Fragt man JRPG-Fans, welche Rollenspiele sie in den vergangenen Jahren am meisten beeindruckt haben, werden viele „The Legend of Heroes: Trails of Cold Steel“ nennen. Obwohl die Reihe hierzulande nicht so bekannt wie „Persona“ oder „Dragon Quest“ ist, schwören viele, dass sich dahinter eine der besten Titel des Genres verstecken. Nach Veröffentlichungen auf PlayStation 3 und PlayStation Vita erschien der erste Teil in einer überarbeiteten Fassung für PC und nun auch PlayStation 4. Ist das Spiel wirklich eine solche Granate?

Die Klasse für alle

Die Geschichte beginnt mit einem Cold Open, der sich zeitlich in die Mitte der Handlung einordnen lässt. Nach wenigen Minuten werden fünf Monate zurückgespult und der Spieler darf den chronologischen Beginn erleben, wenn Rean Schwarzer seinen ersten Tag an der Thor Military Academy erlebt. Diese Schule ist sehr angesehen im Königreich von Erebonia, allerdings ist Rean nicht einfach nur ein ganz normaler Schüler. Die Gesellschaft ist nämlich in klare Klassen eingeteilt, und somit sind auch die Klassen entsprechend nach Wohlstand getrennt. Die brandneue Klasse Sieben ist aber ein Experiment, denn in dieser werden die Schichten gemischt und alle Schüler gleichbehandelt.

Natürlich wird schnell klar, dass die Schüler nicht zufällig ausgewählt werden und der Spieler erlebt, wie Rean und seine Mitschüler immer mehr über eine Welt erleben, die von politischen Krisen, Intrigen und Leid geplagt ist. Anfangs wirkt die Geschichte noch sehr typisch, doch insbesondere durch die detaillierte Welt entfaltet sich ein überraschend vielfältiges Konstrukt, in das man hineingezogen wird. Es ist nicht übertrieben wenn man sagt, dass hier eine der interessantesten und vielfältigsten Welten des Genres aufgebaut wird, durch die Themen angesprochen werden, über die man in Videospielen zu wenig liest.

Ein Sammlung aller Persönlichkeiten

Auch die Charaktere können die hohe Qualität tragen. Der Cast ist ziemlich groß und einige Hauptspieler werden sogar erst nach 30 bis 40 Stunden eingeführt, trotzdem geben die Autoren jeder Figur genug Zeit, um sich zu entfalten. Einige Klischees können nicht vermieden werden, aber hinter fast jedem Charakter steckt mehr, als es nach dem ersten Kapitel den Anschein hat. Dank Haufenweiser Nebenquests unterhält sich Rean mit den Leuten, und selbst sehr kleine Geschichten mit Personen, die in der Haupthandlung gar nicht auftreten, können begeistern.

Leider dauert es manchmal etwas zu lange, bis man zu den besten Momenten kommt. In der Zwischenzeit darf sich der Spieler durch unzählige Dialoge klicken, die regelmäßig austauschbar wirken. Auch einige intime Momente sind schlicht überdramatisiert und man fragt sich, wieso andere, viel interessantere Charaktere nicht mehr Zeit im Rampenlicht verbringen dürfen. Obwohl das stört, ist das Meckern auf hohem Niveau, denn die meiste Zeit über bleibt man gefesselt. Es lohnt sich, trotz gelegentlicher Längen dran zu bleiben, denn die Belohnungen in Form von Wendungen, Nebengeschichten und der extrem spannenden Haupthandlung sind es definitiv wert.

Freizeit und Ausflüge

Die Kapitel sind stets in zwei Hälften eingeteilt. Anfangs hat der Spieler Freizeit und darf sich Nebenquests widmen, mit Freunden treffen und kleine Quests annehmen, die einen unter anderem zu einem verlassenen Gebäude führen, in dem man nach Belieben kämpfen darf. All das resultiert in die Field Studies, die Rean an Orte auf der ganzen Welt führen. Hier gibt es alles, von engen Dungeons bis hin zu großflächigen Gebieten. Die damit verbundenen Geschichten sind stets interessant, und da es sogar an Heimatorte einiger Charaktere gibt, werden erneut die starken Persönlichkeiten in den Vordergrund gestellt.

Ansonsten sind auch die neuen Ortschaften durchweg interessant. Egal, wo einen die Handlung hinführt, man bleibt stets motiviert, alles zu erkunden. Zudem sind die Dungeons ebenfalls interessant aufgebaut, die offenen Flächen sowie Städte und Dörfer bleiben allerdings die spannenderen Kulissen. Die Macher wollen durchweg Abwechslung bieten, und zeigen dabei gleichzeitig, in welcher Welt sich die Handlung eigentlich abspielt. Die Schule sowie die angrenzende Stadt wirken regelrecht behütet, wenn man den großen Kontrast zwischen der Gesellschaft an verschiedenen Orten sieht. Genau so funktioniert Storytelling über Weltendesign.

Zugänglicher Tiefgang

Bei all dem Drumherum könnte man fast vergessen, dass „Trails of Cold Steel“ noch immer ein RPG ist. Das Kampfsystem ist im Grunde recht simpel, denn die Charaktere können auf separaten Kampffeldern bewegt werden, um sich einen Positionsvorteil zu verschaffen oder vor feindlichen Angriffen zu verstecken. Ansonsten gibt es normale Angriffe mit den entsprechenden Waffen sowie Crafts, die die Charaktere im Laufe des Spieles erlernen und stärkere Angriffe darstellen, die sogar mehrere Feinde gleichzeitig treffen können. Noch effektiver sind die Arts, die ausgeführt werden können, wenn der Spieler den Helden Orbments ausrüstet, die mit sogenannten Quartz ausgestattet werden, um diverse Fähigkeiten hervorzurufen.

Das Spiel weiß genau, wie man tiefgreifende Systeme unkompliziert erklären kann. In den ersten Stunden wird der Spieler langsam an die zahlreichen Mechaniken herangeführt, ohne dabei erschlagen zu werden. Gleichzeitig fühlt es sich nie so an, als ob man zu wenig Möglichkeiten hat, denn das Pacing ist ziemlich perfekt geraten. Da es häufige Kämpfe gibt, wird man viel Zeit in den Menüs verbringen, um seine Truppe anzupassen, doch obwohl es eine Menge zu tun gibt und die Systeme tiefgreifen sind, werden sie nie kompliziert oder umständlich.

Gute Verbesserungen

Die Überarbeitung hat einige dramatische Vorteile gegenüber dem Original. Zum einen wäre da die höhere Auflösung, gepaart mit 60 Bildern pro Sekunde sowie kurzen Ladezeiten. Weiterhin wurden über 5000 neue englische Dialoge aufgenommen, doch auch die japanische Synchronisation ist endlich auswählbar. Beide Fassungen hören sich gut an, wobei das Original naturgemäß etwas atmosphärischer klingt. Besonders gut ist allerdings der Turbo-Modus, durch den alles, von Zwischensequenzen bis hin zu den Kämpfen, doppelt so schnell abläuft. Dieser lässt sich jederzeit per Knopfdruck einstellen, sodass Grinding extrem verkürzt wird und man passenderweise in den schwierigeren Kämpfen wieder das Tempo normalisieren kann.

Veraltete Präsentation

Leider handelt es sich aber nur um ein Remaster, und nicht um ein vollwertiges Remake. Deshalb sehen die Texturen trotz hoher Auflösung sehr veraltet aus und man sieht, dass das Spiel auch für PlayStation Vita veröffentlicht wurde. Auch die Animationen sind eher mangelhaft, und filmreife Zwischensequenzen gibt es nichtmal im Intro. Das Produktionsbudget war sicherlich nicht gigantisch, etwas mehr Feinschliff wäre aber wünschenswert gewesen. Immerhin ist der Soundtrack erstklassig, und technische Probleme sind keine im Test aufgetreten.