Wer sich noch an Spiele wie „Wing Commander 3“ aus dem Jahr 1994 oder „StarLancer“ (2000) erinnert und gern Story getriebene Raumschiff-Weltraum-Action spielt, hat seit der Blütezeit dieser Titel Ende der 1990er bzw. Anfang 2000 keine allzu große Auswahl mehr an aktuellen Titeln. Viel zu oft wird - die finanziell natürlich sehr viel leichter erweiterbare - Open World in den Kontext von Raumschiff-Action gesetzt, um mit deren Mechaniken die Lootspirale über viele Spielstunden am Leben zu halten. „No Man’s Sky“ ist hierfür ein perfektes Beispiel. Teuer produzierte qualitativ hochwertige und gescriptete Weltraum-Action bietet zwar meist ein tolles Erlebnis, hat dafür aber nur einen Bruchteil der Spielzeit von zuerst genannten Titeln. Zuletzt lässt sich hierfür das Spiel „Star Wars: Squadrons“ nennen, welches den Flair von „Star Wars: Rogue Leader“ für den GameCube perfekt in ein modernes Setting transferiert. „Chorus“ von Entwickler Deep Silver Fishlabs will nun erneut eine packende Story mit flottem und spaßigem Gameplay verbinden und so dem viel zu vernachlässigten Genre zu weiterer Aufmerksamkeit verhelfen. Ob das geklappt hat, zeigen wir in diesem Test.

Flucht ins Exil

Ein dunkler Kult mit der simplen Vision, die namensgebende perfekte Harmonie in der Galaxie herzustellen, den Chorus. Dazu übernatürliche Mächte und eine starke Anführerin, die zu nah an ihre (dunkle) Sonne fliegt und so einen ganzen Planeten ausradiert. Willkommen in der Welt von „Chorus“. Hauptcharakterin Nara ist als Älteste bzw. Zirkel-Weise und somit Anführerin in die höchsten Ränge des sogenannten Zirkels aufgestiegen und hilft dem großen Propheten als persönliche Scharfrichterin dabei, sein persönliches Verständnis der Religion der Gesichtslosen umzusetzen, da dieser seine ganz persönlichen Erlebnisse mit diesen hatte.

Nara spürt auf einem ihrer Feldzüge die pure Dunkelheit in sich und erzeugt mit all ihrer dunklen Macht einen Riss in der Realität, der einen ganzen Planeten - in einem herrlichen Effektfeuerwerk - zerstört und sie somit für den Tod einer Vielzahl von Lebewesen verantwortlich macht. Völlig überwältigt von Schuldgefühlen flüchtet Nara ins Exil, versteckt ihr technologisch überlegenes KI-Raumschiff Forsaken, will ihre Vergangenheit hinter sich lassen und schließt sich der sogenannten Enklave am anderen Ende des bekannten Universums von „Chorus“ an. Dort will sie ihre Dienste als Söldnerin anbieten und dem Zirkel so auf ewig aus dem Weg gehen. Spoiler: Das klappt natürlich nicht. 

Da der Zirkel selbstverständlich nicht daran interessiert ist, sich mit dem zufriedenzugeben, was er hat - wo kämen wir denn da auch hin - holt Nara ihre Vergangenheit nach sieben Jahren wieder ein und sie muss sich mit ihrer dunklen Zirkel-Vergangenheit, instabilen Psyche und ihrer nachtragenden Raumschiff-KI Forsaken auseinandersetzen, die aus irgendwelchen Gründen - welche wir hier nicht weiter formulieren - großes Interesse an der Jagd auf den Zirkel hat. Da dies eine der großen Stärken von „Chorus“ ist, wird nichts weiter zur Story vorweggenommen. Alles bis hier gesagte erfährt man innerhalb der ersten Spielstunde und bietet das Fundament für eine spannende und packende Geschichte.

Atmosphärische englische Sprachausgabe

Da die Spielwelt nur mittels des eigenen Raumschiffs erkundet werden kann, wird die Story entweder über Funksprüche und Charakter-Avatare im unteren Bildschirm präsentiert, oder über eine Vielzahl von Zwischensequenzen, die entweder gerendert oder in Spielgrafik produziert wurden. Die Kommunikation zwischen Nara und ihrer KI Forsaken nimmt dabei einen Großteil der erlebten Geschichte ein, da wie erwähnt deren Beziehung auch ein fundamentaler Bestandteil der Handlung ist. Interessant ergänzt wird diese Kommunikation durch Naras eigene Gedanken, welche selten humoristisch, aber dennoch stets der sehr guten Atmosphäre dienen. 

Was ebenfalls sehr gut der Atmosphäre dient, ist die tolle englische Sprachausgabe, welche vor allem in Szenen, in denen Nara sich mit sich selbst auseinandersetzt, die Emotionen wunderbar darstellt und zu überzeugen weiß. Einziges Manko ist, dass es keinerlei deutsche Sprachausgabe gibt, nur deutsche Untertitel. Diese während Zwischensequenzen zu lesen ist kein Problem, während hitziger Gefechte dagegen wesentlich schwieriger. Somit sollte ein grundsätzliches Verständnis der englischen Sprache definitiv vorhanden sein, um auch in diesen Situationen der Story gut folgen zu können.

Überraschende Story-Tiefe

Was zu Beginn den Anschein einer sehr wirren und wenig erklärten Spielwelt und Story macht, motiviert mit jeder Information, die man erhält, dran zu bleiben. Sowohl die Hauptmissionen als auch die fair in der Anzahl verteilten Nebenmissionen bringen interessante Fakten und Erinnerungen über die Spielwelt, deren Charaktere und Naras Vergangenheit. Auch wenn wir uns gewünscht hätten, dass einzelne Charaktere im Laufe der Story mehr Tiefe erhalten, baut man im Laufe der Zeit zu vielen eine interessante Verbindung auf und freut sich, diesen im Laufe der Zeit wieder zu begegnen. 

Auch die Charaktere aus Naras Vergangenheit bringen ihre Emotionen ihr gegenüber gut zum Ausdruck und zahlen somit in die spannende Atmosphäre ein. Dennoch muss erwähnt werden, dass man teilweise gut aufpassen muss, welcher Charakter in welcher Verbindung zu Nara steht, da im Spiel hier manchmal der Überblick verloren geht, wenn beispielsweise verschiedene Charaktere die gleichen generischen Avatare auf dem Bildschirm nutzen, während sie mit uns kommunizieren.

Abwechslungsreiche Spielwelt

Wie bereits beschrieben, handelt es sich in „Chorus“ nicht um die beispielsweise aus „No Man’s Sky“ bekannte groß angelegte Open World. Dennoch darf man hier eine Vielzahl unterschiedlicher Welten erwarten, die von klassischen Minen-Anlagen, über verlassene Raumstationen bis hin zu außerweltlichen Szenerien sehr viel Abwechslung bieten, so dass man mit dem eigenen Raumschiff gern alles erkundet.

Die Spielwelt selbst ist in verschiedene Orte aufgeteilt, die mittels Reisetoren verbunden sind und somit auch schnell zwischen diesen gewechselt werden kann. Eine klassische Schnellreisefunktion gibt es dabei nicht, wohl aber im Laufe der Zeit die Funktion innerhalb einer Welt zum entsprechenden Reisetor zu springen, insofern keine Story bedingte Einschränkung besteht. Innerhalb der einzelnen Welten befindet man sich dann wiederum in einer überschaubaren, frei befliegbaren Region. 

Eine Scan-Funktion während des Fliegens gibt Aufschluss über interessante Orte, die verschiedene Nebenmissionen bereithalten und wie bereits beschrieben auch interessante Details über die Spielwelt, Charaktere und Story bieten. Ansonsten kann man sich über eine Karte aber auch direkt zur nächsten Hauptmission begeben und alles andere links und rechts liegen lassen. Wir empfehlen jedoch nicht nur wegen der genannten Informationen, sondern auch wegen zusätzlicher Ressourcen und Zusatzausrüstung die Nebenmissionen und spontan auftretende Kämpfe in den freien Regionen mitzunehmen. 

Angenehme Fülle an Aktivitäten

Was nämlich nicht unterschätzt werden sollte, ist der Schwierigkeitsgrad von „Chorus“. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad hatten wir trotz zusätzlicher Ausrüstung und ausgerüstetem Schiff nicht immer leichtes Spiel mit den Feinden, sondern mussten konzentriert in die Dock-Fights gehen und die verschiedenen Fähigkeiten, die Nara und Forsaken zur Verfügung stehen, umfangreich nutzen. Seitens der Entwickler wurde jedoch bereits angegeben, dass mit Release ein Patch erscheint, der die Balance des Schwierigkeitsgrades noch anpasst.

Die verschiedenen Haupt- und Nebenmissionen reichen dabei von einfachen Kampfaufträgen und Geleitmissionen bis hin zu Sammelaufträgen und Spionage- sowie Schleichmissionen. Manchmal sogar unter Zeitdruck, was den Missionen eine zusätzliche Würze verleiht und man nicht einfach nur „abarbeitet“. Gleichzeitig ist die Karte nie überfrachtet mit den benannten zusätzlichen Aktivitäten und versteckten Credits oder Ausrüstung, so dass man auch dieses Problem vieler Open World-Titel umgeht und hier das perfekte Maß gefunden hat. 

Nostalgische Spielmechaniken in modernem Setting

Das Gameplay selbst findet wie beschrieben ausschließlich im Raumschiff statt, es gibt also keinerlei Landungsmissionen oder ähnliches. Wer hier allerdings beschränkte und somit auf Dauer langweilige Mechaniken erwartet, darf beruhigt werden. Im Laufe der Story findet Nara ihre als Rituale beschriebenen Fähigkeiten wieder, indem sie Tempelanlagen aus vergangenen Zeiten betritt und sich dort mit sich selbst und ihrer eigenen Psyche auseinandersetzt. Diese Fähigkeiten liefern den größten Anteil des abwechslungsreichen Gameplays. Nara und Forsaken können beispielsweise die aus alten Spielen wie „Battlestar Galactica“ bekannte Drift-Mechanik nutzen und während das Schiff in eine Richtung weiterfliegt, in eine andere Richtung zielen und schießen. Andere Rituale umfassen das direkte Warpen hinter einzelne Gegner oder diese mit besonderen Fähigkeiten zu blockieren. 

Damit das ganze nicht dauerhafte Spielerleichterung wird, gibt es für alle Fähigkeiten eine spezielle Energieleiste, die sich erst nach gewisser Zeit wieder auflädt. All diese Fähigkeiten sind essentiell um im Spiel Erfolg zu haben und die Kämpfe zu überstehen. Somit ist man gut daran getan, diese zu verinnerlichen und stets anzuwenden. Auch wer hier ein Abarbeiten der Tempelanlagen und deren Tutorials befürchtet darf beruhigt werden. Die Entwickler haben sich stets unerwartete Kniffe für diese Situationen einfallen lassen.

Vor allem das Driften in Kombination mit allen anderen Fähigkeiten bietet ein schnelles Action-Gameplay, welches nie langweilig wird. Gleichzeitig gibt es keine manuelle Zielaufschaltung, so dass die Nähe zum Gegner und das genaue Zielen stets von Bedeutung sind. Letzteres wird ergänzt, durch das automatische Anvisieren in einem kleinen Umkreis um das Ziel. Sowohl die kleinen Dock-Fights, als auch die strategisch anspruchsvollen Kämpfe gegen große Anlagen oder Schlachtschiffe bieten mit dem Fokus auf genau geplante Angriffe - um beispielsweise deren Schilde zu deaktivieren vor einem direkten Beschuss - ein abwechslungsreiches und dennoch sehr befriedigendes Erlebnis. Gleichzeitig gewinnt man durch das stetige perfektionieren der Fähigkeiten immer mehr Selbstsicherheit, was das Prinzip des Spiels „Wer mutig in die Kämpfe geht wird belohnt“ nur unterstreicht.

Ausbalanciertes Loot-System

Aber natürlich bietet „Chorus“ auch ganz klassische Ausrüstung für das eigene Raumschiff. Es können im Laufe der Zeit drei verschiedene Waffensysteme freigeschaltet werden. So bietet die Gatling-Gun Vorteile gegen kleine und schnelle Gegner, Laser sind effektiv um die Schilde mittlerer Schiffe vor dem direkten Beschuss zu deaktivieren und die Raketen-Batterie ist sehr effektiv gegen große Schiffe und befestigte Anlagen sowie deren Wachtürme. 

Für die jeweiligen Waffensysteme gibt es eine übersichtliche Zahl von auffindbaren oder in den Raumstationen erwerbbaren Alternativ-Waffen, die mit einzelnen Status-Verbesserungen auch die Lootspirale am Laufen halten. Auch für die eigenen Schilde und den Schiffsrumpf lassen sich Verbesserungen erwerben oder in den jeweiligen Regionen finden, beziehungsweise als Quest-Belohnungen erhalten. Zusätzlich lassen sich im Spielverlauf mehrere Verbesserungen für Waffenschaden, Schildregeneration oder etwa verbesserte Fähigkeiten-Energie anlegen. Da diese jedoch nur begrenzt gleichzeitig angelegt werden können, muss stets abgewogen werden, welche Verbesserungen für die aktuelle Situation nötig sind.

All diese Upgrades liefern stets Motivation nach weiteren zu suchen, da jede einzelne Komponente dem oben genannten anspruchsvollen Schwierigkeitsgrad perfekt entgegenkommt und die Verbesserungen somit nie überflüssig wirken. Gleichzeitig ist all der Loot nie in großer Masse vorhanden, so dass jedes gefundene Item auch wirklich wertvoll wirkt und der Aufwand stets gerechtfertigt war. 

Die innerhalb der Spielwelt auffindbaren Loot-Kisten, welche entweder Credits oder die beschriebenen Ausrüstungsgegenstände enthalten, können mittels der Scan-Funktion von Forsaken entweder im kurzen Umkreis oder mit aufgeladenem Scan auch an weiter entfernten Positionen geortet werden. Derzeit sind die Anzeigen zur Lokalisierung der Items im direkten Umkreis noch etwas zu leicht übersehbar im HUD, aber laut unseren Informationen soll auch hier pünktlich zum Release noch nachgebessert werden.

Übersicht behalten

Wunderbar ergänzend sind hier auf der einen Seite die einsteigerfreundliche Steuerung, die mit einer einfachen Ausrichtung am Horizont per Knopfdruck - beziehungsweise automatisch nach kurzer Zeit - auch die Orientierung erleichtern, auf der anderen Seite die Verbesserung einzelner Fähigkeiten und Funktionen von Forsaken schlicht durch deren Einsatz. So gibt es beispielsweise die Möglichkeit, den Schaden durch Beschuss während des Driftens über mehrere Stufen hinweg zu verringern, in dem man während des Driftens eine Vielzahl von Gegnern besiegt. 

Die Kameraperspektive selbst ist stets hinter dem Schiff - teilweise auch etwas weiter entfernt, was durchaus Geschmackssache ist - und somit bietet „Chorus“ keine Cockpit-Perspektive. Was wir jedoch nicht als störend empfunden haben, da das actionreiche und schnelle Gameplay innerhalb der Ego-Perspektive in Verbindung mit den oben genannten Fähigkeiten nicht gut funktioniert hätte.

Perfektes Sound-Erlebnis

Technisch lässt sich - bezogen auf die getestete PS5-Version - nichts negatives feststellen. Kurze Ladezeiten und gut anpassbare Barrierefreiheit-Optionen lassen keine Wünsche offen. Letztere bieten eine Vielzahl von Einstellungsmöglichkeiten, um beispielsweise die Schriftgröße der Untertitel wie gewünscht anzupassen. Auch wenn „Chorus“ nicht die höchstmögliche Texturqualität aufweist, bieten Waffeneffekte und Explosionen ein tolles Bild und lassen das Spiel sehr hochwertig wirken. Zumal in der meisten Zeit, die man mit Kämpfen und Erkundungen oder Anschauen der Story-Sequenzen verbringt, die Regionen als Ganzes so toll aussehen, dass keine Zeit bleibt auf einzelne Texturen zu achten. Aber auch hierfür soll pünktlich zum Release noch mit einem Patch Abhilfe geschaffen werden, so dass für alle Käufer auch diesbezüglich ein rundes Erlebnis geschaffen wird.

Der Sound von (des) „Chorus“ ist schlichtweg beeindruckend! Die dichte Atmosphäre des Leveldesigns und der Geschichte wird perfekt durch die Soundeffekte und Musikuntermalung ergänzt. Während Nara sich langsam durch eine verlassene Anlage bewegt, gelangen wir durch einen kleinen Spalt in eine riesige Halle, die sich vor uns auftut und die Musik setzt im perfekten Moment ein, um das bedrückende Gefühl des Spielers nur zu verstärken. So funktioniert perfektes Sound-Design!

Die Funktionen des DualSense-Controllers der PS5 werden insofern genutzt, dass wir beispielsweise mit den Triggern die Stärke des Boosts regulieren können und somit gerade bei Begleit-Missionen genau die richtige Geschwindigkeit halten können. Die Vibration des Controllers ist sehr angenehm, ist jedoch nicht spezifisch an den Controller angepasst, wie wir das beispielsweise aus Titel wie „Returnal“ kennen.