Es passiert nicht häufig, dass eine Reihe, egal ob in Film oder Spiel, nach einem Reboot die ursprüngliche Reihe fortführt. Genau das haben sich allerdings Fans von „Devil May Cry“ gewünscht, und Capcom hat sie erhört. Es ist kein Geheimnis, dass der fünfte Ausflug des klassischen Dantes bereits im Vorfeld gelobt wurde, doch können die hohen Erwartungen im finalen Produkt auch erfüllt werden?

Gehen drei Dämonenjäger in die Stadt

Wer die vier Vorgänger nicht gespielt hat, darf sich bereits im Hauptmenü auf eine stylisch präsentierte Zusammenfassung stürzen. Doch auch Serienfans dürfte der Start von „Devil May Cry 5“ verwirren, denn in der Rolle von Nero müssen sie dabei zusehen, wie Protagonist Dante besiegt wird und die Dämonen anfangen, die Erde zu erobern. Auch der mysteriöse V stellt ein Rätsel dar, denn seine Motive und Aktionen wirken anfangs nicht immer logisch. Natürlich wird das alles erklärt, teilweise linear, teilweise durch Rückblenden, die zum Beispiel früh zeigen, wie Nero seinen Arm verloren hat.

Die Geschichte ist eine der großen Stärken der Fortsetzung. Direkt von der ersten Sekunde an bleibt jeder stets daran interessiert, was überhaupt vor sich geht. Dank der Rückblenden und unfassbar stylisch inszenierte Zwischensequenzen werden ebenso viele Fragen wie Antworten aufgeworfen, doch auch die Charaktere selbst tragen zur Faszination bei. Egal ob die übertriebene Coolheit von Dante und Nero oder das Geheimnis rund um V, alle drei Protagonisten lassen den Spieler in die verrückte Welt eintauchen. Dank vieler Anspielungen auf vorherige Teile, die man als Neuling auch ohne Probleme ignorieren kann, werden Fans derweil öfter lächeln, als sie es im Vorfeld erwarten. Und dann wären da noch die zahlreichen Nebencharaktere, die ebenso beeindruckende Leistungen abliefern und den Geist der Reihe perfekt verkörpern.

Klassiker im neuen Gewand

In „Devil May Cry 5“ gibt es gleich drei spielbare Helden, deren Kampfsysteme sich stark voneinander unterscheiden. Am konventionellsten ist da schon Dante, dessen vier Kampfstile jederzeit gewechselt werden können. Klassische Kombos, spektakuläre Manöver und der Einsatz der verschiedenen Waffen sind soweit bekannt, wurden im neuesten Teil aber weiter verfeinert. Es fällt vor allem auf, wie flüssig sich die Kämpfe spielen, und diejenigen, die zahlreiche Stunden investieren, können ganze Choreographien aufbauen, um die Dämonen zu verprügeln.

Nero unterscheidet sich schon stark von Dante. Während er eine Waffe und ein Schwer führt, sowie einen Greifhaken, ist die Menge an Kombos überschaubarer. Dafür werden die sogenannten Devil Breaker zu integralen Bestandteilen seines Movesets. Diese künstlichen Arme können zahlreiche Spezialangriffe auslösen, zum Beispiel Blitze verschießen oder Raketen abfeuern. Allerdings gehen sie auch sehr schnell kaputt, weshalb der bedachte Einsatz anfangs noch eine interessante strategische Komponente einführt. Im Laufe des Abenteuers kann Nero allerdings so viele Arme überall verteilt finden, und sogar vor einer Mission ausrüsten, dass der wahre Spaß erst dann ersichtlich wird: Möglichst viele verrückte Angriffe ausführen und mit etwas Geschick Kombos ausführen, die akrobatischer kaum sein könnten. 

V has come to Cry

Die beiden Helden aus dem Vorgänger wurden also weiter perfektioniert und spielen sich im neuen Teil so gut wie noch nie zuvor. Man kann zahlreiche Stunden damit verbringen, alle Feinheiten zu analysieren und erlernen, was von einem beeindruckenden Kampfsystem zeugt. Dabei ist das noch gar nicht alles, denn mit V wurde ein Neuzugang eingeführt, der eigentlich das genaue Gegenteil der anderen darstellt. Adam Drivers Doppelgänger kämpft selbst fast gar nicht, sondern beschwört drei Wesen, die alle alleine gegen die Dämonen losziehen. Dank individueller Lebensanzeigen und einigen Befehlen behält der Spieler zwar die Kontrolle, dennoch bleiben die Kämpfe mit V relativ passiv. Buffs kann der mysteriöse Mann durch das Lesen von Gedichten erzeugen, und da seine Begleiter selbst nicht töten können, muss der vernichtende Schlag selbst ausgeführt werden.

Anfangs wirkt dieses Kampfsystem sehr befremdlich. Der immense Kontrast zu Dante und Nero erzeugt nämlich einen der Reihe völlig fremden Spielfluss und erfordert seine Eingewöhnungszeit. Nach einigen Kapiteln ist es allerdings genau diese Abwechslung, die „Devil May Cry V“ auf eine neue Höhe treibt. Zudem wird Vs Moveset im weiteren Verlauf erweitert, wodurch genug Vielfalt ermöglicht wird. Obwohl die ersten Kämpfe gewöhnungsbedürftig sind, ist die Qualität ebenso hoch wie bei den anderen Protagonisten, nur auf eine andere, strategischere Weise.

Szenenwechsel

Die Level selbst sind ebenfalls beeindruckend Inszeniert. Egal ob triste Städte, die von der Invasion gezeichnet sind, alte Gebäude, in denen selbst die Böden zusammenbrechen oder gar dämonische Welten, über die rund zehn Stunden darf der Spieler so einige Kulissen betrachten, in denen er am liebsten stehen bleiben möchte, um jedes Detail unter die Lupe zu nehmen. Das Leveldesign ist erneut recht linear, zahlreiche Verstecke, optionale Pfade sowie Geheimnisse ermöglichen jedoch genau die kurzweilige Erkundung, für die die Reihe bekannt ist. Es macht ebenso viel Spaß, lediglich von A nach B zu laufen, wie sich Zeit dafür zu nehmen, weshalb jeder seinen eigenen Spielstil genießen darf. Natürlich wird letztere Gruppe mit mehr roten Orbs belohnt.

Vielfalt wird allgemein groß geschrieben, was die Gegner unterstreichen. Ständig werden neue Dämonen eingeführt, von denen nur die wenigsten Kleinvieh sind. Meist muss der Spieler sie genau beobachten und ihre Movesets verinnerlichen, um die spannendsten Kombos auszuführen. Das ist dann aber umso befriedigender, denn wer im richtigen Moment ausweicht und zum spektakulären Gegenschlag ausholt, fühlt sie so mächtig, wie in kaum einem anderen Spiel. Das gilt auch für die Bosskämpfe, die stets eine spielerische Herausforderung darstellen und die Schwächen der Helden ausnutzen. Das funktioniert so gut, dass man selbst nach dem Finale das Abenteuer in einem höheren Schwierigkeitsgrad wiederholen und viele SSS-Wertungen einholen möchte.

Der Heilige Gral der Speedrunner

Für alle drei Helden gibt es Upgrades, die ihr Moveset erweitern und neue Waffen einführen. Diese können durch rote Orbs gekauft werden, die überall in der Welt verteilt sind. Da sich die Auswahl stets erweitert, wird genug Motivation geboten, die Orbs zu sammeln. Obwohl Mikrotransaktionen verfügbar sind, ist die Menge, die im normalen Spielverlauf verteilt wird, sehr zufriedenstellend und wurde nicht an die Echtgeld-Schummelei angepasst. Auch blaue Orbs lassen sich kaufen, was etwas merkwürdig ist und auch nicht benötigt wird, um das Ende zu erreichen. 

Sowieso setzt das Spiel auf Wiederholungen im besten Sinne des Wortes. Es macht unfassbar viel Spaß, in frühere Level zurückzukehren und mit einem verbesserten Moveset sowie Können jeden Kampf mit Bestnoten zu absolvieren. Glücklicherweise bleiben die Upgrades auch erhalten, wenn der Spieler sich für einen erneuten Durchlauf im höheren Schwierigkeitsgrad entscheidet. Weiterhin darf man vor einigen Leveln den spielbaren Charakter wählen – wer beim zweiten Durchlauf einen anderen wählt als zuvor, wird also wirklich neue Situationen erleben, da sich die Helden so stark voneinander unterscheiden. Der klassische Bloody Palast wird später durch ein Update kostenlos nachgereicht, genügend Inhalt wird demnach definitiv geboten.

Stylisch

Auf PlayStation 4 Pro laufen die Kämpfe butterweich ab. 60 Bilder pro Sekunde sind der Standard und ermöglichen die bestmöglichen Kämpfe. Auch optisch weiß der Titel zu überzeugen, und die Welt sieht durchweg fantastisch aus. Butterweiche Animationen, ein geladener Soundtrack und wunderbar inszenierte Zwischensequenzen verdeutlichen, dass die Macher genau wissen, wie ein „Devil May Cry“-Spiel auszusehen hat. Lediglich die Ladezeiten könnten etwas kürzer sein, bleiben jedoch im akzeptablen Rahmen.