Ich gebe es gerne zu: Als „Multiversus“ angekündigt wurde, hielt sich meine Begeisterung in Grenzen. Auf den ersten Blick handelte es sich erneut um ein Prügelspiel, das „Super Smash Bros.“ kopieren und dabei bekannte Charaktere verwenden möchte. Sobald man Batman, Bugs Bunny, Jake und Arya Stark auf einem Bildschirm sieht, kann man aber nicht anders, als vor lauter Absurdität zu lächeln. Noch merkwürdiger ist dann nur die Tatsache, dass „Multiversus“ der vielleicht ernstzunehmendste Konkurrent Nintendos beliebter Reihe werden könnte.

Wenn Bugs Bunny auf Batman einprügelt

Das wohl größte Alleinstellungsmerkmal von „Multiversus“ ist der Spielfokus. Zwar gibt es 1v1-Kämpfe ebenso wie das beliebte Free for All, in dem auch Items erscheinen, im zentralen Modus kämpfen Spielende allerdings 2v2. Das erzeugt nicht nur eine interessante Dynamik, weil man sich absprechen und mit viel Übung sogar Abläufe trainieren kann, um Gegner aus den Arenen zu werfen. Jeder Charakter hat auch spezielle Fähigkeiten, die dem ganzen Team nützen. Wonder Woman kann zum Beispiel ein Schild herbeirufen, dass bei Nähe für das gesamte Team gilt und alle Debuffs aufhebt sowie vor dem nächsten Angriff schützt. Richtig kreativ wird es dann bei Raindog, der sich per magischem Band verbinden kann und einen Spieler per Knopfdruck zu sich zieht, um ihn aus gefährlichen Situationen zu retten.

In den ersten Stunden lassen sich diese Fähigkeiten bereits gut nutzen. Erst wenn man die verschiedenen Charaktere ausprobiert hat und lernt, wie die Teamfähigkeiten am besten zusammen funktionieren, kommt der echte Nutzen ans Tageslicht. In brenzligen Situationen richtig zu reagieren gehört zum Genre, sich aber aus diesen zu befreien und dabei an den Mitspieler zu denken, und ihm aktiv zu helfen, sorgt für eine interessante und spaßige Ebene, die auch über Stunden hinweg noch zu den besten Momenten führt. Zudem lassen sich Perks für passive Boni ausrüsten, die dann für das gesamte Team wirken.

An der richtigen Stelle abgeschaut

Ansonsten wird das geboten, was erwartet wird: Jeder Charakter hat normale und Spezialangriffe, die sich je nachdem ändern, in welche Richtung der Stick gedrückt wird. Das Kampftempo ist rasant, nach einigen Runden aber auch übersichtlich genug, damit man die zahlreichen Angriffsoptionen geplant nutzen kann, und nicht nur Buttonmashing betreibt. Die Charaktere selbst sind in mehrere Kategorien unterteilt, zum Beispiel Magier oder Brawler, und obwohl sich zum Beispiel letztere in ihrer Kampfart ähneln, sind es die komplett verschiedenen Movesets, die dafür sorgen, dass es bislang noch keine Kopien gibt.

Obwohl viele Spiele versuchen, eigene Kampfregeln zu implementieren, die meist leider dem Vorbild hinterherhinken, kopiert „Multiversus“ an der richtigen Stelle. Für jeden Schlag, den man einsteckt, erhöht sich ein Wert. Je höher dieser ist, desto leichter werden die Charaktere, wodurch sie sich leichter aus der Arena schlagen lassen. Wurde das andere Team auf diese Weise vier Mal besiegt, ist das Match gewonnen, und auch wenn einige sich etwas mehr Kreativität gewünscht hätten, funktioniert das zusammen mit dem bewährten Kampfsystem dermaßen gut, dass man regelrecht dankbar ist, hier keine Experimente serviert zu bekommen.

Eine Charakterriege zum verlieben

Nun lebt so ein Plattform-Fighter von seinen Charakteren, und hier wird nicht einen einzigen Moment lang enttäuscht. Shaggy ist wohl der beste Startheld und spielt sich sehr zugänglich, durch seine Aufladefähigkeit aber auch mächtig. Garnet hingegen darf kräftiger Zuschlagen, ist dann aber in der Luft sehr langsam unterwegs und muss einige ihrer Angriffe erst aufladen, bevor sie erneut genutzt werden können. Tom und Jerry agieren zusammen und nutzen aberwitzige Items - bis zu ihrem erschreckend qualvollen Schrei, wenn sie aus der Arena geworfen werden. 

Es ist faszinierend, wie fantastisch die Charaktere getroffen werden. Jeder einzelne Angriff passt perfekt zu dem jeweiligen Kämpfer, und die Animationen, das Kampftempo sowie die Sprüche sind voller Liebe zum Detail - das Team hat also wirklich verstanden, worauf es ankommt. In der Alpha-Phase war auch das Balancing bereits fantastisch, und niemand wirkte übermächtig - selbst Velma, die anfangs unzugänglicher ist, wird zu einer echten Maschine, sobald man ihre Kampfart verinnerlicht. Wir können es gar nicht abwarten, noch mehr Stunden in das Training und anschließende Matches zu investieren.

Kostenlos! Kostenlos?

Bei all dem Lob: Ob „Multiversus“ ein Dauerbrenner wird, hängt am Ende vom Progressionssystem ab, das bei einem Free to Play-Titel entscheidend ist. Im Fokus steht der Season Pass, der zwar zum Teil kostenlos ist, dann aber nur einige Belohnungen bietet. Wer häufiger bessere Sachen erhalten will, darunter fantastische Kostüme wie Cake für Jake, muss für den kostenpflichtigen Pass bezahlen. Hier steigt man durch Erfahrungspunkte auf, die es für bis zu sechs tägliche sowie mehrere saisonale Herausforderungen gibt. Wir müssen an dieser Stelle vorsichtig sein: In der Alpha-Phase war es besonders leicht, den Pass in wenigen Tagen zu vervollständigen, doch zur Veröffentlichung wird hier alles neu ausbalanciert. Dementsprechend ist es noch zu früh, um zu bewerten, ob ein harter Grind bevorsteht.

Ansonsten lassen sich auch Charaktere einzeln aufwerten, um neue Perks freizuschalten und andere Boni wie Profilbilder zu erhalten. Da sich Perks gegen eine Gebühr von Münzen, die es nach jedem Match gibt, auch anderen Kämpfern zuordnen lassen, lohnt es sich auch, mit allen regelmäßig zu spielen. In der Alpha-Version mussten fünf Charaktere derweil für 2000 Münzen freigeschaltet werden - das ging für die ersten beiden noch schnell, beim Rest benötigt man aber immer mehr Zeit, weil es für jedes weitere Match am Tag kleinere Belohnungen gibt. Doch auch hier kann es sein, dass weniger Kämpfer in der Endversion zu Verfügung stehen - die genauen Arten der Monetarisierung werden wohl erst zu einem späteren Zeitpunkt finalisiert.