Obwohl während der Enthüllung der PlayStation 5 zahlreiche Spiele gezeigt wurden, die Fans in Ekstase versetzt haben, schaffte es vor allem ein Titel, zu faszinieren. Sei es durch die Grafik, die nicht gerade nach einem technischen Sprung in Richtung PS5 aussieht, oder den unerklärlichen Charme: Alle haben über „Bugsnax“ gesprochen. In den Monaten danach gab es zahlreiche Informationen, und PlayStation Plus-Abonnenten erhalten die PlayStation 5-Version sogar kostenlos. Wir hatten nun - noch auf der PlayStation 4 - endlich die Chance, uns nach Snaketooth Island zu begeben und die einzigartigen Kreaturen selbst zu beobachten.

Stürmisch mit Aussicht auf Nährwerte

Eines vorweg: Wir habe „Bugsnax“ in englischer Sprache gespielt. Zwar gibt es nur englische Sprecher, allerdings wurden alle Texte auch auf Deutsch übersetzt, wobei hier einige Witze verloren gehen, während andere noch besser landen.

Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Reporters, der für seine Berichte über Kuriositäten gefeiert wird, auch wenn diese sich am Ende natürlich erklären lassen. Seine neueste Geschichte könnte aber die größte werden, denn die Forscherin Lizbert Megafig will eine Insel entdeckt haben, auf der Tiere leben, die aus Nahrungsmitteln bestehen – die sogenannten Bugsnax. Zwar darf man sie nicht kochen, doch wer sie verzehrt, ändert sogar ganze Körperteile. Klingt zu kurios um wahr zu sein, doch der Spieler reist zur mysteriösen Insel, nur um von einem Sturm begrüßt zu werden. Nicht nur das, Lizbert ist auch noch verschwunden, und ihr ganzes Team hat sich zerstritten und die Siedlung Snaxburg verlassen. Was folgt ist eine Geschichte voller Humor, Dramatik und einem spannenden Mysterium.

Die Geschichte kann von der ersten Sekunde an aufgrund ihrer schlicht einzigartigen Prämisse punkten. Eine verlassene Insel, eine verschwundene Forscherin; nichts davon ist wirklich etwas Neues. Die Bugsnax leben aber nahezu überall und werden auch intensiv in die Geschichte eingebunden, denn als Spieler möchte man selbst mehr über diese erfahren. An dieser Stelle müsst ihr uns wegen Spoilern einfach vertrauen: Im weiteren Verlauf gibt es so einige Überraschungen, insbesondere wenn man Hinweise auf Lizbert findet. Hinter der liebevollen Welt versteckt sich eine überraschend tiefgreifende und zutiefst realistische Geschichte, bei der man regelrecht mitleidet – ohne jemals den Humor zu verlieren!

Eine unvergleichliche Truppe

Die größte Überraschung sind aber die Charaktere, denen man begegnet. Recht schnell wird deutlich, dass sich zahlreiche Stereotypen verteilt haben, vom grimmigen Wambus bis hin zur Diva Wiggle Wigglebottom. Der Spieler muss einige Aufgaben erledigen, um sie davon zu überzeugen, zurück nach Sacksburg zu gehen, während dieser Momente lernt man sie aber nur oberflächlich kennen. Erst in Interviews und anschließenden Nebenaufgaben erkennt man zum Beispiel, dass Wambus ein nahezu gebrochener Mann ist, und wieso die scheinbare Zicke Beffica Winklesnoot wirklich ihre Heimat verlassen hat.

Diese Geschichten können berühren und erinnern mitunter an Pixar-Filme. Natürlich sind die Persönlichkeiten überdreht, aber je mehr Zeit man mit ihnen verbringt, desto realistischer wirken sie, da sie sich dem Spieler offenbaren. Bereits nach kurzer Zeit wächst einem die Truppe ans Herz und man möchte sich ständig mit ihnen unterhalten, was durch sehr, sehr viele Gespräche auch ermöglicht wird. Sogar ihnen einfach zu folgen und Gesprächen zwischen Bewohnern zu lauschen ist unterhaltsam, denn Gramble mag zum Beispiel Wiggle, kann Wambus aber nicht ausstehen. Glücklicherweise ändert sich auch die Dynamik in der Gruppe, weshalb sich eine Gemeinschaft bildet, in der vielleicht nicht alles harmonisch ist, die sich aber gerade deshalb so natürlich anfühlt. Zudem geht man niemals durch Snaxburg, ohne Gesprächen zu lauschen, wodurch sich die Zentrale tatsächlich lebendig anfühlt.

Gonna eat them all

Bei all den spannenden Charakteren kann man durchaus die eigentlichen Stars vergessen, nämlich die unfassbar niedlichen, wahnsinnig vielfältigen und unvergleichlichen Bugsnax. Schon früh erhält der Spieler eine Falle und lernt, dass die leckeren Kreaturen meist sehr scheu sind. Nähert man sich einer lebendigen Erdbeere, versteckt sich diese im Busch. Der Spieler muss also Abstand halten und mit einem Analysegerät aus der Entfernung ein paar Informationen sammeln, inklusive Laufweg der sogenannten Strabby. Nun geht man dorthin, stellt eine Falle auf, entfernt sich und wartet, bis der Bugsnax sich ihr nähert – per Knopfdruck ist das Wesen gefangen.

Das klingt durchaus simpel, und das ist es auch. Den Reiz beim Fangen der „Bugsnax“ macht die Rätselnatur aus, denn keine zwei Arten lassen sich auf dieselbe Art fangen. Dadurch wird der Spieler ständig vor eine neue Aufgabe gestellt, die niemals unkreativ oder monoton wird. Manchmal hängt die Strategie sogar von der Position ab, insbesondere wenn zwei Bugsnax miteinander interagieren müssen, was zu aberwitzigen und ebenso spaßigen Rätseln führt. Die Vielfalt und Abwechslung ist auch deshalb so beeindruckend, weil dem Spieler im Verlaufe des Abenteuers immer mehr Fallen zur Verfügung stehen, darunter eine Schleuder für verschiedene Soßen.

Zum Fressen gern

Dass die Bugsnax niedlich werden würden, war zu erwarten. Bereits die erste Strabby treibt das aber auf die Spitze, denn sie watschelt fröhlich vor sich hin, wackelt dabei mit dem ganzen Körper und sagt ihren Namen in verschiedenen Betonungen, passend zur jeweiligen Situation – der „Pokémon“-Anime lässt grüßen. Sogar ein Angstschrei, sobald sie den Protagonisten sieht, ist dabei. Diese vielen Details überraschend und begeistern zugleich, sodass sich wohl niemand ein Lächeln verkneifen kann. Fängt man die Bugsnax, kommt sogar ein Ton aus dem Controller - eine der wenigen Situationen in der PS4-Generation, in der die Funktion sinnvoll eingesetzt wurde.

Dieses Feingefühl und die Liebe zum Detail beschränken sich nicht nur auf die Erdbeere, sondern werden bei allen rund 100 Bugsnax geboten, denen man begegnet. Wir können es gar nicht genug betonen, so eine beeindruckende Vielfalt erlebt man in einem Spiel dieser Art nur selten, und das Team von Young Horses liefert eine unvergleichliche Perfektion ab. Deshalb ist es auch nicht schlimm, dass sich einige Bugsnax-Arten ähneln. Die unfassbare Kreativität verbindet sich natürlich mit dem Rätsel-Gameplay, und somit wird eine regelrechte Suchtspirale erzeugt, wegen der man den Controller gar nicht mehr zur Seite legen möchte. Und ja, man kann die Bugsnax streicheln.

Komplex an den richtigen Stellen

Das Ziel bleibt natürlich, die Truppe zurück nach Snaxburg zu locken. Diese wollen aber meist ihre persönlichen Projekte abschließen, weshalb die Aufgabe eigentlich immer dieselbe ist: Bugsnax fangen und sie anschließend an die Bewohner verfüttern. Dabei kann sogar ein Körperteil ausgewählt werden, das sich im Anschluss verwandelt. Das führt zu netten optischen Effekten, hätte aber mehr in das Gameplay integriert werden können. Nichtsdestotrotz ist der Missionsablauf theoretisch eintönig, merken tut man das aufgrund der Vielfalt an Bugsnax aber niemals.

Das Inventar wird zudem zum wichtigen Element. Hier werden Quests eingetragen, vor allem aber Hinweise hinterlegt, Interviews mit den Charakteren verewigt und auch das Bugapedia darf nicht fehlen. Hier werden alle entdeckten Bugsnax eingetragen, und man kann sogar mehr über ihr Verhalten sowie ihre Vorlieben erfahren. Das ist überaus nützlich und sorgt für Übersicht, besonders dann, wenn man jede Art einmal fangen möchte. Die Fülle an Nebenquests führt dann doch etwas Abwechslung ein, lässt einen aber vor allem tiefer in die Welt eintauchen und die Charaktere noch besser kennenlernen. Zu schwierig wird das Spiel glücklicherweise auch nie, an vielen Stellen muss man aber ein wenig knobeln, um die Wesen in die Fallen zu locken.

Inselführer

Die Insel ist in verschiedene Bereiche eingeteilt, die zahlreiche Geheimnisse verbergen, auch abseits der leckeren Versuchungen. Diese zu erkunden bleibt unterhaltsam, insbesondere weil das Zusammenspiel mit dem eigentlichen Mysterium so wunderbar funktioniert. Geht man Hinweisen nach, gibt es meist neue Informationen und sogar Rätsel.

Dadurch, dass die Gebiete nicht zu groß geraten sind, fühlt sich jedes davon dicht besiedelt an und lange Laufwege bleiben einem erspart. Auch eine Lebensanzeige gibt es nicht, denn die Bugsnax können den Spieler zwar angreifen, aber nicht töten, wodurch einem frustrierende Momente erspart bleiben. Einzig das häufige Wechseln zwischen den Gebieten wird zum Problem, womit wir bei den technischen Schwächen angekommen wären.

Nichtmal Current Gen

Das größte Problem der PlayStation 4-Version, das hoffentlich auf der PS5 nicht auftreten wird, sind die langen Ladezeiten. Man darf mitunter eine halbe Minute warten, und das gleich mehrfach, wenn man in ein weiter entferntes Gebiet reisen muss. Das stört den Spielfluss leider immens, auch wenn die Bildrate stabil ist und im Test keine Bugs aufgetreten sind.

Wirklich kontrovers dürfte die Grafik werden, denn obwohl die Bugsnax und Charaktere toll aussehen, lässt sich das nicht unbedingt über die Umgebungen sagen. Es mangelt an Details, die Texturen wirken häufig flach und allgemein fühlt es sich so an, als wäre man eine Generation zurück gegangen. Nicht falsch verstehen: Der Stil selbst passt und man gewöhnt sich schnell daran, dass die Umwelt recht spärlich ausgefallen ist. Dennoch wäre mehr in diesem Fall wirklich mehr gewesen.

Interessante Spielereien

Ansonsten gibt es glücklicherweise nichts zu Meckern. Ein besonderes Lob verdienen die Sprecher, die ihre Charaktere perfekt verkörpern und ihnen trotz manch steifer Animation Persönlichkeit einhauchen. Eine derart hochwertige Synchronisation haben wir nur selten in einem Spiel gehört, das nicht mit Realismus punkten will. Der Soundtrack untermalt das Gameplay passend, wobei hier bis auf den Titelsong keine Ohrwürmer entstehen werden.

Besonders interessant: Bereits auf der PlayStation 4 versuchen die Macher, mit der Vibration des Controllers herumzuspielen. Deshalb gibt es häufig angenehm seichte und sehr harte Momente, und obwohl das nicht an den Dual Sense herankommt, gibt es kaum ein PS4-Spiel, das diese Funktion so effektiv nutzt.