„Star Wars“-Fans hatten in der Videospielwelt nicht gerade viele Gründe zur Freude. Nach enttäuschenden Titeln und einigen VR-Ablegern verspricht „Star Wars: Jedi Fallen Order“ nun aber, endlich ein Abenteuer auf die Beine zu stellen, das der legendären Reihe würdig wird. Wieso das Entwicklerstudio Respawn Entertainment einmal mehr bewiesen hat, weshalb sie zu den besten der Industrie gehören, verraten wir im Test.

Die Last der Überlebenden

Die Handlung setzt einige Jahre nach der legendären Order 66 an, während der alle Jedis getötet wurden. Der Spieler schlüpft in die Schuhe von Cal Kestis, der das schreckliche Ereignis überlebt hat, seitdem aber untergetaucht ist und sein Leben als Schrottsammler fristet. Seine Macht-Fähigkeiten kann er aber nicht lange verbergen, weshalb das Imperium alles daran setzt, den Überlebenden zu töten. Glücklicherweise wird er von der geheimnisvollen Cere Junda und dem Schiffskapitän Greez Dritus gerettet, die sich fortan auf eine Reise machen, den Orden der Jedi zu beschützen.

Die Handlung arbeitet in den ersten bombastisch inszenierten Minuten mit vielen Klischees, entfaltet sich aber über die 20 Stunden auf erstaunliche Weisen. Das trifft insbesondere auf Cere zu, die zu den interessantesten Charakteren des „Star Wars“-Universums gehört, während der Spieler bestens mit Cal mitfühlen kann. Auch den Druiden BD-1 wird jeder Spieler ins Herz schließen, während selbst die Bösewichte nicht so eindimensional daherkommen, wie man es von der Vorlage gewohnt ist. Bis zum großen Finale bleibt das Niveau weit oben, was zu einer der bislang besten Handlungen der Reihe führt, Bücher und Filme eingeschlossen.

Action hoch „Uncharted“!

Innerhalb der ersten Stunde präsentiert das Spiel seine Mechaniken bestens. Im Prolog geht es allen voran ums Klettern, was stark an „Uncharted“ und andere Genre-Vertreter erinnert. Cal nutzt jeden Griff aus, um sich zur nächsten Plattform zu befördern, schwingt an Seilen und läuft an Wänden entlang, was im späteren Verlauf durch die Machtkräfte noch spannender wird. Somit werden immer wieder schöne Plattformer-Passagen eingebaut, die niemals allzu sehr fordern, dafür aber immer unterhaltsam bleiben.

Gerade die Inszenierung beweist die Liebe zum Detail. Es gibt bombastische Szenen sowie solche, die sehr ruhig und atmosphärisch daherkommen. Von dichten Wäldern bis hin zu düsteren Zug-Passagen muss Cal immer wieder seine Fähigkeiten unter Beweis stellen, wodurch es kaum Zeit zum Durchatmen gibt. „Star Wars: Jedi Fallen Order“ schafft es mit Bravour, den Spieler permanent zu beschäftigen, ohne dass es echte Füller-Inhalte gibt.

Jedi Souls

Was wohl niemand erwartet hätte: Das Kampfsystem orientiert sich an „Dark Souls“, und das funktioniert deutlich besser als gedacht. Das Lichtschwert bleibt zwar die einzige Waffe, doch die Kämpfe sind alles andere als einfach. Es gilt, die Gegner anzuvisieren, in den richtigen Momenten anzugreifen, auszuweichen und zu parieren, während die Bewegungen der Gegner einstudiert werden. Insbesondere bei den Bossen kann man ins Schwitzen kommen, während auch Gruppen von Gegnern zu einer echten Tücke werden. Auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad wird sogar jeder Feind zur Todesfalle, so wie in dem geistigen Vorbild.

Die Macher haben es perfekt geschafft, das auf dem Papier sehr langsame und statische Kampfsystem möglichst dynamisch zu gestalten. Die Kampfmanöver von Cal sind vielseitig, und wenn man drei Sturmtruppler angreift, ihnen ausweicht und gleichzeitig Schüsse zurückschleudert. Insbesondere dank der vielfältigen Gegner wird somit jede Konfrontation zur Herausforderung, gleichzeitig wird die Action niemals unfair. Wer möchte, kann den Schwierigkeitsgrad auch komplett herunterschrauben, und wird dann auch vermutlich nie sterben.

Endlose Faszination

Die Anleihen an den Meilenstein enden aber nicht nur bei den Kämpfen. Immer wieder gibt es nämlich Meditationspunkte, an denen die Lebensanzeige ebenso gefüllt wird wie die, die Machtkräfte ermöglicht. Sogar die Gegner, die zuvor besiegt wurden, werden bei der Nutzung wiederbelebt. Auch ein Fähigkeitenbaum lässt sich ausbauen, um zahlreiche neue Fähigkeiten für die Kämpfe und die Fortbewegung zu erlernen. Hier wurden die Macher zwar nicht allzu kreativ, doch jeder Punkt sollte weise investiert werden, denn alle Optionen sind nützlich.

Zudem ist auch der Tod nicht konventionell, zumindest wenn man von einem Feind besiegt wird. Man behält nämlich seine Erfahrungspunkte nicht, sondern muss vom Speicherpunkt aus zum entsprechenden Feind zurückkehren, und ihn ein Mal schlagen. Damit sich niemand vor einer zu großen Herausforderung fürchten muss, werden bei der Rückgewinnung der Punkte auch gleich die Leben und Jedi-Kräfte aufgeladen, sodass man unversehrt in den Kampf starten kann. Das motiviert umso mehr, sich an optionalen Bossen zu versuchen, denn trotz interessantem Todessystem mutiert es niemals zur Strafe.

Abseits der Wege

Abseits der Kämpfe wollen die verschiedenen Planeten erkundet werden, was – und auch hier überrascht das Spiel – in Metroidvania-Manier geschieht. Cal besucht die Planeten und muss manchmal sogar kleine Rätsel lösen, während einige Wege erst mit bestimmten Kräften erreicht werden können. Anfangs bleibt das Spiel deshalb bis auf einige Abzweigungen linear, doch mit jeder neuen Fähigkeit möchte man die bereits bekannten Planeten erneut besuchen, um neue Geheimnisse aufzudecken. Die kleinen Rätsel in einigen Tempeln entpuppen sich auch als wunderbare Überraschung und erinnern an beste „Tomb Raider“-Zeiten. Die Puzzles sind zwar meist einfach, doch die Ausnahmen gehören zu den besten Passagen des Spieles.

Anfangs ist die Karte ein kleines Problem, denn sie wirkt unübersichtlich. Das liegt an fehlenden Einfärbungen, doch nach der Eingewöhnungszeit wird deutlich, dass sie nur die notwendigsten Informationen anzeigt, damit der Entdeckerdrang nicht geschmälert wird. Unerreichbare Orte werden sogar entsprechend markiert, sodass man nicht regelmäßig festsitzt, weil man glaubt, nur den richtigen Trick noch nicht entdeckt zu haben. All das lockert den Spielablauf regelmäßig auf und sorgt für ein ausgewogenes Spiel, das einige der besten Standards der aktuellen Konsolengeneration mit Perfektion kombiniert.

Ein wahres „Star Wars“

In Sachen Vielfalt übertrifft sich das Spiel auf jedem einzelnen Planeten. Die Welten sind überraschend groß geraten, und bieten zahlreiche Kulissen, die den „Star Wars“-Geist bestens verkörpern. Auch das Gegnerdesign ist bemerkenswert, insbesondere wenn es nicht gegen Sturmtruppler geht, deren Design weiterhin ikonisch bleibt. Da vergibt man das manchmal etwas generische Leveldesign gerne, denn auch wenn sich einige Orte spielerisch sehr ähneln, sind sie stets so fantastisch inszeniert, dass man das gar nicht realisiert, wenn man nicht Ausschau hält.

Auch BD-1 wird spielerisch bestens eingebaut. Der kleine Droide ist sehr aktiv, kann Gegner scannen und gibt sogar immer wieder Hinweise, was ihn zu einem wichtigen Hauptcharakter macht, dessen Charme regelrecht überwältigen kann. Das Pacing ist nahezu unfassbar, denn der Spieler erlebt ein derart ausgewogenes Abenteuer, dass selbst die überraschend lange Kampagne gefühlt viel zu kurz geraten ist.

Wie im Film

Optisch ist „Star Wars Jedi: Fallen Order“ eine Wucht. Jede Kulisse ist regelrecht mit Details überladen, die Planeten wirken lebendig und das Design der Charaktere und Monster versprüht mehr Charme, als je ein „Star Wars“-Spiel zuvor. Das beansprucht die Konsole, weshalb es selbst auf einer PlayStation 4 Pro zu einigen Rucklern kommen kann. Diese tauchen überraschenderweise in den ruhigen Momenten auf, sodass die Action niemals unterbrochen wird.

Die Musik ist ein weiteres, gigantisches Plus. Die Macher haben es verstanden, ikonische Melodien mit neuen Werken so gut zu mischen, dass sich kein Stück unangenehm absetzt. Auch die Soundkulisse punktet durchweg, während die deutschen Sprecher einen ebenso guten Job machen, wie die natürlich noch besseren Schauspieler im Originalton. Immer wieder berichten Spieler von Bugs, im Test sind bis auf einige Clipping-Fehler aber keine aufgetreten.