„Metro Exodus“ geriet in den letzten Tagen in die Schlagzeilen, weil die PC-Version im ersten Jahr exklusiv im Epic-Store erhältlich sein wird und nicht, wie vorher angekündigt, auch bei der Konkurrenz Steam. Als Reaktion wurden die Steam-Reviews mit negativen Stimmen geflutet und der Skandal war perfekt. Doch die viel wichtigere Frage steht noch im Raum: Kann der dritte Teil der Reihe die Qualität halten oder ging mehr schief als die Kommunikation mit Vertriebspartnern und Fans? Erfahrt es in unserem Review.

Exodus

Im Gegensatz zu den beiden Vorgängern adaptiert „Metro Exodus“ nicht direkt die Vorlage von Autor Dmitry Glukhovsky, sondern setzt die Ereignisse des Buches Metro 2035 in Spielform fort. Die Zusammenarbeit zwischen Entwickler und Autor wurde dabei nicht aufgelöst, da Glukhovsky bei der Ausarbeitung der Handlung assistierte. Die Handlung von „Metro Exodus“ verlässt dabei jedoch das U-Bahn-System und die verstrahlten Ruinen von Moskau und lässt Held Artjom und seine Gefährten zu einer Odyssee quer durch die Überreste des zerstörten Russlands antreten, um eine neue Heimat zu finden. Diese Suche ist dabei ein eher schwammiges Ziel. Das Spiel bietet keinen übergeordneten Bösewicht oder wie im Vorgänger die Jagd nach dem letzen Mutanten. 

Die Handlung spielt über einen Zeitraum von einem Jahr und ist kein rasantes Actionfeuerwerk, in dem sekündlich der Bildschirm mit Explosionen gefüllt wird, sondern punktet mit einem gemächlichem Erzähltempo. Auf den ersten Blick wirkt die Handlung zersplittert und zusammenhanglos, doch entpuppt sich dieser Faktor als eine der größten Stärken, wirkt sie doch weniger konstruiert und stattdessen greifbarer und spontan. Die Figuren und die Welt stehen im Vordergrund und der Titel nimmt sich die Zeit, ihre Geschichten, Ziele und Gefühle ausreichend zu präsentieren. Es ist nicht nur die Geschichte von Artjom, sondern auch seiner Frau Anna und seiner Kameraden aus der Metro und einigen weiteren Menschen, die im laufe der Reise zur Gruppe stoßen. Nach wenigen Minuten in der Welt wachsen uns diese Charaktere ans Herz und wenn der Spieler in der Rolle von Artjom seinem Freund Stephan eine Gitarre aus den Ruinen mitbringt, ist dessen Freude und die damit verbundene Charakterentwicklung eine größere Belohnung als jedes Explosionsfeuerwerk. 

Der Fokus auf die Charakterentwicklung hat Auswirkungen auf die Inszenierung. Während innerhalb der Missionen auf Streifzügen alleine durch die Welt durchaus gescriptete Ereignisse gesetzt wird, ist sie in der Präsentation der Figuren reduziert. Der Spieler lauscht zwischen Missionen und Gefechten immer wieder den Gesprächen, die ohne große Effekte oder ausschweifende Kamerafahrten auskommen. Der Spieler lauscht einfach nur den Erzählungen und Geschichten der Figuren. Kleines Manko ist nun, dass Artjom während der gesamten Spielzeit keinen Ton von sich gibt, weder während der Einsätze noch in den Gesprächen mit seinen Kameraden, und dass es keine Interaktionsmöglichkeiten während der Gespräche gibt. Dadurch bleibt die Hauptfigur erschreckend blass und die Beziehung zu den Nebenfiguren, etwa seiner Frau Anna, verliert etwas an Tiefe.

Mother Russia

Der Auszug aus der Metro hat auch eine Auswirkung auf die Spielwelt. Bis auf wenige Ausnahmen, etwa während des Prologs oder einem Ausflug in einen Regierungsbunker, setzt „Metro Exodus“ auf weitläufige, abwechslungsreiche Level. Vergangen sind die Tage, in denen sich Artjom nur durch die düsteren Tunnelschächte und den frostigen Ruinen von Moskau kämpft. Schauplatz sind etwa die überflutete Sumpflandschaft an der Wolga oder die Ruinen der Ölindustrie in der kaspischen Wüste. Der Detailgrad der weitläufigen Level ist dabei unglaublich und lässt die Spielwelt lebendig und glaubhaft erscheinen. Hasen durchstreifen das Unterholz, mutierte Krabben lauern in den Gewässern und andere Bestien durchstreifen die Landschaft. Sie flankieren während der Reise den Protagonisten oder flüchten hektisch in ihre Nester, wenn Artjom mit einer Motordraisine durch die Landschaft fährt. Überreste der Zivilisation lassen sich an jeder Ecke finden und die Ruinen strotzen vor Hinterlassenschaften der früheren Bewohner. Fotos von Familien oder Kalender mit eingetragenen Daten hängen an den Wänden und die Überreste der Menschen sitzen stumm an einem Essenstisch. 

Highlight ist jedoch der dynamische Tag- und Nachtwechsel in Verbindung mit den grandiosen Wettereffekten. Egal ob Regen, Gewitter oder ein Sandsturm, die verschiedenen Einflüsse tragen einen Großteil der Atmosphäre und erzeugen viele Momente, die im Gedächtnis bleiben. Während eines Gewitters erkundet der Spiele eine Ruine und wird plötzlich von einem fliegenden Mutanten angegriffen. Durch den Regen sprintet Artjom in die Deckung, wischt sich das Wasser von der Gasmaske und versucht der Gefahr auszuweichen. Doch nicht nur solche actiongeladenen Momente stechen heraus, sondern auch ruhige Momente finden sich in Metro. Mit einem Ruderboot werden überflutete Bereiche im Flussdelta der Wolga überquert. Langsam paddelt der Spieler an Ruinen vorbei, während Sonnenstrahlen durch die Trümmer brechen, und genießt die Landschaft. Oder auf dem Dach eines alten Silos hält der Spieler inne und lässt den Blick über die detaillierte Landschaft schweifen. 

Wie in der Metro

Trotz dieser offenen Gebiete hat Metro jedoch auch seine Horror-Einflüsse nicht verloren, sondern setzt diese nun dezenter ein. Artjom muss sich immer wieder in Kellergewölbe, Bunkeranlagen und schlecht ausgeleuchtete Tunnelanlagen begeben. Auch in diesen Bereichen ist die Detailfülle überragend, doch erst der Verzicht auf einen klassischen Soundtrack sorgt für die Serien-typische beklemmende Atmosphäre. Es sind nur die Umgebungsgeräusche zu hören und wenn außerhalb des Sichtfeldes Mutanten grunzen oder Gegenstände herunterfallen stellen sich die Nackenhaare auf und man möchte nur so lange wie nötig in dem Keller bleiben.

Auch außerhalb der Metro gibt es Menschen, auf die jedoch immer wieder die Grundregel „Menschen sind Abschaum“ zutrifft. Nicht nur kleiner Banditenlager sind über die Spielwelt verteilt, sondern in jedem Gebiet wartet ein übergeordneter Bösewicht, der die Bewohner unterdrückt, etwa ein religiöser Fanatiker oder ein verrückter Sklaventreiber. Diese Personen werden vom Spiel jedoch nicht aggressiv in den Mittelpunkt gestellt und ohne zusätzliche Erkundung sind sie eigentlich irrelevant. Erst durch Gespräche mit anderen Menschen im Ödland setzt sich ein Gesamtbild zusammen. Die Handlungen des religiösen Fanatikers werden erst deutlich, wenn der Spieler Pilger in einer verfallenen Ruine entdeckt oder mit einem desillusionierten Mitglied der Gemeinde spricht. Metro schreckt auch nicht davor zurück, solche Details inmitten eines Feuergefechtes zu verpacken. All diese Momente können hektischen Spieler nicht auffallen, mit ein wenig Zeit öffnet sich die Welt jedoch und zieht den Spieler in seinen Bann.

S.T.A.L.K.E.R

Die Öffnung der Spielwelt hat nicht nur Auswirkungen auf die Atmosphäre, sondern beeinflusst natürlich auch das Gameplay. Zunächst einmal gibt es in jedem Level eine Kette von Hauptmissionen, die abgearbeitet werden können. Neben diesen Aufträgen sind nun immer wieder Hotspots auf der Karte verteilt und kleinere Nebenaufträge kommen dazu. Diese Aufgaben kann der Spieler nun in seinem eigenen Tempo angehen oder die verschiedenen Hotspots erkunden. Als Belohnung winken neue Waffenteile und Story-Schnipsel. Solche Strukturen sind für einen Open-World-Titel nichts besonderes, für einen Shooter stellen sie jedoch eine willkommene Abwechslung von den Modern-Military-Schießbuden dar. Gleichzeitig wird die Karte nicht mit unzähligen Icons und sinnlosen Beschäftigungen überschüttet, sondern nur eine handvoll Beschäftigungen warten.

Viel wichtiger sind nun die Auswirkungen auf die Gefechte. Ähnlich wie im Vorgänger hat der Spieler die Wahl, ob er die Gegner lautlos ausschaltet oder aggressive, frontale Konfrontation mit Blei als Verhandlungsargument bevorzugt. Die aggressive Vorgehensweise ist jedoch nicht immer die beste Alternative. Denn Munition ist nie im Überfluss vorhanden und bereits wenige Treffer führen zum Bildschirmtod. Da die Gegner immer in der Überzahl sind, ist die lautlose Variante zu bevorzugen. 

Die Gegner lautlos zu töten wird dabei auch vom dem Leveldesign unterstützt. In den offenen Gebieten gibt es ausreichend Deckung oder gelegentliche Alternativrouten, wodurch Wachen ungesehen ausgeschaltet werden können oder gelegentlich auch ganz umgangen werden können.  Auch der dynamische Tag-Nachtwechsel kann eingesetzt werden, um die Begegnungen zu vereinfachen. Nachts schlafen Wachen und Artjom ist noch schwerer zu entdecken. Zusätzlich erleichtern Wurfmesser und Geräuschköder diese Vorgehensweise und im späteren Spielverlauf kommt ein Bogen dazu. 

Keine Elitesoldaten

Das Grundkonzept ist ähnlich wie in vergleichbaren Titeln, beispielsweise „Stalker“ oder „Crysis 3“, eine der größten Stärken. Der Spieler wird nicht an die Hand genommen und kann eigene Entscheidungen treffen, ohne in einem durchgeplanten Schlauch festzustecken. Doch der positive Gesamteindruck wird von der Gegner-KI getrübt. Gelegentlich stellen sich die Banditen unfassbar dämlich an. Obwohl Wachen nah beieinander stehen, lassen sie sich ohne Gegenwehr nacheinander ausschalten. Kommt es nun doch zu einem Schusswechsel, verzichten sie auf Flankenangriffe oder stürmen die Deckung des Spielers. Die Gefechte machen immer noch Spaß und wie ein Supersoldat fühlt sich der Spieler trotz der Aussetzer nie. 

Davon ausgenommen sind tierische Gegner. Während einzelne der kleineren Bestien noch leicht zu erledigen sind, locken Angriffe meistens weitere Mitglieder eines Rudels an. Im Verbund werden die Viecher eine ernste Bedrohung und mit den größeren Biester ist ohnehin nicht zu spaßen. Gefechte mit diesen Monstern sollten immer gut geplant werden, meistens sollten sie umgangen werden, um nicht unnötig Munition zu verschwenden.

Ich ergebe mich !

Ähnlich wie im Vorgänger beeinflussen Tötungen einen Karmawert, der Einfluss auf das Ende nimmt. Während Gefechten ergeben sich Feinde, sollten zu viele ihrer Kameraden ausgeschaltet worden sein. Sie können nun verschont werden oder kaltblütig erschossen werden. Dieses System ist jedoch nicht vollständig ausgearbeitet. Denn es kann nicht richtig auf diese Ereignisse reagiert werden, sondern es blinkt lediglich die normale Anzeige auf, die auffordert, entweder den Knopf für einen tödlichen oder nicht-tödlichen Angriff zu drücken. Die Gegner können nicht friedlich entwaffnet werden oder zeigen auch keine Reaktion darauf, wenn sie verschont werden. Auch wenn dieses System keinen zentralen Aspekt einnimmt, wäre es für eine noch glaubhaftere Spielwelt sicherlich fördernd gewesen, wenn es vom Entwickler besser ausgearbeitet worden wäre.

In meinem Rucksack ist alles drinne

Während seinen Streifzügen findet Artjom immer wieder Upgrades für seine Waffen und Ausrüstung. Neue Zielfernrohre, Magazine oder Erweiterungen für die Läufe bieten verschiedene Verbesserungen, ein besserer Helm bietet mehr Schutz und für den Armschutz lassen sich ein Kompass und ein Bewegungsmelder hinzufügen. Durch den Verzicht auf Perks oder Talentpunkte wird das Fortschrittssystem, entgegen der aktuellen Trends, auf die relevanten Grundfunktionen herunter gebrochen und kommt ohne überladenden Müll aus. Ein besserer Helm fängt eine Kugel mehr ab und verleiht nicht noch bessere Sprungfähigkeit oder ähnliches. 

In seinem Rucksack verbirgt sich nun eine tragbare Werkstatt. Zu jedem Zeitpunkt im Spiel können die verschiedenen Aufsätze der Waffen ausgetauscht und der aktuellen Situation angepasst werden. Ist ein lautloses Vorgehen ratsamer wird schnell der Schalldämpfer montiert und das Reflexvisier durch ein Visier mit Nachtsichtfunktion ersetzt. Nicht nur begeistert der variable Spielablauf, sondern die zusammengebauten Waffen passen wunderbar in die Spielwelt. Zusätzlich müssen die Waffen immer wieder gereinigt werden, da sonst Ladehemmungen auftreten oder die Genauigkeit sinkt. 

Diese Handlung ist zusammen mit anderen Aktionen über die Craftingfunktion möglich. Innerhalb der Spielwelt finden sich zwei verschiedene Ressourcen, die genutzt werden können, um Munition nachzuproduzieren, Medikits herzustellen oder Luftfilter für die Gasmaske herzustellen. Ähnlich wie der Fortschritt beschränkt sich Metro auf das wesentliche, indem nur zwei Ressourcen gesammelt werden müssen, wodurch das Crafting nicht nerviges Beiwerk wird, sondern sich angenehm in das Gameplay einfügt. Bereits auf dem normalen Schwierigkeitsgrad herrscht kein Überfluss und zumindest sporadische Erkundung der Umgebung ist Pflicht, um ausreichend Materialien zu sammeln. 

PS4 an der Grenze

Die optische Qualität der Spielwelt ist fantastisch. Detaillierte Umgebungen, aufwendige Wettereffekte und eine enorme Weitsicht machen Metro zu einem der hübschesten Spiele dieser Konsolengeneration. Allerdings fordert diese Errungenschaft einen Tribut. Einige Texturen und Gegenstände werden sichtbar ins Bild geladen und die Ladezeiten sind absurd. Da der Bildschirmtod schnell eintritt werden die spürbaren Wartezeiten schnell nervig. Weiterhin kommt es gelegentlich zu Clippingfehler und auch die Scripts der Gegner werden stellenweise falsch ausgelöst. Die Bildrate bleibt zumindest konstant, wodurch das Spielerlebnis dadurch nicht maßgeblich verschlechter wird.