Remedy Entertainment hat mit „Max Payne” Videospielgeschichte geschrieben. 2010 folgte dann der Microsoft-Exklusive Kulthit „Alan Wake“, der allerdings in Sachen Verkaufszahlen enttäuschte. Nach einigen kleinen Titeln folgte 2016 der nächste Blockbuster. „Quantum Break“ stieß aber bei Spielern und Kritikern eher auf gemischte Reaktionen. Daraufhin entschied sich das Studio für eine andere Richtung, ließ die Microsoft-Exklusivität fallen und brachte nun „Control“ auf den Markt, das nicht nur die Stärken des Studios vereint, sondern sich zugleich als eines der besten Spiele des Jahres entpuppt.

The Federal Bureau of the SCP Agency

Viel verwirrender könnte der Einstieg in „Control“ wohl kaum sein. Protagonistin Jesse Faden findet das Gebäude des Federal Bureau of Control, einer Organisation, die sich mit paranormalen Aktivitäten auseinandersetzt. Zwar befindet sich deren Basis mitten in einer Großstadt, die normale Bevölkerung kann dieses aber nicht erkennen, da es sich um das sogenannte Älteste Haus handelt. Dieses ist ein übernatürliches Gebäude, das seine Form verändert und trotz seiner Größe nur von denen erkannt werden kann, die von seiner Existenz wissen.

Jesse hat ein persönliches Ziel, denn nach einem rätselhaften Ereignis in ihrer Kindheit wurde ihr Bruder Dylan von der Organisation entführt. Bereits ihre Ankunft wirft aber mehr Rätsel auf, denn innerhalb weniger Minuten steigt sie von der Hausmeistergehilfin zur Direktorin des FBC auf und erfährt von der Bedrohung des Zischens – einer mysteriösen Macht, die zahlreiche Angestellte befällt, gleichzeitig das Haus aber nicht verlassen kann. Fortan startet Jesse ihre Rettungsmission, erhält übernatürliche Fähigkeiten und enthüllt zahlreiche Geheimnisse der Organisation sowie ihrer Kindheit.

Die etwas andere Erzählung

Nach der ersten Stunde wirkt die Geschichte von „Control“ wie ein einziges Chaos. Es werden haufenweise Informationen in den Raum geworfen, kryptische Szenen und Visionen eingeblendet sowie Enthüllungen offenbart, zu denen die Fragen fehlen. Genau hier beweisen die Autoren aber ein beeindruckendes Geschick für Feinheiten, da sie zu jedem Zeitpunkt genauestens kontrollieren, was der Spieler wissen kann. Obwohl man scheinbar Jesses Gedanken hören kann, weiß der Spieler selbst über ihre Geschichte wenig und lernt sie erst nach einigen Stunden wirklich kennen – Stichwort Polaris. Auch die Nebencharaktere, von denen es nicht zu viele gibt, erweisen sich als bemerkenswert verschrobene Persönlichkeiten, die nicht verwundert darüber sind, dass Jesse die neue Direktorin ist. Auch der Rat bleibt ein Mysterium, denn dieser gibt Jesse immer wieder Anweisungen, offenbart sich aber lediglich in Form einer schwarzen Pyramide. Die Erzählung bleibt durchweg spannend, die wichtigsten Momente beeindrucken und durch die mysteriöse Herangehensweise bleibt man durchweg gespannt, was hinter der Organisation steckt.

Leider ist das Finale recht offen gehalten. Die Geschichte findet ihr Ende, doch neben vielen offenen Fragen wird der eigentliche Konflikt nicht abgeschlossen. Das liegt möglicherweise an geplanten Erweiterungen, doch ein runderer Abschluss hätte bei der oft verwirrenden Handlung für mehr Klarheit gesorgt. Abgesehen davon ist die Arbeit des FBC ein richtiger Motivator, die zahlreichen optionalen Dokumente zu lesen. Dort geht es nämlich um Alltagsgegenstände, die übernatürliche Kräfte besitzen. Sei es ein Gerät, das Menschen hypnotisiert oder ein Kühlschrank, der ständig beobachtet werden muss, um sich nicht in eine Mördermaschine zu verwandeln. Hier zeigt sich sehr deutlich, wie stark „Control“ von der SCP Foundation beeinflusst wurde – was beste Unterhaltung garantiert.

Max Payne als Superheld

Spielerisch handelt es sich bei „Control“ hauptsächlich um einen Third Person Shooter. Mithilfe einer Waffe, die sich ohne Munition selbst aufladen kann, läuft der Spieler durch die Ebenen des Gebäudes und bekämpft zahlreiche Gegner, die häufig durch Schilde, Rüstungen oder ihre Flugfähigkeiten geschützt werden. Anfangs spielen sich diese Feindesbegegnungen aufgrund der fehlenden Zielassistenz holprig, doch nach der entsprechenden Eingewöhnungszeit entwickelt der Spieler die benötigte Präzision. Zudem lassen sich weitere Waffenformen freischalten, durch die mächtige Laser oder sogar Raketen dafür sorgen, dass man für jede Situation die passenden Geschosse nutzen kann.

Das Tempo der Kämpfe ändert sich schlagartig, sobald Jesse ihre erste übernatürliche Fähigkeit erhält. Per Telekinese kann sie nämlich den Großteil der Objekte aufnehmen und gegen Feinde schleudern – hier ist das Zielen dank automatischem Anvisieren auch deutlich einfacher. Später kommen noch weitere Mächte hinzu, wie ein Schild, das zum überlebenswichtigen Werkzeug wird. Auch das wird über eine Leiste limitiert, sodass der Spieler nicht dauerhaft Gegner bewerfen kann, sondern stets in Bewegung bleiben muss, um den Kugeln auszuweichen.

Permanente Kontrolle

Die Kämpfe sind sehr dynamisch und schnell, bleiben aber in jeder Begegnung fordernd. Das liegt vor allem daran, dass Jesse kaum Schaden aushält und häufig nach zwei Treffern stirbt. Glücklicherweise lässt jeder Feind Kugeln fallen, durch die die Lebensanzeige gefüllt wird, dennoch ist ein schnelles und taktisches Vorgehen wichtig, um nicht ständig zum letzten Checkpoint zurückgeschickt zu werden. Das kann einige sicherlich verschrecken, schließlich gibt es nur einen Schwierigkeitsgrad, und die Arenen voller Feinde sind oftmals komplex gestaltet. Gleichzeitig ermutigt es, alle Fähigkeiten einzusetzen, sich nicht einfach hinter einer Deckung zu verstecken und viel aggressiver voranzugehen, als in vielen anderen Genre-Vertretern.

Die Bosse erweisen sich dann als harte Brocken, denn ihre langen Lebensleisten sowie die Verstärkung in Form von normalen Feinden gleichen einer extremen Herausforderung. Glücklicherweise sind die Boss-Gegner fantastisch gestaltet, bieten einzigartige Herausforderungen und Überraschungen, die „Control“ noch verrückter machen. Gleichzeitig erfordern sie einen langen Atem – den schwierigsten optionalen Boss haben wir erst nach über einer Stunde und zahlreichen Toden besiegen können.

Control Prime

Obwohl Remedy für die Kapitel-Struktur bekannt ist, handelt es sich bei „Control“ interessanterweise um ein Metroidvania-Spiel. Dabei lässt sich die Offenheit nahezu komplett ignorieren, wenn man lediglich den Hauptmissionen folgt. Häufig gibt es aber verschlossene Türen, die sich nur mit bestimmten Karten öffnen lassen, sodass es sich lohnt, im späteren Spielverlauf diese Orte einmal mehr aufzusuchen, um seltene Materialien und wichtige Dokumente zu erhalten. Noch offensichtlicher wird das in Form der Bewegungsfähigkeiten, denn durch diese kann Jesse neue Orte erreichen und mitunter in völlig neue Areale eindringen, die mal mehr, mal weniger groß sind. Insbesondere im späteren Verlauf wird der großartige Levelaufbau eindeutig, wenn man sich in einem Raum befindet, der in den frühen Stunden besucht wurde – nur zahlreiche Etagen tiefer.

Wer die Hauptmissionen verfolgt, darf sich dank Schnellreise-System über die Checkpoints sowie Fahrstühle das Backtracking stark verkürzen – wobei die Reise zu Fuß häufig darin resultiert, dass neue Räume entdeckt werden. Die Nebenmissionen erweisen sich aber als ebenso unterhaltsam und drehen sich häufig um die paranormalen Objekte sowie Rettungsmissionen. Manchmal muss der Spieler bekannte Orte besuchen, die interessantesten sind aber die, die man ansonsten komplett verpasst. Sei es eine von einem Fungus verseuchte Höhle oder ein abgegrenzter Bereich mit Milliarden von Uhren, niemand sollte die Nebenmissionen verpassen.

Kratzer in der Matrix

Zudem gibt es für jede Mission Erfahrungspunkte, die sich in einen simplen Skillbaum investieren lassen. Darin findet man die typischen Boni, darunter höheren Schaden beim Schleudern, ein länger anhaltendes Schild oder die Erhöhung der Lebens- und Fähigkeitsleiste. Das ist zwar unspektakulär, spielerisch aber sinnvoll. Schließlich muss sich der Spieler immer überlegen, was gestärkt werden soll, ohne sich über unnötige Upgrades zu ärgern. 

Leider ist nicht alles perfekt. Dazu gehört die Verteilung der Checkpoints, die meist gut geraten ist, an mindestens drei Stellen aber dafür sorgt, dass weite Wege inklusive Kämpfe wiederholt werden müssen. Zudem ist es überaus frustrierend, wenn sich Gegner anschleichen und Jesse dann mit nur zwei Schüssen erledigen. Besonders ärgerlich wird das gegen Ende, wo längere Kampfpassagen wiederholt werden müssen, wenn die Heldin nach zehn Minuten stirbt.

Wunderschön schaurige Kulisse

Das Gute zuerst: „Control“ ist ein bildhübsches Spiel. Zwar spielt das Abenteuer in Büroräumen, langen Hallen, mechanischen Einrichtungen sowie einem Gefängnis. Gleichzeitig wissen die Macher durch eine Detailverliebtheit sowie surreale Elemente durchweg zu beeindrucken. Es ist unglaublich, wie viel das Team aus den scheinbar simplen Kulissen herausholt, ohne sie dabei eintönig wirken zu lassen. Die Physik-Engine hilft ebenfalls dabei, denn mit den Kräften lassen sich Tische durch den Raum schleudern und schön geordnete Gegenstände ins Chaos bringen. Jedes Objekt bewegt sich eigenständig, sodass ein regelrechtes Effektgewitter entsteht. Selbst nach 20 Stunden wird es nicht langweilig, Tische umzuhauen und Räume auseinanderzunehmen.

Auch die Musik ist erstklassig und wirkt wie ein Mix aus „Akte X“ sowie „Alan Wake“. Die deutsche Synchronisation passt zwar selten zu den Lippenbewegungen, macht aber ebenfalls eine gute Figur und erweckt die Charaktere zum Leben, wobei die englische Vertonung deutlich besser ausgefallen ist. Auch die Steuerung geht gut von der Hand, doch leider sorgen andere technische Probleme für eine Menge Frust.

Ruckelnde Action

Gerade noch akzeptabel sind die etwas zu langen Ladezeiten, die bei häufigen Toden ständig abgespielt werden. Anschließend ruckelt das Spiel aber für wenige Sekunden extrem, und auch die Texturen müssen erst nachladen. In den hektischen Kämpfen erweist sich die Bildrate als starkes Problem und ruckelt dermaßen, dass die Übersicht komplett verloren geht, was zu unfairen Toden führt. Selbst, wenn viele Objekte durch den Raum fliegen, stottert das Spiel deutlich. Glücklicherweise bleibt das Abenteuer stets spielbar, dennoch stören diese massiven Probleme den Spielfluss erheblich und müssen durch einen Patch beseitigt werden.