Nach dem Finale von „Away: Journey to the Unexpected“ war ich wütend. Ich hatte knapp vier wunderbare Stunden hinter mir in einer magischen Welt voller interessanter Charaktere. Gleichzeitig ließ sich jede schöne Erinnerung durch eine ärgerliche ausgleichen, denn unverständliche Design-Entscheidungen sowie eine halbgare Ausführung schränken das Spiel in so vielen Aspekten ein, dass man sich fragt, was für ein Spiel „Away“ wohl ohne seine Probleme geworden wäre. Wieso ich so verärgert bin, und wieso sich im Fazit dennoch eine Empfehlung befindet, verrät der folgende Testbericht.

Einzeiler

Bereits das Anime-Opening lässt eine interessante Geschichte vermuten. Der Hauptcharakter lebt bei seinen Großeltern, nachdem seine Eltern wegen ihrer Arbeit eine Reise antreten mussten, von der sie nach mehreren Wochen noch nicht zurückgekehrt sind. Ein mysteriöses Erdbeben sowie eine giftige Flüssigkeit, die Menschen in Monster verwandelt, bilden Anreiz genug für den Jungen, sich auf eine Reise nach den Hintergründen aufzumachen. Dabei trifft der bunte Charaktere und hofft, am Ende seine Eltern zu finden.

Die Geschichte bietet durchaus Potential, nutzt sich aber immens schnell ab. Es gibt keine Zwischensequenzen und alle Informationen erhält man aus den Gesprächen mit Charakteren, die allerdings bereits nach einer Unterhaltung nichts mehr zu sagen haben. Wenn man spoilern wollen würde, könnte man die Handlung in zwei Sätzen komplett zusammenfassen. Interessante Wendungen gibt es keine, und obwohl die Charaktere interessant wirken, tragen sie absolut nichts zur Geschichte bei, kommentieren keine Ereignisse und bleiben so flach, wie man es sich nur vorstellen kann. Gerade, weil sie mit extrem viel Liebe zum Detail gezeichnet wurden, entpuppt sie sich als gigantische Enttäuschung. All das wird noch von einem Ende getoppt, das nicht unspannender und abrupter hätte sein können – das ist keine Übertreibung. Die wichtigen Ereignisse lassen sich in einem Handbuch durchlesen – zusammengefasst handelt es sich dabei um 10 Sätze, von denen nicht einmal alle wirklich wichtige Informationen beinhalten.

Von Monstern und Anime-Menschen

Nach der kurzen Einleitung geht es schon in die erste offene Welt, die der Spieler aus der Ego-Perspektive erkundet. Bis auf einige versteckte Truhen sowie die überall verteilte Währung gibt es leider nichts zu erkunden. Die wichtigen Punkte werden auf der Karte angezeigt, sodass man das Erkunden komplett ignorieren kann, was nicht gerade tragisch ist, schließlich sind die insgesamt vier Welten extrem klein geraten. Der Ablauf ist immer derselbe: Der Spieler muss nach drei Hebeln suchen, die sich bis auf eine Ausnahme in Höhlen oder gesonderten Bereichen befinden. Einmal aktiviert, geht es in einen finalen Dungeon, in dem ein Boss wartet. Nein, der Ablauf ist nicht wirklich abwechslungsreich, allerdings sind die Umgebungen schön gestaltet und auch die Kämpfe gegen die Monster bleiben unterhaltsam, wenn man auf die besonderen Fähigkeiten zurückgreift.

Anstatt im Laufe der Reise immer mehr Angriffsmöglichkeiten zu erhalten, darf der Junge nur einen Stock nutzen – der allerdings pro Schlag nur einen Schadenspunkt austeilt. Ziemlich dürftig, deshalb muss der Spieler sogenannte Freundschaftswürfel finden. Spricht er anschließend mit einem der acht NPCs und antwortet stets mit den richtigen Sätzen, schließen sie sich dem Helden kann. Man kann allerdings nur bis zu drei Freunde mit auf die Reise nehmen, die Wahl sollte also gut überlegt sein. Die Fähigkeiten selbst sind relativ abwechslungsreich, seien es Feuerbälle, Raketen oder die Fähigkeit, Hindernisse zu erbauen. Leider ähneln sich auch viele der Angriffe, sodass bei nur acht Begleitern die Vielfalt enttäuscht. Schön ist hingegen die optische Veränderung, denn alle nehmen die Welt anders wahr und somit ändert sich dank Filter der Grafikstil. Die schöne Idee entpuppt sich als nicht ganz durchdacht, denn manchmal wird es sogar schwieriger, die Umwelt zu erkennen. Wenigstens gibt einem das Gründe dafür, auf den Protagonisten zu wechseln, der gerade kleinere Feinde besiegen kann und da die Fähigkeiten der Mitreisenden irgendwann erschöpft sind, sollte genau geplant sein, wann man seine übermächtigen Angriffe nutzen möchte. All das würde in einem konventionellen Spiel eher umständlich sein, funktioniert durch die Struktur von „Away“ allerdings sehr gut – bei dem Spiel handelt es sich nämlich um einen Roguelike.

Muss es Roguelike sein?

Richtig gehört, „Away: Journey tot he Unexpected“ ist ein sogenanntes Roguelike. Das bedeutet auch, dass jeder Tod den Spieler wieder an den Anfang der Geschichte bringt. Gesammelte Erfahrung wird dann in neue Boni umgewandelt, zum Beispiel wird das Tor zum Dungeon des Gebietes sofort geöffnet, der Held erfreut sich über mehr Leben oder darf einige Angriffe sogar blocken. Das ist relativ unspannend, allerdings erhält der Spieler wenigstens etwas dafür, wenn ein Anlauf scheitert. Da man immer weiter kommt und herausfindet, welche Begleiter sinnvoll für den eigenen Spielstil sind, entsteht auch ein Anreiz, wirklich alle auszuprobieren – glücklicherweise müssen die Dialoge nicht erneut bewältigt werden, wenn man einmal einen Freund für sich gewonnen hat. 

Auch die kleinen Dungeons verändern sich mit jedem Anlauf, die Möglichkeiten sind allerdings begrenzt und somit kommt es einem so vor, als würde man in einem Gebiete nur fünf verschiedene Layouts geboten bekommen. Auch die Bosse am Ende einer Welt können anscheinend unterschiedlich sein – das ist allerdings erst im letzten Anlauf aufgefallen, weshalb wir nicht bestätigen können, ob es mehr als drei Bosskämpfe gibt. Je mehr Freunde man erhält, desto mehr Boni schaltet der Spieler frei, und da in einem Spieldurchlauf lediglich zwei der vier Welten durchlaufen werden müssen, kann man das Finale viel zu schnell erreichen. Dennoch wird der Spieler dazu gezwungen, alle Welten zu durchforsten, denn der finale Boss ist erst für eine immens enttäuschende Konfrontation bereit, wenn man mit allen NPCs Freundschaften geschlossen hat. Dadurch wird der recht magere Inhalt gestreckt, und auch die ständigen Wiederholungen nerven eher, da es bis auf die wenigen permanenten Upgrades nichts neues zu entdecken gibt, bis auf die wenigen Begleiter. Vielleicht wäre das Spiel ohne Roguelike-Elemente interessanter gewesen, der Spielablauf hält allerdings nur bedingt bei Laune, und da der Held sowieso alle Gebiete besuchen muss, fehlen bedeutende Entscheidungen.

Sperrige Kämpfe

Das Kampfsystem ist nicht missraten, lediglich nicht gut genug ausgearbeitet. Das liegt an den Nahkampfwaffen, deren Handhabung bis zum Ende unintuitiv bleibt. Man weiß nie, ob man nun zu nah oder zu weit von den Gegnern entfernt steht und somit verbringt man mehr Zeit damit, vorsichtig in die Luft zu schlagen oder in Feinde zu laufen, als diese zu treffen. Das Blocken wird ebenfalls nicht richtig eingeführt, dank des geringeren Schwierigkeitsgerades benötigt man dieses allerdings auch nie. Der Fernkampf sowie weitere Fähigkeiten lassen sich da schon viel besser ausführen, da sie allerdings begrenzt sind, wird man öfter dazu gezwungen, in den Nahkampf zu gehen. Die entsprechenden Leisten lassen sich durch einen Shop auffüllen, wer sparsam mit den Fähigkeiten umgeht, wird diesen allerdings nicht benötigen.

Wirklich schlecht ist das Kampfsystem wie bereits erwähnt nicht. Zu schießen und auf die Feinde einzuprügeln fühlt sich einfach gut an. Hier wäre lediglich Feinschliff nötig gewesen, allerdings ist es bereits eine Genugtuung, die Animationen der Gegner zu beobachten und herauszufinden, wie man den Angriffen am besten ausweichen kann. Insbesondere die Boss-Kämpfe bringen eine Menge Action mit, auch wenn es gerne mehr davon hätte geben können.

Überraschend frisch

Um zu den wirklich positiven Punkten zu kommen: „Away: Journey to the Unexpected“ ist ein wunderschönes Spiel. Während die 3D-Umgebungen mit kräftigen Farben glänzen, sind es die gezeichneten Feinde und Charaktere, die wahrlich beeindrucken. Wie aus einem Anime entsprungen sind sie eigentlich zweidimensional, da sie sich allerdings stets mit der Spielerperspektive drehen, wirken sie dreidimensional. Auch in Sachen Animationen kann der Titel vollends punkten, und auch wenn die Eröffnungssequenz die einzige Zwischensequenz bleibt, sieht diese wunderschön aus.

Es ist schon fast überraschend, dass der Soundtrack einen nicht umhauen kann. Die Stücke passen stets zu den Welten sowie den Kämpfen, allerdings bleiben keine Ohrwürmer hängen. Auch die Soundeffekte wirken oft beliebig – all das stört beim Spielen nicht, allerdings zeugt es nicht unbedingt von einer hohen Qualität, wenn man sich bereits wenige Stunden nach dem Ende nicht mehr an solch integralen Bestandteilen der Präsentation erinnern kann. Zudem haben sich in der deutschen Version einige Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen, zwei davon sogar im Level-Up-Bildschirm.