„Biomutant” hatte sicherlich nicht die einfachste Entwicklungszeit. 2017 wurde der Titel angekündigt und erzeugte durch sein interessantes Konzept sowie die postapokalyptische Welt großes Interesse bei Spielerinnen und Spielern. Auch das Team dahinter sorgte für Aufsehen, denn viele der Entwickler haben zuvor an der „Just Cause”-Reihe gearbeitet. Im Anschluss folgte aber eine lange Stille mit nur gelegentlichen Meldungen, sodass einige zeitweise dachten, der Titel sei eingestampft worden. Das war nicht der Fall, und nun steht die Veröffentlichung bevor. Kann “Biomutant” aber seine vielen Versprechen wirklich halten?

Die Welt der Tiere

Die Geschichte spielt in einer Welt, in der schon lange keine Menschen mehr leben, dafür anthropomorphe Tiere die Macht übernommen haben. Überall sind noch Reste der menschlichen Zivilisation zu sehen, die Tiere haben aber ihre eigenen Dörfer, Kulturen und Sprachen gebildet, was natürlich zu eigenen Bedrohungen führte. Der Protagonist lebt in dieser Welt als Söldner und versucht einfach nur, seine Vergangenheit zu vergessen - bis er einen alten Bekannten trifft, der ihm offenbart, dass der Baum des Lebens von den sogenannten Weltenzerstörern vernichtet werden könnte. 

Gleichzeitig muss der Held sich seiner Vergangenheit stellen, denn seine Eltern wurden von einem mächtigen Bösewicht getötet, als er noch ein Kind war. Daraufhin hat sich sein Stamm in sechs Fraktionen geteilt, die nun miteinander im Krieg stehen. Die Spielenden müssen sich nun positionieren und nicht nur einem Stamm helfen, die anderen zu besiegen, sondern auch deren Ziele verfolgen. Einige wollen den Baum des Lebens retten, andere lieber ein neues Zeitalter einläuten und die alte Welt für immer vernichten. 

Nicht mehr als ein Anfang

Die verschiedenen Prämissen klingen durchaus interessant, leider schafft es die Handlung nicht, bei Laune zu halten. Das liegt vor allem daran, dass sehr viele Abschnitte nicht wirklich ineinander übergehen. Die Spielenden müssen einerseits gegen die Weltenender kämpfen - egal, was der gewählte Stamm möchte - um über die Zukunft der Welt zu entscheiden. Gleichzeitig läuft der Krieg der Stämme sehr linear ab, und man kämpft sich von einem Feind zum nächsten, ohne dass man wirklich etwas über seine Gegner erfährt. Dass es einen Erzfeind gibt, kann man dabei schon vergessen. Zwar kommen die verschiedenen Erzählstränge am Ende zusammen, wirklich interessant ist der Weg bis dahin aber nicht, da alles sehr formuliert aufgebaut ist und man schon lange im Voraus weiß, wie die großen Quests ausgehen werden.

Auch die Charaktere sind wenig interessant. Die Designs überzeugen zwar, die Persönlichkeiten sind aber unfassbar eindimensional geraten. Kein Charakter macht eine Entwicklung durch, sondern möchte stets seine Ziele erfüllen, was meist dadurch gelingt, dass der Spieler ihm Gegenstände bringt. Es gibt kaum Möglichkeiten, die Persönlichkeiten kennenzulernen, auch weil das Dialogsystem schlichtweg nicht zu Ende gedacht wurde. Häufig muss der Spieler sich zwischen mehreren Antwortmöglichkeiten entscheiden, was zwar bei Entscheidungen Sinn macht, zu oft handelt es sich aber schlichtweg um Bitten, diverse Begriffe zu erklären. Hier kann man dann nur eines auswählen, was aufgrund der grotesken Bezeichnung für viele Dinge für unnötige Verwirrung sorgt. Nichts davon trägt dazu bei, dass man tiefer in die Welt eintaucht, und selbst die Hauptstränge entpuppen sich als Checklisten, bei deren Erledigung man Charaktere trifft, die interessant wirken, aber keinerlei Facetten zeigen.

Erzählungen vom Erzähler

Auch bei der Erzählung selbst hatten die Macher eine gute Idee, die einfach nicht funktioniert. Die Charaktere sprechen nämlich nicht in einer menschlichen Sprache, sondern eher in an „Die Sims” erinnerndes Gebrabbel. Übersetzt wird das von einem Erzähler, der fast den gesamten Dialog vertont. Der Gedanke dahinter: Wie auch in Dokumentationen wird so die Geschichte begleitet. Leider stört es eher, dass nur eine Person das Erzählte beschreibt und immer wieder mit Kommentaren auffährt. Zudem gibt es die aus Dokumentationen bekannte Pause zu Übersetzungsbeginn, sodass der Spieler kurz den Charakter, und dann erst den Erzähler hört. Da das in jedem Gespräch geschieht, und der Spieler für einen Moment auf die Untertitel warten muss, sorgt das für eine sehr unpassende Streckung, die ihren Reiz bereits nach dem dritten Mal vollständig verloren hat.

Besonders ärgerlich ist die Entscheidung zum Erzähler, der zumindest das beste aus dem gebotenen Material macht, aufgrund der Charaktere. Diese sind bereits eindimensional, bieten nur selten interessante Gespräche und wirken in ihren Bewegungen häufig steif und in der Mimik regelrecht leblos - haben dann aber nicht einmal eine Stimme, um die Charakterzüge durch hörbare Emotionen zu vermitteln. Das ist so ärgerlich, dass man im späteren Verlauf gerne einmal Unterhaltungen wegdrückt, weil sie sich stets gleich anhören. Hier wurde eine derart schwerwiegende Präsentationsentscheidung getroffen, dass sogar teils interessante Unterhaltungen kaum Mehrwert bieten.

Kein Rollenspiel

Ein weiteres vielversprechendes Element ist das Moralsystem. Der Spieler kann häufig offensichtlich gute oder böse Entscheidungen treffen, die dafür sorgen, dass sich zwei kleine Wesen, die das Gewissen darstellen, streiten. Diese Unterhaltungen, für die es sogar eigene Sprecher gibt, sind durchaus nett anzuhören und bieten die wohl lustigsten Momente des gesamten Spieles. Einige der Dialoge ähneln sich aber sehr stark, was auch deshalb auffällt, weil die Wesen nicht allzu häufig auftauchen, wenn man nicht aktiv einen Haufen an Nebenaufgaben erledigt.

Immer wieder stellt das Spiel einen vor Entscheidungen, und diese haben unterschiedliche Auswirkungen. Die entsprechende Moral zu Licht und Dunkelheit bestimmt zum Beispiel, zu welchem Stamm die Spielenden wechseln können, während Unterhaltungen zu Nebenquests führen können. Leider verändern sie fast nie den Ablauf einer Quest, besonders enttäuschend sind aber die größten Aufgaben. Die Unterschiede durch die Entscheidungen beschränken sich auf einige zusätzliche Dialogoptionen an sehr wenigen Punkten - das eigentliche Resultat sind aber kurze Zwischensequenzen, die absolut nichts an der Welt oder der Geschichte verändern. Das trifft auch auf das Ende zu, das immens enttäuscht und sich fast so anfühlt, als sei die Reise umsonst gewesen.

Präzision gesucht

Wenn man sich gerade nicht mit der Narration oder freundlich gesinnten Charakteren beschäftigt, dürfen Spielerinnen und Spieler eine ganze Menge kämpfen. Das Kampfsystem ist denkbar einfach, denn Spielende können mit einem Knopf Schläge ausführen, mit einem anderen Kombos beenden oder per Fernkampfwaffe schießen. Das läuft recht flüssig ab, und da es auch eine Ausweichrolle und die Möglichkeit zum Parieren gibt, laufen die Gefechte ziemlich rasant ab. Über bestimmte Ressourcen darf der Protagonist sogar übernatürliche Fähigkeiten erwerben, die Gegner zu Verbündeten machen, eine Feuerspur hinterlassen oder gar Pilze wachsen lassen. Durch diese Vielfalt wird das simple Kampfsystem zu einer unterhaltsamen Prügelei, denn obwohl es in Sachen Gegnervielfalt kaum Abwechslung gibt und sich das Grundprinzip nie verändert, harmonieren die Systeme gut miteinander. Gleichzeitig wird das alles aber nicht zum reinen Buttonmasher.

Leider fehlt es dem Kampfsystem insbesondere an Feinschliff. Das beginnt schon beim Ausweichen, denn wenn Gegner einen Angriff einleiten, erscheint ein kleines Symbol über ihren Köpfen. Nun kann der Spieler ausweichen oder gar parieren und einen mächtigen Gegenangriff starten - der genaue Zeitpunkt dafür ist aber nicht immer ersichtlich und sorgt dafür, dass man zu früh oder zu spät drückt und ordentlich Schaden einstecken muss. Leider lassen sich ausgeführte Angriffe auch nicht abbrechen, sodass es manchmal gar nicht möglich ist, Schlägen aus dem Weg zu gehen. Auch die Hitboxen sind nicht perfekt an die Gegner angepasst, was zu optisch unschönen Situationen führt. Besonders problematisch ist leider das fehlende Anvisieren. Das Spiel tut dies automatisch, aber nicht sonderlich gut. Insbesondere bei mehreren Gegnern auf einem Haufen wird es nahezu unmöglich, jemand bestimmten abzuschießen oder die Feinde nacheinander zu besiegen. Genau in solchen Momenten verliert “Biomutant” seine Präzision völlig und lässt auch an Spielspaß nach. Das ist schade, denn die meisten Kämpfe sind unterhaltsam, hätten aber deutlich mehr Feinschliff benötigt, um wirklich herauszustechen.

Wie aus einer anderen Zeit

Die Quests sind eine weitere Baustelle. Deren Design überrascht nämlich nie: Stets muss der Protagonist einen Gegenstand besorgen, bestimmte Gegner besiegen oder zu Stationen laufen, die zerstört werden sollen. Zwar gibt es dafür immer einen Sinn innerhalb der Geschichte, wirklich motivierend ist das aber nur selten. Zudem konnten sich die Macher typische Checklisten-Aufgaben nicht verkneifen, sodass Banditenlager erobert oder bestimmte andere Ortschaften abgearbeitet werden müssen. Am enttäuschendsten ist leider die Eroberung der Stämme, denn pro Fraktion müssen drei Lager und das eigentliche Fort eingenommen werden. Die damit verbundenen vier Aufgaben unterscheiden sich zwar voneinander, sind für jede Fraktion aber fast identisch - hier darf man nur kleine Abwandlungen erwarten. Es ist verständlich, wieso die Macher einem die Chance geben, diese Hauptquest vorzeitig abschließen zu können.

Dennoch hat diese Art des Questdesigns seine Vorteile. Zwar sind die Aufgaben an sich nicht allzu interessant, sie führen den Spieler aber an die interessantesten Orte der Welt. So lässt sich währenddessen viel erledigen und sehen, und man wird direkt auf die Gebäude und Flächen aufmerksam gemacht, die man auch abseits der Aufgaben genauer unter die Lupe nehmen sollte. Zudem sind die Belohnungen manchmal weitaus größer als nur Währung und Erfahrungspunkte, und die kleinen Schalterrätsel sind zwar nie schwer, dennoch aufgrund interessanter Variationen überraschend spaßig geraten. Wirklich enttäuschend sind leider die großen Bosskämpfe, von denen die meisten als Gimmick-Kämpfe gestaltet wurden und vom Spieler verlangen, völlig andere Kampfmethoden zu nutzen. Kombiniert mit einem viel zu langen finalen Kampf sind die Bosse also trotz großartigen Designs und spannenden Arenen eine Enttäuschung.

Die echte Apokalypse?

All das klingt überwiegend negativ, und trotzdem ist “Biomutant” definitiv kein Totalausfall. Das liegt vor allem an der großartigen Welt, die dazu einlädt, jeden Winkel zu erkunden. Überall sind die Überreste der menschlichen Zivilisation zu sehen, weshalb sich Kofferräume knacken, Bunker durchforsten und alte Gebäude erklimmen lassen. Dabei gibt es einen Haufen an Loot, sodass es sich wirklich lohnt, die kleinen Städte oder Tiefen auszunehmen. Glücklicherweise wird dort auch stets angezeigt, wie viele Objekte noch versteckt sind, weshalb Perfektionisten nicht ewig lange herumsuchen müssen.

Die Landschaften punkten aber noch mehr. Die Natur hat die Welt zurückerobert, und das sieht aufgrund der Graslandschaften, dicht gewachsenen Wäldern und dem heißen Ödland erstklassig aus. Die kräftigen Farben machen die Welt noch lebendiger, während die verschiedenen Biome für genügend Abwechslung sorgen. Ständig trifft man auf etwas Interessantes, und da einige Orte besonders gefährlich sind, werden Spielende dazu ermutigt, sich entsprechend vorzubereiten. Zudem sind die Belohnungen alleine für die Erkundungen sehr großzügig geraten, weshalb man die besten Momente des Spieles verpasst, wenn man nur die Hauptaufgaben erledigt.

Wunderschöne Geschichten

Auch die Erzählung durch die Welt selbst kann die eigentliche Geschichte übertrumpfen. In den Bunkern finden Spielende Krankenbetten, in den Gebäuden Bilder und andere Alltagsgegenstände, die Zerstörung lässt aber nur vermuten, was überall geschehen ist. Sich selbst zusammenzureimen, wie die Menschheit untergegangen ist, ist ein großer Motivator - auch wenn das Spiel an bestimmten Punkten sehr deutlich macht, welche Apokalypse das neue Zeitalter eingeleitet hat.

Gleichzeitig hätten die Bewohner der Welt viele schöne Geschichten erzählen können, am Ende bieten sie aber kaum einen Mehrwert und wirken wie Spielfiguren, die an den richtigen Orten platziert wurden. Auch die verschiedenen Kulturen werden nicht beleuchtet, all das lässt sich aber durch die Schönheit der Welt verkraften. Der Foto-Modus wird intensiv beansprucht, und auch wenn nicht jedes Biom erstklassig aussieht, sind die besten durch die Lichteffekte und Vegetation echte Augenweiden. Auch die Karte wurde mit viel Liebe gestaltet und lässt einen genau sehen, wo interessante Orte sein könnten. Schade also, dass sich eigene Marker nur an Questpunkte hängen lassen, und nicht frei platzierbar sind.

Schnell gebaut ist noch nicht perfekt

Ebenso vielversprechend ist das Craftingsystem. Die zahlreichen unterschiedlichen Rüstungsteile sowie Waffen lassen sich nämlich selbst zusammenstellen oder erweitern, wofür es eine gigantische Menge an Items gibt. Alles, was man im entsprechenden Menü anpasst, erweitert und umbaut, lässt sich dann auch direkt im Spiel sehen - zum Beispiel wenn die Waffe eine zusätzliche Mini-Klinge erhält oder besondere Zahnräder. Die Liebe zum Detail ist schlicht bemerkenswert und wer solche Systeme mag, kann viel Zeit investieren, um sein Arsenal sowohl optisch, als auch von den Werten her zu perfektionieren.

Schade ist hingegen, dass das alles nicht einfach so geht. Vielmehr benötigt man Ressourcen, die nicht allzu einfach zu erlangen sind. Überall gibt es zerstörbare Türme, die ein bis fünf Ressourcen einer Art abgeben, wenn man sie zerstört. Möchte man also bereits gute Waffen nicht nur erweitern, sondern an einer Werkbank aufwerten, muss man viel zu lange wild durch die Welt reiten, um die Materialien zu ergattern. Das alles kann aber auch ignoriert werden, da wir im Laufe des Abenteuers immer bessere Waffen und Ausrüstungsteile gefunden haben, die mehr als genügen, um auch die schwierigsten Kämpfe zu überstehen. Wäre es einfacher, die Ausrüstung häufig zu verändern und würden die Verbesserungen auch spielerisch spürbarer sein, hätte es sein volles Potential entfalten können. In seiner aktuellen Form ist es durchaus spaßig, aber nicht notwendig genug, um wirklich zur Kernerfahrung zu gehören.

Besserung ist auf dem Weg

Getestet haben wir das Spiel auf der PlayStation 5. Eines vorweg gesagt: Während der Testphase sind mehrere Patches erschienen, die die Stabilität verbessert, nicht aber perfektioniert haben. Gab es anfangs noch zahlreiche Bildfehler, sollten diese nun nicht mehr auftreten, und auch die Bildrate ist stabiler, obwohl es noch immer recht häufig kleine Ruckler gibt, egal ob im 30 oder 60 FPS Modus. Zudem sind Crashes im zweistelligen Bereich aufgetreten - auch hier haben Patches nachgeholfen, wobei der gelegentliche Absturz noch immer Teil der Spielerfahrung ist. Glücklicherweise ist das Auto-Speichersystem sehr großzügig, sodass wir nie mehr als fünf Minuten Fortschritt verloren haben. Die Auflösung beschränkt sich derweil auf 1080p, die auf 4K hochskaliert werden. Wer nicht mit einer Lupe an den Bildschirm geht, wird den Unterschied zum nativen 4K aber aufgrund des Grafikstils nicht sehen.

Zudem müssen wir anmerken, dass durchaus ein Day 1-Patch erscheinen könnte, der die zahlreichen Bugs und Glitches beheben könnte. Charaktere fallen in den Boden, Questgeber erscheinen nicht, Fahrzeuge werden ohne Grund zerstört, Gegner reagieren nicht auf den Protagonisten, Texturen werden zu spät nachgeladen - die Liste ist sehr lang, aber bereits kleiner geworden. Das zeigt eindeutig, dass die Macher das Spiel weiterhin polieren, sodass auch nach der Veröffentlichung noch mit Besserung zu rechnen ist. Aktuell ist “Biomutant” gut spielbar, fühlt sich aber aufgrund unsauberer Animationen, steifer Charaktere und zahlreichen kleinen Bugs nicht wie ein auf Hochglanz poliertes Spiel an. Da kann auch der durchweg gelungene Soundtrack nichts dran ändern.