Es gab schon zahlreiche Spiele, in denen die beliebtesten Helden und Schurken der „Shukan Shonen Jump“ aufeinandertrafen. Die Prämisse von „Jump Force“ verlagert das Geschehen allerdings erstmals in unsere Welt und lässt den Spieler einen eigenen Helden erschaffen, der an der Seite von Luffy, Naruto und Goku kämpft. Leider wurde aus der Idee nicht nur wenig gemacht, einige fatale Fehlentscheidungen sorgen dafür, dass selbst Fans der Mangas einige Hürden überwinden müssen, um Spaß mit dem Prügelspiel zu haben. Wieso die Ernüchterung so groß ist, verraten euch die folgenden Zeilen.

Kloppen bis die Welt gerettet ist

Das Spiel legt einen sehr großen Fokus auf die eigentliche Geschichte, die interessant startet. Goku und Frieza kämpfen nicht in ihrer Welt, sondern mitten in New York City. Der Spieler wird als normaler Bürger fatal verwundet und von einem sogenannten Umbra-Würfel selbst zum Helden gemacht, Charakter-Editor sei Dank. Fortan kämpft er zusammen mit Helden und Schurken in der sogenannten Jump Force, die die Welt vor den neuen Bedrohungen beschützen will. Die Umbra-Würfel können normale Bürger nämlich auch in Schurken und sogar eigentlich gutherzige Helden in Killermaschinen verwandeln. All das wird von zwei eigens für „Jump Force“ konzipierten Bösewichten orchestriert, denen es um mehr geht als bloße Zerstörung.

Einige Dialoge zwischen bekannten Charakteren aus unterschiedlichen Welten sind durchaus unterhaltsam. Besonders, wenn sie Probleme aus ihrer Vergangenheit mitbringen, beweist sich das Potential des Aufeinandertreffens. Jeder Spieler sollte sich auf viele Zwischensequenzen einstellen, denn es wird mehr geredet als gekämpft. Leider entpuppt sich schnell, dass lediglich die Oberfläche angekratzt wird und die Handlung keinem Charakter gerecht wird. Oberflächliche Unterhaltungen, langwierige Szenen, die man hätte streichen können sowie langweilige neue Kontrahenten sorgen lediglich dafür, dass man die Zwischensequenzen überspringen möchte, was dank eines Patches möglich ist. Das sollte nicht der Sinn der Sache sein, aber selbst der legendäre Light Yagami wird derart stümperhaft in die Handlung eingebaut, dass man das Gefühl erhält, die Schreiber hätten sich lediglich Charakterbeschreibungen durchgelesen, anstatt sich mit dem Material zu beschäftigen. Dem ist sicherlich nicht so, gepaart mit der steifen Präsentation ist das jedoch der Eindruck, den das Abenteuer hinterlässt.

Simples Kampfsystem

Die eigentlichen Kämpfe sind natürlich das Herzstück. In 3D-Arenen kämpfen jeweils zwei Teams bestehend aus drei Charakteren gegeneinander an, wobei jeweils nur zwei Figuren gleichzeitig auf dem Schlachtfeld stehen, dafür die Kämpfer per Knopfdruck ausgewechselt werden können. Mit leichten und schweren Angriffen bleibt das Geprügel stets actionreich, komplizierte Kombos entfallen komplett. Das sorgt dafür, dass das grundlegende Kampfsystem etwas spärlich bleibt, denn einmal in einer Kombo gefangen, muss ein Spieler lediglich auf einen Knopf hämmern, während ein anderer dabei zusieht, wie sich der Lebensbalken leert. Spektakulärer sind da schon die Spezialangriffe, die leicht ausgeführt werden können und eine entsprechende Leiste leeren. Gepaart mit Sprints, besonders mächtigen Angriffen sowie dem Erwachen-Modus wirkt das Kampfsystem wie eine Mischung aus „One Piece: Burning Blood“ und „Naruto: Ultimate Ninja Storm“.

Die Kämpfe stellen solide, kurzweilige Unterhaltung dar. Jeder wird in kürzester Zeit die Grundlagen begreifen und kann sich in die durchaus ansehnlichen Prügeleien stürzen, ohne jede Feinheit zu verinnerlichen. Das macht „Jump Force“ sehr zugänglich, was natürlich perfekt dazu passt, dass möglichst viele Jump-Fans bedient werden sollen. Leider fehlt Spieltiefe für diejenigen, die sich intensiver mit den Systemen beschäftigen wollen, selbst wenn es definitiv genug Strategien gibt, um die Kämpfe taktisch zu gestalten. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Schlachten manchmal unpräzise sind und es kleine Verzögerungen beim Ausweichen oder aufladen der Spezialangriffs-Leiste gibt, die brenzlige Situationen träge gestalten.

Abwechslung: Fehlanzeige

Auch im generellen Ablauf gibt es einige Schwächen. Die Zentrale ist der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens, und von hier aus müssen sich die Spieler zunächst einem Team anschließen. Was genau das für Auswirkungen mit sich bringt, wird nicht genau genug erklärt, allzu wichtig ist dies im Endeffekt aber nicht. Egal, welchem Team man sich anschließt, der eigene Avatar folgt den Missionen, in denen es meist darum geht, neue Mitglieder zu rekrutieren oder Bösewichte zu verkloppen. Leider lassen sich diese nicht am Stück absolvieren, sodass man immer wieder zurück in die Lobby muss, um die nächste kurze Mission auszuwählen. Abseits der eigentlichen Ereignisse gibt es zudem weitere Herausforderungen, durch die die Spieler mehr Geld erhalten oder das Level der Jump Force-Mitglieder erhöhen können.
All das erinnert stark an MMOs und die Tatsache, dass andere Spieler in der Lobby herumlaufen, verstärkt diesen Eindruck. Viel zu häufig wünscht man sich leider, alle Optionen über ein schlichtes Menü auswählen zu können anstatt die immer selben Wege in einer sehr unspektakulär gestalteten Welt abzulaufen. Die Missionen selbst bieten ebenfalls keinerlei Abwechslung, weshalb der Spieler diese eher abarbeitet, anstatt gespannt darauf zu warten, was wohl als nächstes geschieht. Die Motivation nimmt viel zu schnell ab, und wer den Einzelspieler-Modus ignorieren möchte, kann dies nach der Einleitung direkt tun – lediglich zwei Charaktere müssen freigespielt werden.

Besser mit Freunden?

Die Mehrspieler-Modi bieten keinerlei Überraschungen, was sie auch gar nicht brauchen. Egal ob lokal gegen Freunde oder im Online-Modus, die rasanten Kämpfe bereiten einem erst dann richtig Spaß, wenn es gegen andere Menschen geht und nicht gegen die KI. Genau dann müssen festgefahrene Strategien überdacht werden, was den Spielfluss immens verändert. Genau diese Unterhaltung benötigt „Jump Force“, um über längere Zeit zu fesseln und wenn weitere Modi folgen sollten, könnte der unfassbar monotone Ablauf des Einzelspieler-Modus in Vergessenheit geraten, auch wenn der Hauptfokus darauf liegt.

Das neueste Mitglied der Jump Force

Der eigene Anime-Held kann natürlich angepasst werden. Neben einem von drei Kampfstilen können nämlich alle Spezialangriffe erworben werden, die andere Helden ausführen können. Es ist überraschend spannend, immer wieder das eigene Moveset anzupassen und zu schauen, welche Fähigkeiten perfekt zum eigenen Spielstil passen. Daneben gibt es noch verschieden Systeme, den eigenen Helden zu stärken und für alle möglichen Situationen zu wappnen. Natürlich dürfen optische Anpassungen nicht fehlen, leider gibt es dafür keine saubere Übersicht und der Spieler muss alle Läden der Basis absuchen, um wirklich zu sehen, was für kosmetische Gegenstände es gibt. Das ist umständlich, aber verzeihbar, schließlich wird man dadurch erst dazu motiviert, sich die wichtigsten Punkte anzuschauen.

Merkwürdiger Stil

Den kontroversesten Punkt haben wir uns für das Ende aufgehoben, nämlich den Grafikstil. Da die Handlung in der realen Welt stattfindet, wurde ein relativ realistischer Stil gewählt, anstatt die vielen Farben erstrahlen zu lassen, wie es in den meisten Animes der Fall ist. Das sieht mitunter gut aus, insbesondere bei den Figuren, die auch in den Vorlagen realistisch gestaltet wurden. Dann gibt es allerdings auch furchtbar merkwürdige Gestalten, insbesondere bei Yugi fällt es schwer, nicht verwirrt zu werden. Insgesamt wird nur bei den wenigsten Charakteren der Charme eingefangen und man ärgert sich viel mehr darüber, wie die Gestalten aussehen. Einigen wird das ein enormer Dorn im Auge sein, andere mögen die Designs sogar. Die Trailer geben zumindest einen sehr guten Eindruck wieder.

In Sachen Animationen variieren die Figuren ebenfalls sehr stark. In den Kämpfen wirken einige sehr abgehackt, die meisten führen ihre Schlage allerdings genauso kraftvoll aus, wie man es sich wünschen würde. Eine ganz andere Hausnummer sind die Zwischensequenzen, in denen die ansonsten so ausdrucksstarken Helden plötzlich steif sind, lediglich ihre Haltungen durchwechseln und beweisen, dass überhaupt kein Wert auf authentische Mimik gelegt wurde. Ansehnlich ist anders und somit verkommen selbst diese Szenen zu Atmosphäre-Killern.

Inakzeptable Umsetzung

Das aktuell größte technische Problem sind die immens langen Ladezeiten, die fast schon von „Sonic The Hedgehog“ aus dem Jahr 2006 inspiriert wurden. Zugegeben, so lange dauern sie nicht an, dafür ist die Häufigkeit inakzeptabel. Wählt man eine Mission aus, folgt eine Ladezeit. Nach der Zwischensequenz folgt eine Ladezeit. Nach dem Kampf folgt eine Ladezeit. Nach der abschließenden Sequenz folgt eine Ladezeit. Dieses Muster wiederholt sich ständig und hat im Test regelmäßig dafür gesorgt, dass wir den Controller frustriert aus der Hand gelegt haben. Es kann nicht sein, dass die kurzweiligen Kämpfe dermaßen viel Zeit in Anspruch nehmen, nur weil ständig geladen werden muss. Ein Patch soll die Dauer verkürzen, der aktuelle Stand ist allerdings inakzeptabel.

Auch die Bildrate bleibt nicht flüssig. Selbst auf der PlayStation 4 Pro kommt es regelmäßig in den Kämpfen zu Rucklern, selbst bei gar nicht so bombastischen Momenten. Aufgrund des Kampfsystems beeinflussen sie zwar die Erfolgschancen nicht, für das Genre bleiben sie aber eine herbe Enttäuschung.