Ein neues Jahr, ein neues „FIFA“ – dieser Spruch ist zwar alt, dennoch zeigt er in jedem Jahr, dass die Spielelandschaft ohne EA Sports eine der wichtigsten Größen verlieren würde. Allerdings haben sich die Zeiten geändert, und während bis 2014 noch jeder Teil mit geringfügigen Änderungen gefeiert wurde, fordern die Fans nun vor allem Neuerungen. Diese bietet „FIFA 20“ sehr offensichtlich, bleibt in anderen Bereichen allerdings flach. Ob das reicht, um auch in diesem Jahr der Genre-König zu werden, haben wir für euch herausgefunden.

Eine neue Saison

Der große Rasen bleibt der Kern der Reihe, weshalb dort einige Anpassungen vorgenommen wurden. Das Spieltempo ist zwar noch immer hoch, jedoch ein klein wenig langsamer als im vergangenen Jahr. Das wird zum Vorteil, denn die Rasenduelle fühlen sich somit kontrollierbarer an, während kleine Fehler zumindest gegen die KI verziehen werden. Auffälliger ist aber der Fokus auf die Körperkraft, denn Charaktere krachen nun deutlich wuchtiger aneinander, was automatisch bedeutet, dass die Verteidigung stabiler wird. Wer nun also die richtige Taktikeinstellung auswählt, kann sich mehr als zuvor darauf verlassen, dass die Verteidiger ihren Job machen.

Zudem wurden die Freistöße erweitert und lassen sich nun mit einer größeren Vielfalt ausführen, Spins inklusive. Das hört sich aber beeindruckender an, als es ist, denn mehr Kontrolle erhält man dadurch nicht. Ansonsten gibt es die typischen Erweiterungen, darunter neue Tricks und eine präzisere Befehlsausführung. Nichts davon verändert das Gameplay gravierend, und selbst Gelegenheitsspieler werden nach wenigen Runden den Spielrhythmus verinnerlicht haben. Eine Revolution mit gravierenden Änderungen wird aber, wie schon in den vergangenen Jahren, nicht geboten. Das muss nicht schlecht sein, schließlich hat „FIFA“ mittlerweile eine dermaßen hohe Qualität erreicht, dass nicht mehr viel Luft nach oben ist. Wer aber auf mehr Realismus hofft, muss weiterhin zur Konkurrenz greifen.

Back to the Streets

Das beweisen die Macher insbesondere mit dem neuen Modus, der endgültig in die Arcade-Schiene geht. Volta Football ist nämlich die Wiedergeburt von „FIFA Street“, wenn auch mit einer eigenständigen Dynamik, anstatt die ehemalige Nebenreihe zu kopieren. Matches können hier in Dreier- bis Fünfer-Teams auf der Straße oder in Hallen ausgetragen werden. Bemerkenswert sind die Anpassungsmöglichkeiten, denn es darf entschieden werden, ob Banden zählen, jemand im Tor stehen muss, sowie zahlreiche weitere Optionen. All das sorgt dafür, dass jeder Spieler sich genau das Streetmatch bauen kann, das er sich wünscht.

Sobald die eigentliche Runde beginnt, fällt allen voran das immense Spieltempo auf. Der kleinere Platz gepaart mit weniger Spielern erfordert eine völlig andere Reaktionsgeschwindigkeit, als die großflächigen Spiele. Deshalb bedarf es einer Eingewöhnungszeit, die aber ebenso erstaunlich schnell vorüber ist. Volta erweist sich als sehr zugänglich und bestens geeignet für kurze Runden. Wer mehr Zeit damit verbringen möchte, darf sich derweil den Online-Modi, den Tour-Teams und einer eigenen Karriere widmen, wodurch die Spielzeit im Vergleich zu „FIFA 19“ nicht nur erhöht wird, sondern sich auch vielfältiger gestaltet. Und dann wäre da noch der Story-Modus.

Straßen-Slang aus den 90ern

Weil die Geschichte von Alex Hunter im vergangenen Jahr beendet wurde, ein so zentraler Modus aber nicht einfach entfernt werden kann, haben sich die Macher für eine Neuausrichtung entschieden. Die Volta-Story bietet hochwertige Zwischensequenzen sowie Matches, in denen der Spieler ein Team begleitet, das die große Bühne erobern möchte. Technisch wird ein hervorragendes Paket geboten, das rund sieben Stunden unterhält und gleichzeitig die wohl beste Einführung in den Modus darstellt, die man sich wünschen dürfte.

Leider lässt sich das nicht über die eigentliche Qualität der Handlung sagen. Die Charaktere sind extrem austauschbar, die Dialoge wirken durchweg künstlich und bei einigen Sprechern möchte man lieber den Ton ausschalten. Das Potential, eine weniger beleuchtete Fußballwelt in den Fokus zu rücken, dürfte somit also als gescheitert gelten. Dennoch werden Spieler seicht unterhalten, und das Gesamtpaket wird dadurch nicht schlechter.

Gewohntes Paket

Ansonsten sollte man nicht sonderlich viel Neues erwarten. Die größte Neuerung abseits des Rasens ist der Charaktereditor, der deutlich umfangreicher als zuvor ausgefallen ist. Auch die Möglichkeit, eine Trainerin zu sein, ist eine gute Ergänzung. Die Pressekonferenzen und Dialoge in der Karriere sind zwar nicht so vielfältig, wie sie hätten sein können, lockern dafür das Geschehen auch nach vielen Stunden noch auf.

Ansonsten wird genau die perfektionierte Auswahl geboten, an die sich Fans gewöhnt haben. Durch den Volta-Modus wird der Umfang so stark erweitert, wie schon seit Jahren nicht. Die eigentliche „FIFA“-Erfahrung bleibt aber weiterhin die, die es auch im Vorjahr gab.

Ultimativer Modus?

Ewig umstritten, ewig beliebt: Natürlich darf auch Ultimate Team nicht fehlen. Das negative zuerst: Noch immer ist der Modus vollständig darauf abgerichtet, Spieler dazu zu bringen, Spielerkarten mit Geld zu erwerben. Wer somit viel zahlt, wird auch erfolgreicher sein als diejenigen, die sich die Ingame-Währung mühselig erspielen.

In diesem Jahr soll aber auch Lob für den Langzeit-Modus ausgesprochen werden. Die dank „Fortnite“ beliebten Saisons sind nämlich auch hier zu finden, weshalb es regelmäßig Belohnungen für aktive Spieler gibt. Die Aufgaben erfordern Spielzeit statt Geld, weshalb auch die Fans belohnt werden, die keinen Cent ausgeben möchte. Zahlreiche Herausforderungen sorgen zudem für mehr Erfahrungspunkte als zuvor, während es auch häufiger Kartenpakete als Belohnungen gibt. Das dürfte Kritiker nicht umschwenken, Fans werden aber zumindest ein deutlich motivierenderes System finden.

Klassisches Upgrade mit Kratzern

Was die Optik und Technik angeht, ist der Fortschritt nicht gigantisch. Wie in jedem Jahr sehen die Spieler leicht besser aus, die Atmosphäre in den Stadien sieht etwas besser aus und die Kommentare sind leicht abwechslungsreicher. Ohne einen direkten Vergleich sind diese zwar nicht offensichtlich, Stillstand darf man der Reihe aber nicht vorwerfen.

Das größte Schmankerl für Fans bleibt natürlich die Masse an Teams. Über 700 davon gibt es in „FIFA 20“ und diese garantieren somit das wohl authentischste Paket, das es in einem Sportspiel geben kann. Allerdings gibt es offensichtliche Probleme, denn aufgrund der Konkurrenz fehlt diesmal die Allianz Arena, und auch Juventus Turin ist nur durch Fantasienamen vertreten. Das sind für deutsche sowie italienische Fans große Einschnitte, die an die schlimmsten Zeiten des Lizenzchaos erinnern.