„Twin Mirror“ hat eine merkwürdige Entstehungsgeschichte hinter sich. 2016 haben die Arbeiten an dem Titel begonnen, der 2018 angekündigt wurde, nur um kurz darauf wieder in der Versenkung zu verschwinden. 2020 tauchte das Spiel wieder auf, allerdings sollte es nicht mehr in drei Episoden veröffentlicht werden, sondern als vollständiger Titel. Wir haben uns nun endlich nach Basswood begeben und leider feststellen müssen, dass der Titel keine Sternstunde für Dontnod ist.

Mord in der Kleinstadt

Protagonist Sam ist ein Journalist, der Problemen gerne aus dem Weg geht. Nachdem seine Freundin einen Heiratsantrag abgelehnt hat und die Bewohner von Basswood ihn für die Schließung der lokalen Mine verantwortlich machen, verließ der unwahrscheinliche Held den Ort und brach die Kontakte zu seinen Freunden ab. All das ändert sich aber, als zwei Jahre später sein bester Freund bei einem Verkehrsunfall stirbt und er zurückkehrt, um an der Beerdigung teilzunehmen. Zwischen freundlich und feindlich gesinnten Bekannten bahnt sich ein Mysterium an, denn überraschend viele Hinweise deuten darauf hin, dass der Verkehrsunfall gar keiner war – und nach einer turbulenten Nacht entdeckt Sam dann auch noch ein blutiges Shirt in seinem Zimmer, sodass ihm klar wird, dass etwas Furchtbares geschehen ist.

Crime Thriller schaffen es eigentlich mit Leichtigkeit, Zuschauer und Spieler in den Bann zu ziehen. Bei „Twin Mirror“ funktioniert das aber nur bedingt, was hauptsächlich am Pacing liegt. Sam unterhält sich in der ersten Stunde mit wahnsinnig vielen Charakteren und spricht über alte Zeiten, ohne dass die eigentliche Geschichte beginnt. Würde man das Spiel episodisch aufteilen, wäre die erste der drei Episoden wohl nur der Prolog, der zu überladen mit unnötigen Informationen ist, als dass er fesseln könnte. Das liegt auch an den ersten falschen Fährten, die der Spieler nach wenigen Sekunden durchschaut und die dann in einer Art und Weise aufgelöst werden, dass nicht einmal die Charaktere selbst überrascht sein sollten, wenn sie Hinweise kombinieren könnten.

Langweiliger Trip durch belanglose Erinnerungen

Auch im weiteren Verlauf wird die Geschichte nicht unbedingt stärker, denn viele Charaktere werden links liegen gelassen, um sich dann wieder auf einige wenige zu konzentrieren. Sam selbst ist leider nur bedingt interessant und wirkt meist austauschbar – wäre da nicht sein Alter Ego, eine analytische Version seiner selbst, die immer wieder auftaucht, um seine inneren Gedanken zu veranschaulichen. Diese Gespräche sind die Höhepunkte und stellen einen starken Kontrast zu den sonst sehr unnatürlich und klischeehaft klingenden Dialogen dar, enttäuschen gegen Ende dann aber durch unlogische Entwicklungen und unnötige Wendungen. Das liegt auch an Entscheidungsmöglichkeiten, die völlig unerwartete Reaktionen in Sam verursachen.

Leider ist auch das Mysterium selbst kaum spannend, denn nach kurzer Zeit dürften viele bereits wissen, wie das Spiel enden wird. „Twin Mirror“ streut Hinweise über die gesamte Laufzeit, leider sind diese aber dermaßen eindeutig, dass man mit wenig Kombinationsgeschick nur auf eine mögliche Lösung kommen kann. Somit werden alle folgenden Szenen zu durchschaubar und nehmen dem Spieler jede Möglichkeit, den falschen Fährten nachzugehen. Zwar gibt es klassischerweise Entscheidungen und sogar verschiedene Enden, nach einem Durchlauf ist man aber nicht gerade daran interessiert, den Großteil dafür zu wiederholen. Zudem sind es klassischerweise nur die finalen Entscheidungen, die eine Auswirkung auf das Ende haben, sodass das Vorgeschehen völlig bedeutungslos wird.

Rätsel, die gar keine sind

Ein wichtiger Drehpunkt ist der Gedankenpalast, der immer dann zum Einsatz kommt, wenn Sam Szenen rekonstruieren muss, zum Beispiel am Anfang, wenn er herausfinden muss, was genau in der lokalen Bar passiert ist. Spielerisch könnte das leider kaum langweiliger sein, denn der Spieler muss jeden Winkel nach interagierbaren Objekten absuchen, nur um letztendlich an bestimmten Punkten vorgegebene Menüpunkte auszuwählen. Da es stets nur eine Lösung gibt, braucht man seine grauen Zellen niemals anstrengen und es reicht, einfach nur die Optionen durchzuwählen – wobei es sowieso nicht gerade schwierig ist herauszufinden, was an den Orten jeweils geschehen ist.

Wirklich merkwürdig sind surreale Minispiele, deren Ziel es ist, Sam zu beruhigen. Plötzlich wird „Twin Mirror“ zum steifsten Auto-Runner oder herrlich lächerlichen „Wo ist Walter?“-Verschnitt, was zwar interessant inszeniert wurde, aber eher zu lautem Gelächter führt als zu atmosphärischen Szenen. Es ist lobenswert, spielerische Abwechslung einführen zu wollen, aber dann sollte sie auch spaßig sein.

Schöne Stadt voller Aliens

„Twin Mirror“ kann in vereinzelten Szenen gut aussehen, vor allem im Palast. Auch einige Umgebungen sind gelungen, auch wenn sie nicht an die malerischen Kulissen von „Tell Me Why“ heranreichen. Insbesondere die Charaktere sehen aber furchtbar aus, vor allem deren Gesichter. Es hilft nicht, dass die Animationen derart steif sind, dass man jederzeit eindeutig sehen kann, dass die Synchronisation nicht auf die Lippenbewegungen angepasst wurde. Leider sind auch die Schauspieler nicht in Höchstform und reagieren in einigen Szenen schlichtweg unpassend. Wir wissen nicht genau, was hier schiefgelaufen ist, aber durch diese Probleme können die Charaktere einem nicht ans Herz wachsen, was bei einer Laufzeit von unter fünf Stunden bei der Menge aber sowieso kaum möglich ist.

Ansonsten stören die langen Ladezeiten, zum Beispiel wenn man einen Laden betritt. Wer auf PlayStation 5 spielt, kann diese zwar mehr als halbieren, sie hätten aber allgemein niemals über 20 Sekunden andauern dürfen, denn das schadet dem Spielfluss immens. Auch die Bildrate ist überaus merkwürdig und peilt 60 Bilder pro Sekunde an, kann diese aber nicht immer erreichen und geht in bestimmten Zwischensequenzen auf 30 zurück. Auch hier hilft die PlayStation 5, doch das ist nicht die Zielplattform und sollte eher als Bonus betrachtet werden. Hinzu kommt noch eine musikalische Untermalung, die definitiv ihre Höhepunkte hat, zu häufig aber generisch klingt oder gar ausbleibt.