Anwälte sind nicht erst seit kurzem beliebte Protagonisten verschiedenster Unterhaltungsmedien. Von leicht verdaulichen Laienspiel in „Richterin Barbara Salesch“, über stellenweise sehr düstere Töne in diversen Ablegern von „Law and Order“ bis zu einem gesunden Mittelmaß in „Suits“ gab es reichlich Futter für Serienfans. Videospieler hatten eine relativ kleine Auswahl an Titeln, aus denen lediglich das „Phoenix Wright“ Franchise auf dem Nintendo 3DS herausstechen konnte. Jetzt wurden die ersten drei Titel gebündelt für die Konsole wiederveröffentlicht. Warum ihr auf jeden Fall zugreifen solltet, klären wir im Review.

Ace Attorney: Anime trifft Justiz

Der Spieler schlüpft in allen drei Teilen in die Rolle von Phoenix Wright. Frisch von der Universität brennt in dem jungen Anwalt der unerschöpfliche Wunsch, für diejenigen einzustehen, die niemanden an ihrer Seite haben. Der Glaube an die Unschuld seiner Mandanten treibt ihn immer wieder zu Höchstleistungen an. Zur Seite stehen ihm dabei das Medium Maya und ihre Schwester Mia, gelegentlich der etwas schusselige Polizeibeamte Gummshoe. Wer brutalen Realismus erwartet, ist hier definitiv falsch. Die Gerichtsverfahren der „Phoenix Wright Trilogy“ haben mit der realen Welt lediglich gemeinsam, dass ein Richter den ikonischen Holzhammer auf sein Pult niederschmettert. Egal ob es die Zeugen, freundliche Unterstützer oder die Staatsanwälte sind, ein illuster und einzigartiger Cast aus Nebenfiguren betritt immer wieder den Gerichtssaal. Jede einzelne könnte einem Anime entsprungen sein. 

Trotz einem farbenfrohen Treiben im Saal selbst kommt es während jedem der 14 Fälle zu dramatischen Szenen. Zeugen werden unterdrückt, Beweise gefälscht und nur durch meisterhafte Argumentationstechniken können die Verbrechen aufgeklärt werden. Unkonventionell wird es, wenn der Staatsanwalt selbstbewusst die gesamte Kontrolle über die Verhandlung übernimmt, Zeugen nach Urteilsspruch plötzlich auftauchen oder übernatürliche Phänomene in die Handlung eingreifen. Auch wenn die Regeln der Justiz etwas gebeugt werden, dürfte keine der zahlreichen Geschichten für Langeweile sorgen. Noch beeindruckender ist die Tatsache, dass sie in jedem Ableger auch noch in eine übergeordnete spannende Rahmenhandlung eingebettet wurden, die sich mit jeder gewonnenen Verhandlung in Richtung des belohnenden Höhepunktes bewegt.

Perfektion eines Visual Novels 

Die gesamte Handlung der „Phoenix Wright“-Reihe wird mit massig Textblöcken im Stile eines Visual Novels präsentiert. Der Spieler muss jedoch zu keinem Zeitpunkt langweilige Texte ertragen, in denen diverse Unwichtigkeiten von belanglosen Figuren abgehandelt werden. Denn die Autoren der vorliegenden Titel vermeiden einen Grundfehler diverser Genrevertreter und verschwenden keine Zeit oder verstricken sich in unzähligen Nebensträngen. Das Erzähltempo ist von Beginn an wahnsinnig hoch und die Texte sind präzise und auf den Punkt geschrieben. Wenn ein Dialog keinen direkten Nutzen für die Handlung erfüllt, treibt er die Charakterentwicklung voran und lässt dem Spieler den kunterbunte Cast ans Herz wachsen. Auch für kleine Späße und die Etablierung Serien-interner Witze bleibt Zeit. Wer einige Textblöcke überspringt, könnte wichtige Details verpassen und in wenigen Minuten wird eine dichte Atmosphäre aufgebaut, während die fesselnden Dialoge den Spieler nicht mehr loslassen. 

Außerhalb der textlichen Ebene inszeniert „Phoenix Wright“ das Geschehen mit den gegebenen Möglichkeiten erstaunlich effektiv. Ansprechen stilisierte Einleitungssequenzen und gelungene Zeichnungen untermauern optisch den Fortschritt der zahlreichen Kriminalfälle. Immer wieder wird mit schnellen Schnitten zwischen Phoenix und den relevanten Personen im Gerichtssaal gewechselt und anstatt bewegungsloser Standbilder wurde den Figuren zumindest einige Gesten spendiert, wodurch viel Bewegung und Dynamik erzeugt werden. Auch der Soundtrack leistet seinen Beitrag zu der gelungenen Präsentation. Gespickt mit abwechslungsreichen Ohrwürmern steigert sich die Intensität der Stücke passend zum Fortschritt während der Verfahren und signalisiert deutlich, wann ein Höhepunkt an die Tür klopft. Obwohl es keine Sprachausgabe gibt, wurde zumindest jeder relevanten Figur ein eigener Schlachtruf auf den Leib geschneidert, sollte sie Einspruch erheben. 

Sherlock Wright

Obwohl es sich hier um ein Visual Novel handelt, fordert „Ace Attorney“ ein gesundes Maß Eigeninitiative von seinen Spieler. Das Gameplay lässt sich dabei in zwei Blöcke einteilen. Die eine Hälfte erinnert an ein klassisches Point and Click-Adventure. Der Spieler klickt sich durch verschiedene Location, spricht mit Nebenfiguren, sammelt Informationen und löst simple Rätsel. Der Schwierigkeitsgrad ist dabei vergleichsweise niedrig, denn Hinweise sind offensichtlich innerhalb der Gespräche platziert und beim Absuchen der Umgebungen wird ebenfalls angezeigt, welche Stelle relevant sein könnte. Durch die Interaktivität werden nicht nur Textblöcke abgearbeitet, sondern die Dialoge werden in einen sinnvollen Kontext eingebunden und erzeugen ein Gefühl von Fortschritt, während der Tapetenwechsel für Abwechslung sorgt. Negativ fällt auf, dass nicht jeder Schauplatz angewählt werden kann, sondern sich mühsam durchgeklickt werden muss. Will der Spieler einen Strand an einem See untersuchen, kann er dies nicht direkt tun, sondern muss erst den Parkeingang auswählen, anschließend zum Besucherareal und kann erst von dort aus zum Strand. Aufgrund dessen wird der Spielfluss gelegentlich unnötig ausgebremst. Zwar wurde dieses System gewählt, damit der Spieler keine relevanten Gespräche verpasst. Denn die werden stellenweise abgespielt, wenn nach einem Gespräch die Szene zu einem naheliegenden Gebiet gewechselt wird. Der Bedienkomfort beißt sich deshalb mit der linearen Erzählweise der Untersuchungen. 

Ab dem zweiten Teil wird die Gesprächsführung durch das System der Psylocks ergänzt. Mit Hilfe seines übernatürlichen Sidekicks kann der Staranwalt Schlösser erkennen, die Geheimnisse der Nebendarsteller symbolisieren. Um diese zu brechen, muss Phoenix weitere Beweise sammeln und als passende Antwort auf diverse Fragen präsentieren. Weitere Untersuchungen sind meistens nicht vermeidbar. Einen echten Nutzen auf spielerischer Ebene hat dieses System allerdings nicht, da bereits vorher Gegenstände präsentiert werden mussten, um Zeugen Hinweise zu entlocken. Allerdings wird die Präsentation verdichtet, indem während der Ermittlung kleine Etappensiege eingeflochten werden. Falsche Antworten reduzieren eine „Lebensleiste“, doch endet das Spiel nicht, sollte sie vollständig entleert sein. Echte negative Konsequenzen müssen also nicht gefürchtet werden. 

Objection! 

Nach der Ermittlung geht es selbstverständlich auch in den Gerichtssaal, um die gesammelte Beweise in eine flammende Verteidigung umzumünzen. Spielerisch erscheint die Angelegenheit zunächst simpel. Wechselnde Zeugen geben ihre Aussage zu Protokoll und es ist die Aufgabe des Spielers, Widersprüche auszumachen, schwammige Beschreibungen zu bestrafen und Beweise für diese Behauptungen vorzulegen. Doch der Teufel liegt im Detail, da mehrmals bereits kleinste Bemerkungen den Ausschlag geben und eine aufmerksame Lektüre unumgänglich ist. Die textbasierte Struktur eines Visual Novels führt zu einem sinnvollen spielerischen Mehrwert. Der Schwierigkeitsgrad ist angemessen, doch wird dem Spieler von der internen Logik des Spiels und einem linearen Ablauf gelegentlich das Bein gestellt. 

Denn Beweise können immer nur an ihrem vorgesehenen Ort angebracht werden und oftmals ist es nicht ganz klar, welcher Gegenstand dem Saal präsentiert werden soll. Obwohl der Spieler bereits einen Schritt weiter ist und diese These aufdecken will, meldet das Spiel immer wieder, dass kein Widerspruch vorliegt - nur um Sekunden später genau diese These aufzudecken und Beweise dafür zu fordern. Dadurch kommt es an einigen Stellen zu stumpfem Trial and Error, was frustrieren kann, da bei falschen Antworten erneut eine Leiste geleert wird. Doch diesmal ist der Schuldspruch die Konsequenz bei zu vielen falschen Vermutungen. Störend fällt auch das Fehlen eines Notizbuches auf, in dem relevante Informationen und deren Kontext verzeichnet werden. Zwar gibt es ein „Court-Record“, doch sind die Informationen recht spärlich und nur für den aktuellen Abschnitt des Falles hilfreich. Bei der Relevanz kleinster Fakten wäre ein ausführliches Journal hilfreich gewesen und es ist schade, dass hier nicht die Chance einer Verbesserung ergriffen wurde. Wird jeder Fall an einem Stück durchgespielt, fällt dieser Markel nicht sonderlich auf, da das Kurzzeitgedächtnis den Großteil der Informationen gespeichert hat. Liegen zwischen Spielsessions aber mehrere Tage Pause, wird es problematisch, alle Details im Kopf zu behalten. 

Zeitlos gut

Die Neuauflage hat lediglich optische Neuerungen erfahren. Die Pixeloptik der ursprünglichen Version wurde geglättet, wodurch das Bild schärfer und weniger altbacken aussieht. Akkustisch wurde hingegen wenig geändert und daran könnten sich die Geister scheiden. Der Soundtrack an sich ist wie bereits erwähnt über jeden Zweifel erhaben, doch wurde die Aufnahme nicht überarbeitet und es klingt weiterhin wie ein Midi-Soundtrack. Die Ursprünge auf dem Handheld sind überdeutlich, haben aber auch einen gewissen Retro-Charme. Die Bildrate bleibt stabil und Fehler oder Abstürze konnten nicht beobachtet werden. Störend ist allerdings, dass es momentan keine deutsche Übersetzung gibt, sondern alle Texte nur in der englischen Version vorliegen. Ein Patch soll dieses Problem beheben, allerdings verfügt nicht jeder über ausreichende Sprachkenntnisse für ein barrierefreien Spielgenuss.

https://www.youtube.com/watch?v=NRhuVGt5Lx0