Die „Kingdom Hearts“-Reihe ist nicht nur für ihre Geschichte, die bekannten Disney-Charaktere und das rasante Kampfsystem bekannt. Es ist vor allem die musikalische Untermalung, die Fans ebenso verehren wie diejenigen, die ansonsten nicht gerade vom ambitionierteste Crossover aller Zeiten begeistert werden. Viel später als gedacht hat das Team deshalb nun endlich einen Ableger entwickelt, der sich fast ausschließlich mit den legendären Stücken beschäftigt. Typischerweise darf dieser nicht typisch ausfallen – doch wurde das Potential wirklich ausgeschöpft?

Die große Reise

Im Hauptmodus wird jeder Spieler mit der passenden Portion Nostalgie überrumpelt, denn man darf mit einem Gumi-Schiff verschiedene Welten ansteuern, genauso wie in den älteren Teilen der Reihe. Der große Unterschied: Diesmal gibt es einen riesigen Haufen davon. Landet man bei einer Welt, wird ein Lied ausgewählt und schon geht es an das eigentliche Gameplay. Wichtig sind aber vor allem die Nebenaufgaben, denn diese bringen einem bis zu drei Sterne pro Mission, mit denen der Weg zu neuen Welten freigeschaltet wird.

Das alles ist natürlich sehr simpel, funktioniert aber sehr gut. Überraschend ist lediglich die Größe der Weltenkarte, denn hier werden zahlreiche Teile – wenn auch nicht alle – aneinandergereiht. Los geht es mit „Kingdom Hearts“, und während danach „Kingdom Hearts 2“ Pflicht ist, gibt es optionale Wege, um einige Lieder aus „Kingdom Hearts: Chain of Memories“ sowie „Kingdom Hearts: 358/2 Days“ zu absolvieren.

Takt(ische) Kämpfe

Das eigentliche Gameplay spielt sich besser, als es sich erklären lässt, weshalb wir jedem Interessierten die Demo-Version von „Kingdom Hearts: Melody of Memory“ wärmstens empfehlen. Im Prinzip läuft aber ein Trio aus bekannten Helden auf einem Weg, während Monster im passenden Rhythmus besiegt werden müssen. Dafür werden drei Knöpfe benötigt, manchmal auch zusammen. Da die Monster sich stets bewegen, benötigt es so einige Versuche, bis man lernt, die Übersicht zu behalten. Dann funktioniert es aber ziemlich gut, Muster zu erkennen und sich auf das eigene Gehör zu verlassen. Hinzu kommen noch Passagen, in denen die Helden gleiten, Gegnern ausweichen und Magie einsetzen müssen, wobei das alles in Kombination erst wirklich spaßig wird.

Es ist ehrlicherweise sehr ungewohnt, nicht basierend auf der Position der Gegner die Knöpfe zu drücken, sondern einen, beziehungsweise drei Knöpfe für den regulären Angriff zu nutzen. Das wird aber zur Stärke, denn somit bietet das Spiel frischen Wind für das Genre, obwohl sich am eigentlichen Prinzip nichts ändert. Wunderbar ist auch die Abwechslung dabei, denn wer in einer Welt spielt, in der Disney-Helden der Truppe helfen, darf sich auch hier über die entsprechenden Begleiter freuen.

Zeitreise

Die Level selbst können ebenso punkten. Je nach Welt läuft man in einer anderen Kulisse, wobei diese stets aus Aneinanderreihungen bekannter Orte bestehen. Im Wunderland sieht man deshalb den Tisch, das Tribunal und den Wald, während auf den eigentlichen Strecken dann auch nur die Herzlosen auftreten, die auch dort vorkommen können. Dadurch fühlt sich jede Welt auch abseits der Musik einzigartig an, und natürlich gibt es im späteren Verlauf Dream Eaters sowie Unversed.

Interessant sind derweil die Bosskämpfe, von denen es leider nur wenige gibt. Hier laufen alle Noten auf einer Linie, während zusätzlich die Sticks bei gelben Pfeilen bewegt werden müssen. Die Heldentruppe läuft im Hintergrund und kämpft gegen einen Gegner, wobei das spielerisch kaum Auswirkungen hat – man sollte aber verdunkelte Noten treffen, damit sich die Lebensleiste nicht leert und man von Vorne beginnen muss. Einen echten Kampfcharakter hat das nicht, schließlich sind die Bosse besiegt, sobald die Lieder vorüber sind. Eine nette Abwechslung stellen die Momente aber definitiv dar, auch wenn man dazu verleitet wird, die Noten zu ignorieren und die Kämpfe zu beobachten.

Zum Schmelzen

Ähnlich wie die Bosskämpfe laufen auch die Memory Dives ab, wobei hier die Charaktere auf einer Linie fliegen, auf der Noten erscheinen. Im Hintergrund laufen derweil Videos ab, sei es „Let It Go“ aus „Kingdom Hearts 3“ oder ein Zusammenschnitt aller Ereignisse aus einer Welt. In der Kampagne kommen diese recht selten vor, doch wer genügend Lieder spielt und Punkte sammelt, schaltet ganz besondere Musikstücke mit eigenen Videos frei.

Zum Soundtrack selbst muss man eigentlich nichts sagen. Die Menge an Stücken ist beeindruckend und um die 200 Lieder aus der Reihe finden sich wieder. Das Paket ist wirklich unglaublich, denn von wunderschönen Untermalungen über Stücke, die man beim Grind 1000 Mal gehört hat, bis hin zu den rasantesten und melancholischsten Liedern ist alles dabei, was „Kingdom Hearts“ ausmacht. Deshalb ist die Jukebox auch so wichtig, denn die meisten Lieder möchte man in Dauerschleife hören. Da ist es zu verzeihen, dass man nicht jedes einzelne Stück integrieren konnte.

RPG-Lite

Etwas merkwürdig wird es bei den Rollenspiel-Elementen, die natürlich bei so einem ungewöhnlichen Spiel nicht fehlen dürfen. Das beginnt bei den Teams, von denen es insgesamt vier Stück gibt. Alle können aufgelevelt werden, was ganz natürlich beim Spielen passiert, wobei sich TP, Angriff und Abwehr erhöhen. Im Endeffekt bedeutet das, dass der Spieler mehr Fehler machen darf, ohne einen Song neu starte zu müssen. Das ist vor allem auf dem höchsten der drei Schwierigkeitsstufen, die jederzeit geändert werden können, ein Segen. Leider ist das auch schon alles, Anpassungen wie verschiedene Schlüsselschwerter gibt es nicht.

Eher eine Randnotiz sind die fünf Items, die vor den Leveln ausgewählt werden dürfen. Dadurch erhält der Spieler einen Lebensenergie-Boost, mehr Erfahrungspunkte oder sogar direkte Hilfe, wir konnten aber das Ende der Handlung erreichen, ohne auch nur einen einzigen Gegenstand zu nutzen. Sinnvoller sind da schon die Materialien, die es immer wieder als Belohnung gibt. Mit diesen lassen sich einige der besten Musiklevel sowie Sammelgegenstände schmieden, und wer häufig Items nutzt, kann diese ebenfalls an dieser Stelle erschaffen. Nichts davon ist wirklich tiefgreifend, aber ein netter Bonus, auch weil die Auswahl an Gegenständen größer wird, je mehr man schmiedet. Allerdings garantiert das auch einen langen Grind, um wirklich alles freizuschalten.

Hürdenflug

Das größte Problem von „Kingdom Hearts: Melody of Memory” ist leider das Fortschrittssystem. Immer wieder müssen nämlich Sterne gesammelt werden, um Tore zu neuen Welten freizuschalten, manchmal sogar in besonderen Farben. Diese gibt es als Belohnung, wenn man die Missionen eines Liedes abschließt, wobei jedes Lied drei Missionen hat, deren Farbe durch die Chronologie in der Reihe definiert ist. Auf dem Papier bringen diese Abwechslung, denn mal muss eine Punktzahl erreicht werden, mal eine Reihe gehalten werden und auch das Zerstören aller Fässer ist ein beliebtes Ziel. Immer wieder kommt es aber zu unfairen Situationen, vor allem wenn Lieder im höchsten Schwierigkeitsgrad gespielt werden müssen. Wahrlich nervig ist es aber, wenn man Lieder wiederholen muss, weil zum Beispiel 40 springende Gegner erledigt werden sollen, es aber nur 14 auf der Strecke gibt.

Das ist vor allem deshalb ärgerlich, weil das Spiel diese künstliche Streckung nicht nötig hat. Der Wiederspielwert entsteht durch die tolle Atmosphäre sowie die legendäre Musik, und nicht weil man Materialien sammeln oder Aufgaben erledigen will. Gleichzeitig bieten sie aber vor allem den größten Fans einen Anreiz, wirklich alle Lieder zu spielen. Hier hätte man mehr auf optionale Elemente setzen müssen, um auch Musikspiel-Neulingen entgegen zu kommen.

Kairis Geheimnis

Die wichtigsten Punkte wurden erwähnt, also können wir uns nicht mehr davor drücken: Die Geschichte von „Melody of Memory“ verläuft anders als erwartet. Während der Spieler die Welten absolviert, gibt es immer wieder Zusammenfassungen der Ereignisse der Reihe, die von Kairi beschrieben werden. Dadurch werden Neulinge zwar nicht belehrt, Fans werden aber nochmal an den grundlegenden Verlauf erinnert und dürfen sich auf ikonische Szenen freuen, wenn auch nur kurz. Das perfektioniert die Nostalgie, auch wenn wir uns noch mehr Zwischensequenzen gewünscht hätten.

Und was ist nun mit dem ganzen neuen Material, das in den Trailern so prominent positioniert wurde? Wie genau die Geschichte in das Spiel eingebunden wird, wollen wir nicht verraten, allerdings war die Art und Weise eine Enttäuschung. Dafür ist der Inhalt klasse, zumindest für diejenigen, die die Entwicklungen verfolgen. Es gibt kleine Enthüllungen, wichtige Entwicklungen und vor allem eines: Vorfreude auf die Zukunft der Reihe, denn große Ereignisse stehen vor der Tür.

Museum mit Herz

Ein weiteres Highlight ist das Museum, in dem dann auch die Sammelkarten und Kunstwerke bestaunt werden können, die im Abenteuer freigeschaltet werden. Je mehr man davon hat, desto bessere Sammler-Boni gibt es für die Kämpfe, was durchaus nützlich ist. Zudem darf man sich alle Zwischensequenzen des Abenteuers nochmal anschauen, sowie die Memory Dives, ohne sich auf Noten konzentrieren zu müssen. Auch die Jukebox ist hier – wie wir schon mehrfach erwähnt haben, mehr Nostalgie geht nicht.

Duell oder Duett?

Als ob das Paket noch nicht voll genug wäre, gibt es auch noch einen Mehrspieler-Modus. Hier dreht sich alles um Kämpfe, denn man tritt entweder gegen den Computer an, oder gegen andere Spieler online – was leider in der Testphase nicht möglich war. Im Endeffekt spielt man ganz normale Lieder, allerdings muss man mehr Punkte als der Gegner einheimsen. Damit das richtig schön chaotisch wird, füllt man durch gutes Timing eine Trick-Leiste, und fortan werden diese beim Gegner eingesetzt, der natürlich dasselbe tut. Plötzlich verschwinden die Rhythmus-Indikatoren, Gegner werden unsichtbar oder alle Symbole erscheinen doppelt. Das ist überraschend spaßig und bleibt auch motivierend, da man im Rang aufsteigen kann.

Wer es lieber harmonisch mag, darf lokal im Ko-op spielen. Hier stehen einem aber nicht alle Lieder zur Verfügung, und viele müssen auch erst freigeschaltet werden. Fortan laufen Sora und Riku nebeneinander und müssen mal eigene Gegner besiegen, einige aber auch zusammen. Das ist nicht ganz so spaßig wie die Kämpfe, als kleiner Bonus komplettiert er das Paket aber auf eine wunderbar harmonische Weise.

Langweilig perfekt

Technisch gibt es eigentlich nichts zu meckern. Die Bildrate ist stabil, die Grafik orientiert sich am jeweiligen „Kingdom Hearts“-Ableger und die Ladezeiten sind angenehm schnell. Natürlich wirkt der Titel aufgrund des PS2-Stils manchmal veraltet, doch durch den Nostalgie-Bonus wird das eher zum Vorteil, als zum Kritikpunkt.