Beim Begriff „Survival Horror“ dürften das Stöhnen bei vielen Spielern laut werden. Das beliebte Genre wurde in den letzten Jahren dermaßen häufig bedient, dass kaum ein Spiel herausstechen kann und lediglich bekannte Konzepte in neue Settings verpackt werden. Ganz anders soll das bei „The Forest“ sein, das auf den ersten Blick wie ein typisches Genre-Spiel aussieht. Wieso dem nicht so ist, verrät unser Test.

Lost in the Woods

Die ersten Minuten könnten nicht klischeehafter sein: Der namenlose Protagonist sitzt mit seinem Sohn im Flugzeug, als dieses plötzlich abstürzt. Als der Spieler wieder zu sich kommt, findet er sich auf einer einsamen Insel wieder und eine mysteriöse Figur scheint seinen Sohn gefangen genommen zu haben. Fortan geht es darum, die Insel zu erkunden und die Geheimnisse aufzudecken. Das klingt wenig spannend, denn diese Prämisse wurde in Filmen und Videospielen so oft durchgekaut, dass die Erwartungen automatisch gesenkt werden. Umso beeindruckender, dass „The Forest“ es schafft, bis zur letzten Sekunde zu fesseln.

Der Spieler wird nicht unbedingt linear von A nach B geleitet, sondern erforscht bei dem Versuch zu überleben im eigenen Tempo die Insel. Meist erzählt die Welt auf beeindruckende Weise, was auf der Insel geschehen kann: Kleine Camps, verstümmelte Leichen sowie Orte, die man in diesem Spiel nicht erwartet hätte, tauchen regelmäßig auf und lassen vermuten, was überhaupt vor sich geht. Ebenso findet der Spieler Videokameras mit Aufzeichnungen sowie Bilder, die der eigene Sohn gemalt und hinterlassen hat. Gegen Ende löst sich das Mysterium auf und die Macher bieten sogar gut ausgearbeitete Zwischensequenzen, die zwar Raum für Spekulationen lassen, sich aber glücklicherweise nicht wie dreiste Cliffhanger anfühlen. Die Geschichte ist dermaßen gut ausgearbeitet, dass man jedes einzelne Detail aufsaugen möchte, was auch an der authentischen Welt liegt. Die Hinweise sind nicht wie Audio-Logs in zahlreichen Spielen wahllos verteilt, sondern stets fester Bestandteil der Kulissen und kommen deshalb auch auf zahlreiche unterschiedliche Arten zum Vorschein. Eine derart tiefgreifende Geschichte erwartet man im ersten Moment nicht, doch das Spiel liefert hier ein großartiges Paket ab.

Der harte Kampf ums Überleben

Auf der scheinbar verlassenen Insel muss natürlich das eigene Überleben gesichert werden. Das funktioniert ebenfalls erwartungsgemäß, weshalb der Spieler Bäume fällt, nach Nahrung sucht und alles an Materialien aufnimmt, was die Schauplätze hergeben. Das fällt relativ simpel aus, man muss dennoch permanent vorsichtig sein, denn nicht jedes Wasser sollte man trinken, und auch Lebensmittel sind nicht immer gesund. Um noch mehr zu erreichen, müssen Gegenstände gecraftet werden, wozu das Crafting-System dient, das sehr ansehnlich die verschiedenen Teile platziert, sodass neue Objekte entstehen. Leider wird das im späteren Verlauf sehr chaotisch, denn alle Items werden auf einer Art Decke durcheinander platziert und die richtigen Teile zu finden benötigt einiges an Geduld. 

Besser läuft das Bauen des eigenen Lagers ab. Durch ein Survival-Handbuch wählt man Objekte wie Holzzäune, Gebäude oder Lagerfeuer aus und platziert sie anschließend in der Welt. Bevor die Schutzmaßnahmen entstehen müssen erst Teile genutzt werden, der Spieler darf jedoch zuerst planen. Dadurch entstehen bereits Silhouetten der Objekte an den entsprechenden Stellen. Erst wenn man diese mit Materialien beliefert werden sie fertiggestellt. Dadurch baut man wenig unnötige Projekte und weiß durch entsprechende Anzeigen immer, was für Materialien man sammeln sollte. Die Vielfalt ist nicht gigantisch, das System ist allerdings so simpel und funktional, dass es eine Menge Spaß bereitet, eigene Camps aufzubauen.

Intelligente Feinde

Das wäre dann auch schon das gesamte Spiel, solange man auf der freundlichen Schwierigkeitsstufe spielt. Wählt man die Voreinstellungen aus, die die Macher vorgesehen haben, erkennt der Spieler irgendwann in der Ferne Menschen, die sich allerdings nicht nähern. Bald stellt sich heraus, dass die Insel definitiv nicht verlassen ist und verschiedene Stämme von Kannibalen unterwegs sind. Diese haben sich den Titel “Künstliche Intelligenz” wahrlich verdient, denn anders als im Genre Standard ist, handeln sie sehr logisch. Manchmal verfolgen sie den Spieler und beobachten, wie er sich verhält. Manchmal ist es ihre Absicht, das Lager ausfindig zu machen, um später in einer größeren Gruppe zu agieren. Es kommt auch vor, dass sie auf den Protagonisten losrennen, im letzten Moment aber zurückschrecken und nur eine Reaktion provozieren wollen. Die verschiedenen Verhaltensmuster sind derart vielfältig und interessant, dass man nie weiß, wie genau sich die gefährlichen Einwohner verhalten werden. Dadurch bleibt der gesamte Ablauf unvorhersehbar und man muss selbst in ruhigen Momenten sehr aufmerksam sein. Kaum ein anderes Spiel in diesem Genre hat derart spannende Gegner zu bieten, die echter kaum wirken könnten. Natürlich greifen sie in größeren Gruppen direkt an, flüchten allerdings auch, wenn sich ihre Siegeschancen verschlechtern.

All diese Elemente sorgen dafür, dass sich „The Forest“ zu einem der besten Survival-Horror-Spiele der letzten Jahre entwickelt. Die pure Angst, wenn in den dunklen Höhlen plötzlich Schreie zu hören sind oder der Spieler von Feinden angestarrt wird, die sich nicht bewegen, bringt selbst die härtesten Genre-Fans zum zittern. Das wird auch durch die bombastische Atmosphäre getragen, denn qualvolle Schreie in der Nacht gehören zum guten Ton für die verschiedenen Völker. Zudem wird im späteren Verlauf auch das Design der Feinde unglaublich kreativ. Obwohl das Spiel auch ohne Feinde eine starke Zeit beschert, entfaltet es sein volles Potential erst, wenn man die beeindruckende Künstliche Intelligenz selbst beobachten darf.

Mehr als nur ein Wald

Die Insel selber ist kein Spektakel, dafür ein sehr authentischer Ort für die Spielmechaniken. Insbesondere der dichte Wald sowie die Höhlensysteme sorgen für Anspannung, selbst am Strand geschehen allerdings interessante Ereignisse. Der Spieler erhält nie das Gefühl, dass Orte oder Gegenstände nur aus spielerischer Sicht platziert wurden, denn alles hat einen logischen Grund und somit erwacht die Kulisse geradezu zum Leben. Die Flora und Fauna zu beobachten ist ebenfalls interessant, denn Tiere können eine sehr nützliche Nahrungsquelle ergeben. Doch auch die eigene Platzierung sollte beobachtet werden, denn wer im Jagdgebiet der Feinde eine Basis aufbaut, erzürnt diese und wird einen weitaus härteren Kampf ums Überleben austragen müssen. Die Insel ist auch nicht zu groß geraten und hat überraschend wenig leere Flächen, sodass der Horror und die Atmosphäre erst durch die gebotene Dichte zustande kommen.

Zudem gibt es auch einen Balken für die geistliche Gesundheit des eigenen Charakters. Nicht alles, was man bauen kann, sollte man auch erstellen. Die Auswirkungen bleiben leider sehr flach und das eigentlich solide System wird viel zu wenig in den Spielablauf eingebunden, als dass man sich darum sorgen sollte. Auch die Menüführung per Controller ist nicht immer optimal, vor allem wenn man alle Seiten des Handbuchs zum Bauen durchblättern muss, nur um zur gewünschten Kategorie zu gelangen.

Besser mit Freunden?

Obwohl sich das Spiel bestens für Solisten eignet, gibt es einen Mehrspieler-Modus. Dieser bietet zwar dieselbe Handlung, ihr zu folgen wird allerdings sehr viel einfacher, denn der Fokus wechselt automatisch auf die Begegnungen mit den Feinden sowie das Bauen. Man kann in einer Gruppe viel leichter große Lager bauen, und auch die Kämpfe werden zu einer eher spaßigen Angelegenheit. Die Horror-Aspekte gehen zwar verloren, dafür wird „The Forest“ aber nicht unbedingt schlechter. Der Spielfluss ändert sich und wer lieber lustige Situationen mit Freunden erleben möchte, sollte sich den Modus genauer anschauen. Das ist auch das faszinierende am Spiel, denn anders, als in den meisten Genre-Kollegen, sind beide Modi sehr zu empfehlen, im Test sorgte der Einzelspieler-Modus sogar für mehr Spaß, da die Atmosphäre einen nicht mehr loslässt. Der Titel bietet zwei sehr unterschiedliche und qualitativ hochwertige Spielmöglichkeiten, die beide auch für sich alleine eine Kaufempfehlung garantieren würden.

Guter Sprung

Die technische Umsetzung ist gut gelungen. Der Wald sieht schön aus und auch die Lichteffekte sowie Umgebungsanimationen können sich sehen lassen. Die Charaktermodelle der Feinde sind sehr gut, die der normalen Menschen, von denen man sowieso nicht viele sehen wird, dafür eher weniger. Auch in Sachen Animationen läuft nicht alles flüssig ab, der Atmosphäre schadet das glücklicherweise nie. Die Bildrate ist auch meist stabil, lediglich im Mehrspieler-Modus kann es zu einigen unschönen Rucklern kommen. Der Soundtrack fährt oft zurück, um die grandiosen Soundeffekte in den Mittelpunkt zu stellen, die jeder Genre-Fan gehört haben muss um zu verstehen, was für ein Feingespür die Macher für das Thema haben.