Der Titel könnte das Spiel nicht besser beschreiben: „It Takes Two“ benötigt tatsächlich zwei Spieler, um es überhaupt starten zu können. Das Prinzip hatte schon in „A Way Out“ für frischen Wind gesorgt, doch das Studio Hazelight wollte sich auf den Lorbeeren nicht ausruhen. Statt einen Nachfolger zu veröffentlichen, arbeitete das Team an einer völlig neuen Ausrichtung, wobei das Grundprinzip des geteilten Bildschirms geblieben ist. Herausgekommen ist ein Spiel, das bereits jetzt das GOTY-Rennen anheizt.

Magische Transformation

Die Geschichte startet mit dem streitenden Ehepaar Cody und May, das sich nach vielen Jahren auseinandergelebt hat. Die bevorstehende Scheidung stört deren Tochter Rose scheinbar nicht, doch in Wirklichkeit kann das kleine Mädchen die bevorstehenden Veränderungen nicht verarbeiten. Das merken die Eltern nicht, weshalb sie sich ein Buch schnappt, das Tipps zur Eherettung beinhaltet. Der Wunsch nach Versöhnung ist dabei so stark, dass Cody und May durch magische Ereignisse in Puppen verwandelt werden. Fortan hüpfen und kämpfen sich die beiden durch vertraute Gebiete, in denen plötzlich Gegenstände reden können und das Surreale zur Normalität wird.

Das Ziel ist anfangs klar: Rose finden und ihr die Situation erklären, damit sie gemeinsam eine Lösung finden können. Allerdings ist nun auch das Buch, geschrieben von einem Dr. Hakim, zum Leben erwacht und macht es sich zur persönlichen Aufgabe, die Ehe des Paares zu retten, und das mit teils brutalen und unkonventionellen Methoden. Wer hier Pixar-Feeling erwartet, sollte sich warm anziehen, denn obwohl der Charme definitiv an Disneys Meisterwerke erinnert, werden hier Grenzen überschritten, sodass jüngere Spieler definitiv nicht zur Zielgruppe gehören.

Überladene Welten

Die Geschichte beginnt in einem sehr hohen Tempo, führt in kürzester Zeit Schlüsselcharaktere ein und lebt vom Overacting. Das Ehepaar könnte zu Beginn kaum klischeebeladener sein, doch bereits bei der kleinsten Prise Charakterisierung beginnt man, mit ihnen zu fühlen. Natürlich gibt es entsprechende Entwicklungen, und obwohl man diese vorhersehen kann, schafft es die Inszenierung jedes Mal, zu begeistern. Zudem wissen die wenigen Überraschungen vollends zu begeistern, weshalb es kaum stört, dass hier eine Grundgeschichte durchgekaut wird, die es in anderer Form schon zur Genüge gab.

Natürlich wäre die Reise der beiden nur halb so spannend, wenn der Humor fehlen würde, und davon gibt es haufenweise. Am besten ist die Umwelt, denn die Charakterdesigns, häufig Alltagsgegenstände, lassen einen immer wieder staunen, wie kreativ die Macher geworden sind. Anders als in „Toy Story“ lassen sie sich auch nicht von den Grenzen des Realen bändigen, weshalb es riesige Schlösser, den größten Baum der Welt und sogar das Weltall innerhalb der theoretisch kleinen Kulisse gibt. Diese Umgebungen zu erkunden sorgt dann für genau die Überraschungen, die die Handlung meist vermissen lässt und garantiert, dass es schwierig wird, den Controller zur Seite zu legen.

Hakim, der Eheberater

Die eigentlichen Zwischensequenzen, von denen es überraschend viele gibt, spielen nahezu perfekt mit dem Genre. Es gibt einen Haufen One-Liner, die den „Eltern-Humor“ aufs Korn nehmen, gepaart mit hoffnungslos überspitzen Dialogen, bei denen man das Feingefühl mit der Lupe finden muss. Das ändert sich zu einem gewissen Teil in der zweiten Spielhälfte, gespoilert werden soll hier aber nichts. Der Großteil der Spieler wird sich aber dabei ertappen, das Schmunzeln nicht verkneifen zu können, während andere Situationen auch andere Emotionen auslösen können. Gewisse Szenen sind derweil umstrittener, denn was einige als emotional verstörend ansehen, dürfte für andere schlichtweg sehr kruder Humor sein. Wer das Spiel gespielt hat, weiß, welche Szene gemeint ist.

Besonders interessant ist das Buch, das sich selbst Dr. Hakim nennt. Hier übertreiben wir nicht: Der Experte ist eine so große Nervensäge, dass man sich eher zehn Navis wünscht, die einen permanent anschreien, als noch einmal mit dem Buch der Liebe konfrontiert zu werden. Das ist natürlich volle Absicht der Macher, denn bis zum großen Finale legt er den Helden immer wieder Steine in den Weg, hindert sie daran, einen einfachen Ausweg zu finden und ist dann auch noch selbstverliebt, wenn einige seiner Pläne aufgehen. Vielleicht haben es die Macher mit dem Comic Relief ein wenig übertrieben, schließlich gibt es kaum ernsthafte Charaktere im Spiel. Gleichzeitig geht der Plan aber auf, denn obwohl die Ziele von Dr. Hakim offen ausgesprochen werden, beginnt der Spieler später zu verstehen, was er genau bezweckt. Auch hier schwingt die Spoiler-Keule, doch „It Takes Two“ wirkt nie wie ein Moralapostel. Zwar werden hier Lektionen und eine Moral eingearbeitet, am Ende bleibt es aber schlichtweg die Geschichte von Cody, May und Rose. Wer etwas Tiefgründiges erwartet hat, ist definitiv an der falschen Stelle – auch wenn etwas mehr Reflektion dem Spiel nicht geschadet hätte.

Das beste aus allen Welten

Natürlich ist die Handlung wichtig, der große Star ist aber das Gameplay. Bereits in den ersten Minuten entpuppt sich „It Takes Two“ als große Überraschung, denn der 3D-Plattformer erlaubt nicht nur präzise Sprünge, sondern bietet ein hohes Tempo voller dynamischer Bewegungsmöglichkeiten. Die Helden können rennen, springen, einen Dash ausführen und noch viel mehr – und das alles fühlt sich spielerisch wahnsinnig gut an. Natürlich gibt es immer wieder die klassischen Hüpfaufgaben, meistens müssen aber kleine Rätsel gelöst werden. Schwierig sind diese nie, dafür überaus kreativ. Man macht nie lange dasselbe, und wenn doch, dann werden die eingeführten Mechaniken auf wunderbare Weise abgewandelt. Das Spiel schafft es aber, immer wieder umzulenken und etwas völlig Neues einzuführen, bevor irgendetwas anfängt, langweilig zu werden.

Und da wäre auch schon der große Punkt: die Gadgets. Durch diese verändert sich der Spielablauf enorm, denn mal können die Helden regelrecht durch die Lüfte fliegen, mal derbe draufschlagen. Beispiel: Nach kurzer Zeit bekommen beide Hilfe von einem Hammerkopf. Diesen nimmt May auf und kann fortan an Nägeln entlangschwingen und Gläser kaputtschlagen. Cody hingegen nimmt Nägel auf, die exakt so funktionieren, wie die Axt aus „God of War“ – nein, das ist kein Scherz. Beide Spieler haben nun also eine andere Spielerfahrung, was natürlich auch den Wiederspielwert erhöht, müssen aber trotzdem verstehen, wie die Ausrüstung des Partners funktioniert.

Abwechslung hoch 1000

Es ist unfassbar, wie kreativ die Macher mit den Werkzeugen umgegangen sind. Nur selten dürfen beide dasselbe Gerät nutzen, und wenn sie unterschiedliche Items erhalten, müssen sie trotzdem zusammenarbeiten, um die vielfältigen Rätsel zu lösen. Wir reden hier nicht einfach nur von Objekten, um auf etwas zu schlagen oder Schalter zu aktivieren. Jeder Gegenstand bringt so viele frische Ideen und Mechaniken mit, dass andere Titel mit nur einem davon die gesamte Spielzeit füllen könnten. Genau deshalb fühlt es sich manchmal auch so an, als würde man tatsächlich verschiedene Spiele genießen. Die Bosse fügen sich deshalb auch perfekt ein, denn bis man ihnen begegnet, sollte man die Mechaniken gemeistert haben, um den ultimativen Test zu bestehen.

Das ist die beeindruckendste Stärke von „It Takes Two“. Die Abwechslung sorgt für ein unfassbar motivierendes Abenteuer voller spielerischer Überraschungen, die einen aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen lassen. Bis zum großen Finale, das leider die Handlung etwas zu plötzlich beendet, gibt es keine Hänger oder Momente, in denen die Abwechslung fehlt. Das Pacing ist schlichtweg perfekt und lässt einen staunen, dass es um die zehn Stunden dauert, bis die Credits über den Bildschirm rollen.

Die Geheimnisse

Nicht alle Level sind derweil linear. Manchmal können kleinere Abschnitte in beliebiger Reihenfolge abgeschlossen werden, manchmal gibt es in großen Gebieten sogar Nebenaufgaben, deren Belohnungen zwar nur von visueller Natur sind, dafür aber Herzen schmelzen lassen. Diese Areale sind zudem sehr detailliert, weshalb es sich lohnt, herumzutrödeln und scheinbar unnützen Aktivitäten nachzugehen. Anspielungen auf andere Videospiele gibt es nämlich viele – und auch Momente, in denen deutlich wird, dass Josef Fares das Studio leitet.

Doch nahezu alle Gebiete sollten durchforstet werden, denn es gibt zahlreiche Mini-Spiele, die zum Glück im Anschluss auch vom Hauptmenü aus ausgewählt werden können. Zwar ist es nur bedingt spaßig, schneller als der Gegner auf Zielschieben zu schießen, doch immer wieder gibt es solche Spiele, bei denen man vor lauter „nur noch eine Runde!“-Mentalität vergisst, dass es noch ein Hauptspiel gibt. Einige davon bieten sogar mehrere Variationen, sodass der Wiederspielwert selbst hier geboten wird. „It Takes Two“ schafft es, Quantität mit Qualität zu verbinden.

Fast perfekte Umsetzung

Getestet haben wir das Spiel auf der PlayStation 5, und leider gibt es hier eine kleine Enttäuschung. Wie die Macher verraten haben, konnten weder die adaptiven Trigger, noch das haptische Feedback ausgenutzt werden, da dem Team die Zeit ausgegangen ist. Das ist besonders schade, weil andere Titel dieser Natur gezeigt haben, dass durch die Einbindung die Spielerfahrung verbessert wird. Ansonsten gibt es aber nichts zu meckern, denn das Spiel sieht wunderschön aus, die Bildrate bleibt stabil und sehr kleine Bugs lassen sich verzeihen. Das liegt auch an den Ladezeiten, die praktisch nicht existieren und beweisen, wie wichtig die SSD für den Spielfluss sein kann. Ein großes Lob gibt es auch für den Online-Modus, denn selbst wer nicht die beste Verbindung hat, dürfte kaum eine Verzögerung sehen. Und da das Spiel nur von einem Spieler erworben werden muss, dürfte der Modus sehr attraktiv werden.

Neben der hübschen Grafik fällt natürlich auch die erstklassige Musik auf. Diese ist wandlungsfähig, passt stets zu den außergewöhnlichen Situationen und begleitet das Abenteuer perfekt, auch wenn sie im Anschluss nicht unbedingt in Erinnerung bleibt – Ausnahmen bestätigen die Regel. Besser ist da schon die Synchronisation, die stets dick aufträgt, dafür aber den Charme noch weiter verstärkt. Leider gibt es keine deutschen Sprecher, und die deutschen Untertitel unterscheiden sich mitunter deutlich von der englischen Tonspur.