Die Spiele der „Saints Row“-Reihe sind komplett übergeschnappt. Aber das waren sie nicht immer. Die ersten beiden Teile haben sich noch sehr an der „Grand Theft Auto“-Serie orientiert. Diese waren, für den Großteil, unkomplizierte Open World-Shooter im Crime-Setting. Aber noch mit einer zusätzlichen Spur Albernheit, um sie vom offensichtlichen Vorbild zu unterscheiden. „Saints Row: The Third“ markierte 2011 einen Wendepunkt in Volitions Ambitionen und verlieh der „Saints Row“-Reihe entgültig ein eigenes Leben. Endlich war es nicht mehr nur ein „GTA“-ähnliches Spiel und dazu war es tatsächlich komplett abgedreht. Ob mit „Saints Row: The Third Remastered“ diese Revolution der Reihe erneut zu überzeugen weiß, klären wir in diesem Test.

Der große jüngere Bruder

Es ist unmöglich „Saints Row: The Third Remastered“ nicht mit „Saints Row 4“ zu vergleichen. Wer viel des letzteren gezockt hat, für den wird sich „Saints Row: The Third“, Remastered oder nicht, wie ein Downgrade anfühlen. Es fühlt sich an, als würde man ein komplett anderes Franchise spielen. Der vierte Teil gibt dem Spieler übermenschliche Fähigkeiten in einer Matrix-ähnlichen Realität. „Saints Row: The Third Remastered“ bietet dagegen noch eine sehr realitätsnahe Welt, so dass hier keine Sprünge über Gebäude oder Wandläufe an eben diesen möglich sind. Aber kann der dritte Teil dennoch im hier und jetzt überzeugen, obwohl die Spielerschaft bereits „Saints Row 4“ kennt?

Wer „Saints Row: The Third“ bereits kennt und weiß, was ihn hier erwartet, der interessiert sich vermutlich einzig dafür, ob das Remaster besser aussieht und läuft, als es das auf PS3 und Xbox 360 tat. Die kurze Antwort lautet: Ja, es sieht nicht nur besser aus, sondern läuft auch noch deutlich besser als damals. Und auch sonst ist es ein großartiges Spiel.

Wer komplett neu in „Saints Row: The Third Remastered“ ist, für den war der vierte Teil vermutlich der Einstieg in die Reihe. Warum „The Third“ so ein spaßiges und dennoch verrücktes Spiel ist, soll nun erklärt werden.

Kriminelle Neuanfänge

Die Saints haben sich nach ihren bescheidenen Anfängen weiterentwickelt und die Stadt Stilwater ist nichts mehr als eine ferne Erinnerung. Die „Saints Row“-Gang ist nun ein multimediales Unternehmen, inklusive PR, einem eigenen Energy Drink und schwachsinnigen Fans, die nach Autogrammen von den Gangstern betteln, die sie gleichzeitig ausbeuten. Sie sind Kriminelle, jedoch reiche und berühmte Kriminelle, so wie der Großteil von Hollywood zu dieser Zeit.

Neue Ufer

Die Saints haben sich in neue Gewässer gewagt, namentlich in die Stadt Steelport, welche von einer kriminellen Organisation mit dem Namen Syndicate beherrscht und unterjocht wird. Diese erlauben den Saints, in ihrer Stadt zu operieren, wollen jedoch einen Großteil derer Einnahmen im Gegenzug. Dies gefällt den Saints natürlich so gar nicht. Und nach einem Treffen von Johnny Gat, Shaundi, dem eigenen Charakter und dem Leiter des Syndicate in einem privaten Jet, werden Köpfe durch Fenster geschlagen, Autos und Trucks aus dem Flugzeug geworfen und der Spieler selbst ist mittendrin, während man sich eine Schießerei mit den feindlichen Gehilfen liefert, selbstverständlich im freien Fall. Wer  es bereits vergessen hat, der sei daran erinnert, dass dieses Spiel absolut übergeschnappt ist und sich selbst am wenigsten ernst nimmt.

Grundlagen der Kriminalität

Ein paar kurze Einführungsmissionen zeigen dem Spieler die Grundlagen und führen in die Mechanik des Spiels ein. Man fährt herum, trifft verschiedene Mitglieder der Gang, um unterschiedliche Aktivitäten anzugehen, und wer diese dann einmal erledigt hat, kann später zurückommen, um sie auf einem höheren Schwierigkeitsgrad erneut zu versuchen. Manche davon sind tatsächlich von der untersten Qualitäts-Schiene, andere dagegen sehr amüsant. 

Glücklicherweise sind alle von kurzer Dauer, so dass die nervigen schnell hinter sich gebracht werden können und die anderen dafür umso häufiger angegangen werden können. Beispielsweise sind die Aktivitäten zum Versicherungsbetrug ein großer Spaß. Es ist immer wieder sehr amüsant, den eigenen Charakter vom Truck überfahren zu lassen, ihn durch die Luft fliegend gegen ein Gebäude klatschen zu lassen oder was auch immer, während das erhaltene Versicherungsgeld in die Höhe schnellt. Und ja, das alles ist genauso schräg wie es sich anhört und wenn „GTA“ etwas derartiges versucht hätte, würde man sich fragen, was aus den beliebten Rockstar-Spielen geworden ist. Aber in der Welt von „Saints Row: The Third Remastered“ ergibt alles auf eine wundersame Art sehr viel Sinn. 

Grenzwertiger Humor

Diese Aktivitäten sind die Nebenmissionen des Spiels, die gleichzeitig einen Großteil des Gameplays ausmachen. Immer mal wieder schaltet sich aber auch eine Story-Mission frei, die ebenso spaßig ist. Hier wird die wundersame Gang in unterhaltsamen Zwischensequenzen gut in Szene gesetzt, während sie von einem Irrsinn in den nächsten getrieben werden. Das Skript ist witzig und auf den Punkt gebracht, hangelt sich aber immer an der äußersten Grenze der Geschmacklosigkeit entlang. Mit der entsprechenden Einstellung werden hier auf den Punkt gebrachte humoristische Einlagen geboten, die stets zu unterhalten wissen. Wer jedoch etwas zarter besaitet ist, könnte sich an genau diesem Humor in so manchen Situationen sehr stören.

(Kein) Fokus auf das große Ganze

Damit die Saints stets in ihren verrückten Klamotten stecken und teure Häuser ihr Eigen nennen können, sowie immer genug Kugeln in ihren Waffen haben, ist ein stetes Geldeinkommen vonnöten. Dies macht den Großteil des Spiels aus. Man stellt sich dem Kampf mit den drei großen Gangs der Stadt: Der mexikanischen Wrestler-Gang, den Luchadores, der cyberkriminellen Hacker-Gang, den Deckers, und den europäischen Waffendealern, den Morning Stars. Die erfolgreichen Kämpfe sorgen dann für einen stündlichen Geldeingang. Wer dem Feind ein Stück seines Kuchens wegnimmt, findet diesen in entsprechender Währung direkt auf dem eigenen Konto wieder. Wer somit Stück für Stück erringt, bekommt später den ganzen Kuchen, dies ist jedoch ein sehr hohes Bestreben und bedarf viel Zeit. Nicht weil das Spiel besonders schwer ist, sondern weil einfach so unfassbar viel zu tun ist und es so leicht ist, abgelenkt zu werden.

Feine große Unterschiede

Damit man das Gefühl hat, etwas zu erreichen, bietet das Spiel verschiedene Aufwertungen für die eigene Spielfigur, die Waffen und die eigene Gang. Das so hart erwirtschaftete Geld kann in die Verbesserung der eigenen Fertigkeiten investiert werden oder in die der eigenen Gang-Mitglieder, welche dem Spieler dann im Kampf zur Seite stehen. Wer noch an „Saints Row 4“ gewöhnt ist, wird verwundert sein, dass die eigene Gesundheit nicht durch besiegte Feinde und deren hinterlassene Items regeneriert wird, sondern einfach durch Abwarten. Denn in „Saints Row: The Third Remastered“ regeneriert sich die Gesundheit von selbst. Das ist ein hilfreiches kleines Feature, das jedoch erst einmal entdeckt werden will, zumindest für Einsteiger, die den vierten Teil gespielt haben. 

Technisch überzeugend

Es gibt eine Menge zu mögen an „Saints Row: The Third Remastered“. Wer das Spiel bereits auf PS3 und Xbox 360 gespielt hat, wird auch auf PS4 seinen Spaß damit haben. Die Grafik ist zwar nicht das Beste, was man je gesehen hat, jedoch immer noch eine große Verbesserung im Vergleich zum Original und sie weiß definitiv zu überzeugen für einen Release der aktuellen Konsolengeneration. Dennoch ist es auf optischer Seite mehr ein AA-Titel als ein AAA-Blockbuster. Und das ist absolut in Ordnung. Grafik ist die eine Hälfte des Kuchens, die andere besteht darin, durch die Stadt zu laufen und Leute mit einem gigantischen lila Dildo tot zu hauen. Und jeder Spieler muss selbst entscheiden, welche Hälfte für ihn die wichtigere ist.