Depressionen sind ein überaus schwieriges Thema, insbesondere in Videospielen. Wie soll der innere Konflikt dargestellt werden? Kann durch die tiefgreifende Geschichte überhaupt Spielspaß erzeugt werden? Wie gehen Spieleentwickler mit persönlichen Erfahrungen um? Es gibt einige Spiele, die das Thema nuanciert behandeln, allerdings auch viele, die daran gnadenlos scheitern. In „Sea of Solitude“ wird dennoch große Hoffnung gesteckt, schließlich ist der Publisher des Projektes des deutschen Entwicklerstudios Jo-Mei niemand Geringeres als EA. Wieso das Spiel aktuell die Fans spaltet, verraten wir euch im Test.

Die eigenen Dämonen

Die Reise startet mit Protagonistin Kay, die sich in einer ihr fremden Welt wiederfindet, in der alles unter Wasser steht. Sie weiß nicht, wie sie dort gelandet ist, wird aber schnell von einem Mädchen begrüßt, das ihr die Fähigkeit gibt, Lichtkugeln zu erzeugen, die dem Spieler direkt helfen. Die Kugeln fliegen nämlich direkt zum nächsten Spielziel, sodass man sich niemals verlaufen kann. Der bunten Welt werden leider schnell die Farben entzogen, sobald ein riesiges Monster auftaucht und die Finsternis mit sich bringt. Das Mädchen verschwindet, weitere Lichtkugeln erscheinen und somit muss Kay stets neue Gefahren überleben.

Plaudertasche

Selbst der Protagonistin wird sehr schnell klar, dass sie hier ihre inneren Dämonen bekämpft. Viel Interpretationsspielraum gibt es im Vergleich zu ähnlichen Spielen nicht, denn nachdem der Spieler einige Momente lang rätseln kann, spricht Kay deutlich aus, was vor sich geht. Auch die Monster selbst sprechen ihre inneren Konflikte deutlich aus, sodass man im Laufe der drei bis vier Stunden langen Reise Kays Familie kennenlernt. All das ist mit Kays eigener Psyche verbunden, sodass sie selbst Erkenntnisse über das Leben und ihre Umwelt gewinnt, die sie vorher nicht hatte.

„Sea of Solitude“ bietet starke, emotionale Szenen, viele Symbole und eine persönliche Geschichte, schließlich sind die Handlungsstränge eng mit den eigenen Erfahrungen der Macher verbunden. Die Umsetzung ist aber nicht perfekt gelungen, was an den vielen, vielen Dialogen und Monologen liegt. Kay spricht schlichtweg zu viel und erklärt Ereignisse, die durch eine beeindruckende Inszenierung gar keine Erklärung gebraucht hätten.

Immer wieder stellt man sich die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, auf eine Synchronisation zumindest für Kay zu verzichten. Denn die Bildsprache ist großartig, wird aber dadurch entwertet, dass der Spieler selbst kaum etwas herauslesen muss. Zudem ist die Synchronisation selbst grauenhaft, da hier Deutsche in englischer Sprache reden. Der mal mehr, mal weniger furchtbare Akzent gepaart mit einer eher durchwachsenen Leistung stört die Erfahrung manchmal leider gewaltig. Dabei sind die Unterschiede enorm zu spüren, denn während Kay und auch ihr Vater kaum auszuhalten sind, wirkt der letzte eingeführte Charakter beeindruckend authentisch und kann dementsprechend auch die Handlung deutlich besser vermitteln.

Simpel und beeindruckend

Glücklicherweise bleibt das die einzige Kritik an dem Spiel. Der Verlauf ist nämlich linear, dafür aber sehr unterhaltsam gestaltet. Mit dem Boot fährt Kay durch die wunderschöne Welt, und diese darf man nicht unterschätzen. Es gibt extrem atmosphärische Landschaften und einige Überraschungen, wodurch eine angenehme Vielfalt in Bezug auf die Orte ermöglicht wird. Insbesondere in der zweiten Hälfte wird die scheinbare Offenheit der linearen Welt fallen gelassen, was wiederum zu wunderbaren Momenten und Veränderungen führt.

Spielerisch gibt es keine großen Herausforderungen für den Spieler. Man folgt den Leuchtkugeln, läuft manchmal vor Schattenfiguren weg oder nutzt Lichtstrahlen, um Blockaden zu entfernen. Dabei wird geklettert und geschwommen, nichts davon fordert aber Köpfchen oder stellt sich als Schwierigkeit heraus. Für einige mag das zu simpel sein, doch es fördert das Ziel, nämlich die Geschichte und Szenerie in den Vordergrund zu stellen. Sollte man doch einmal sterben, liegen die Rücksetzpunkte stets nur wenige Sekunden zurück.

Am Ende der Reise

Wenn das Gameplay in den Hintergrund gerät, wird die Geschichte umso wichtiger. Obwohl diese mit Schwächen in der Synchronisation zu kämpfen hat, darf man sie als gelungen hinnehmen. Immer wieder gibt es starke Szenen, insbesondere, wenn einzelne Handlungsstränge abgeschlossen werden. Die Macher verstehen es, solche emotionalen Momente bestens einzufangen. Nicht jede dieser Szenen ist ein Volltreffer, die besseren Stellen sind aber häufiger vertreten als jene, in denen das Skript etwas ausgefeilter hätte sein dürfen.

Genau das ist es auch, worauf es bei „Sea of Solitude“ ankommt. Kritik ist zwar durchaus angebracht, das Gesamtwerk entpuppt sich aber als Trip, der die Zeit der Spieler wert ist. Manchmal ist man von Kay genervt, doch genau das soll man auch in diversen Momenten sein. Das Ende liefert derweil einen schönen Abschluss, würde aber auch Platz für einen DLC oder gar eine Fortsetzung bieten. Natürlich wäre eine bessere Leistung der Synchronsprecher und ein abwechslungsreicheres Gameplay wünschenswert gewesen, doch die wundervolle Welt gepaart mit der persönlichen, teils sehr starken Handlung, machen die Probleme zumindest stellenweise wett.