stil gewählt wurde. Die Animationen sind sehr liebevoll gestaltet, die Charaktere versprühen überraschend viel Persönlichkeit und die Liebe zum Detail ist allgegenwärtig. Zudem wirken die Umgebungen und auch die Kämpfer überraschend realistisch.

Wieso ist das nun ein Vorteil? Das wird beim Vergleich mit der Konkurrenz deutlich. Die „WWE“-Spiele werden grafisch zwar immer besser, werden aber immer wieder für Glitches, merkwürdige und hölzerne Animationen sowie leblose Charaktere kritisiert. Im Vergleich dazu sind die Bewegungen in „Fire Pro Wrestling World“ durchweg authentisch und durch die Reduzierung sehen alle Angriffe gut aus, grafische Fehler sucht man vergebens. Natürlich wird der Stil nicht jedem gefallen, die simplere Grafik hat allerdings ihre eindeutigen Vorteile.

Technik über Show

Glücklicherweise dürfen neue Spieler zuerst eine Reihe von Missionen erledigen, die gleichzeitig als Tutorial dienen. Dabei wird man regelmäßig staunen, wie simpel die Steuerung eigentlich ist. Viel mehr als sechs Tasten sowie der Stick werden nicht benötigt, um komplizierte und akrobatische Manöver auszuführen. Dabei kommt es immer hauptsächlich auf das Timing an, und nur wer nicht hektisch agiert und nicht immer dieselben Angriffe ausführt, hat am Ende Chancen auf den Sieg. Die Move-Liste ist riesig und unterscheidet sich mitunter stark, die Ausführung bleibt allerdings auf einem Niveau, durch das selbst Einsteiger keine Berührungsängste haben müssen. Man hat nicht das Gefühl, dass der Entertainment-Sport heruntergekürzt wurde, denn auch ohne viele Anzeigen macht das Spiel eine Menge her.

Der Weg zum Ruhm

Mit dem neuesten Ableger ist den Machern ein großer Coup gelungen, nämlich die Partnerschaft mit New Japan Pro Wrestling. Diese hat in den letzten fünf Jahren einen enormen Popularitätsschub erhalten und begeistert mittlerweile sogar viele westliche Wrestling-Fans. Es bleibt nicht nur bei den entsprechenden Kämpfern, ein kompletter Story-Modus dreht sich darum, in die Liga aufzusteigen und auf sich aufmerksam zu machen. Die Präsentation ist sehr eigenwillig wie eine Visual Novel aufgebaut, allerdings mit echten Fotos von Wrestlern. Animationen dagegen fehlen. 

Spielerisch wird gewohnte Kost geboten. Dank der Möglichkeit, wie in einem Rollenspiel seine Stats zu verbessern, bietet die Ablenkung allerdings eine gelungene Motivation. Die Geschichte selbst ist nicht sonderlich interessant, wird Fans aber durch wunderbare Gespräche mit den Wrestlern begeistern können. Zudem handelt es sich um keine kurze Angelegenheit und man darf viele Stunden investieren.

Keine Grenzen

Erstklassig wird das Spiel erst, wenn man sich die zahlreichen Modi anschaut. Egal ob Battle Royale mit verschiedenen Regeln, Tag-Team-Matches oder ganz klassisch Wrestler gegen Wrestler, alle Modi, die man sich wünschen könnte, sind vorhanden, sogar einer im Stil der UFC.  Bis zu acht Wrestler befinden sich gleichzeitig im Ring, was spielerisch für fabelhaftes Chaos sorgt. Glücklicherweise sorgen die Spielmechaniken dafür, dass man den Überblick behalten kann und deshalb ein Sieg nicht auf Glück basiert. 

Wem das alles noch nicht reicht, der darf sich an den extrem vielfältigen Charaktereditor wagen. Die möglichen Kreationen sind schier unendlich, und dank des Fire Pro Net, das man leider über einen Internet-Browser starten muss, lassen sich sogar Werke anderer Spieler herunterladen. Man braucht sich gar nicht über fehlende WWE-Kämpfer ärgern, denn diese lassen sich so kostenlos spielen, inklusive passender Posen und Movesets. Selbst ein Kampf Finn Balor gegen Deadpool, die Ninja Turtles gegen Waluigi oder Batman gegen Asuka sind möglich, besser kann es kaum werden. Auch Einzüge, Ringe, die Unparteiischen und Titel lassen sich anpassen, sodass sich niemand über fehlende Anpassungsmöglichkeiten beschweren kann.

Kleine Kratzer

Leider ist die Menüführung etwas umständlich und hätte eine Überarbeitung vertragen können. Zudem sind die Ladezeiten recht lang, und im Story-Modus kann ein Fehler auftreten, durch den der Text in Zeitlupe abläuft. Ansonsten fällt es schwer, Kritikpunkte zu finden, denn die Macher haben sich nicht zu viel vorgenommen und genau das abgeliefert, was den Titel so einzigartig macht. Einmal am Controller fällt es schwer, nicht noch ein Match auszutragen.