Nicht nur die AMC-Fernsehserie der gleichnamigen Comicbuchreihe von Robert Kirkman „The Walking Dead“ zieht ständig durch neue Einschaltquoten-Rekorde die Aufmerksamkeit auf sich. 2012 landete Telltale Games mit „The Walking Dead Season 1“ den größten Überraschungshit des Jahres, strich etliche Auszeichnungen ein und bewies, dass es das Adventure-Genre wie nur wenige andere beherrscht. Nach der packenden Story rund um Lee, Clementine und den anderen Überlebenden und dem ergreifenden Finale wird die Geschichte nun mit der zweiten Staffel weitererzählt – dieses Mal aber aus der Sicht von Clementine, die auf sich allein gestellt versucht, in einer trostlosen Welt zu überleben, in der an jeder Ecke der Tod lauert.

Achtung! Veränderte Review-Struktur

Bevor wir mit unserem Test beginnen, wollen wir zuvor auf unsere etwas veränderte Struktur hinweisen. In der Regel decken wir in unseren Testberichten das Gesamtpaket aus Handlung, Gameplay und Technik ab. Da bei „The Walking Dead“ ein Episoden-Format zum Einsatz kommt, stellen wir an dieser Stelle lediglich den Handlungsinhalt der jeweiligen Episode vor. Ausführliche Informationen zu Gameplay und Technik, sowie eine Gesamtbewertung der Staffel nach aktuellem Stand findet sich hingegen unter folgendem Link.

» Zum gesamten Review der zweiten Staffel

Da bei „The Walking Dead“ die Geschichte und die Entscheidungen stark im Vordergrund stehen, wollen wir darauf hinweisen, dass dieses ausführliche Review Spoiler enthält und wichtige Ereignisse der Handlung vorgreift.

Episode 1: All That Remains – Handlung

Die erste Episode der zweiten Staffel beginnt relativ ruhig, steuert aber schnurstracks auf die erste Tragödie hin und wie man von „The Walking Dead“ zurecht zu erwarten hat, soll es im Verlaufe dieser ersten Episode nicht bei einer bleiben. Clementine hat es geschafft, Omid und Christa ausfindig zu machen, und reist fortan mit den beiden umher. Bei einer kurzen Rast hilft Clementines Vorsicht nicht und Omid wird Opfer eines Unglücks, das so niemand beabsichtigt hat. Die zuvor noch den Umständen entsprechend lebensfrohe Christa scheint einige Wochen später gebrochen und zeigt Clementine nicht ohne Grund hilfreiche Überlebenstipps: Schon früh in der Staffel wird die Ausgangslage dem Spieler dramatisch vor Augen geführt und zeigt, dass in dieser Welt wirklich niemand mehr sicher ist.

Aus dem Nichts werden die beiden von einer fremden Gruppe überrascht, beide versuchen die Flucht zu ergreifen, werden voneinander getrennt und Clementine ist vollkommen auf sich alleine gestellt, wie es scheint. Sie trifft auf einen dürren und hungrigen Hund, der dem kleinen Mädchen sichtlich Leid tut. Dass nicht nur die Menschen es in dieser post-apokalyptischen Welt schwer haben, zeigt sich, als der soeben noch brave Schoßhund zur Bestie wird und das Mädchen attackiert, um an etwas zu fressen zu gelangen. Clem kann den Hund abschütteln, verletzt ihn jedoch dabei tödlich und steht vor der grausamen Wahl, das Tier seinem Schicksal zu überlassen oder es von seinen Schmerzen zu erlösen. Spätestens hier bleibt wohl jedem zum ersten Mal in dieser Episode ein Kloß im Hals sitzen, wenn das eigentlich unschuldige Mädchen zu ihrem Messer greift und dem Hund erlösend ins Herz sticht.

Der Angriff des Hundes verlief aber auch für Clementine nicht unglimpflich: Sie hat eine fiese Bisswunde am Arm und taumelt nun hilflos durch den Wald. So wie es kommen muss, wird sie schnell von einer Horde Walkern überrascht, wird aber im letzten Moment von einer Gruppe anderer Überlebender aus der Situation gerettet. Am Unterschlupf angekommen, zeigen diese sich jedoch entsetzt über den vermeintlichen Walker-Biss an Clementines Arm und wissen nicht, was sie mit dem Mädchen anstellen sollen – schnell zeigt sich, dass die Ankunft des Mädchens die Gruppe in zwei Parteien spaltet. Nachdem Clementine ihren Arm selbst behandelt und die Gruppe davon überzeugen kann, dass es bloß ein Hundebiss war, kann sie erste Sympathien in der Gruppe sammeln, wird aber bei einem morgendlichen Ausflug Zeugin eines stattgefundenen Massakers und muss sich abschließend aufgrund eines Walker-Angriffes zwischen dem Wohl zweier gerade erst kennengelernter Personen entscheiden.

Meinung

Für die erste Episode typisch, werden die neue Gruppe vorgestellt und bereits gegenseitige Sympathien – mal mehr und mal weniger – ausgetauscht. Es ist schön zu sehen, dass die Gruppen nicht nur eine schwarz-weiße Einstellung gegenüber Clementine haben, sondern viele Aspekte beachtet werden, und die Charaktere, mit denen man die nächsten Episoden verbringen wird, somit früh eine eigene Persönlichkeit und Hintergrundgeschichte erhalten. So wie wir es eben von den talentierten Schreiberlingen bei Telltale gewohnt sind und erwarten dürfen.

Gelungen ist auch der kurze Rückblick bei einem Gespräch am Küchtentisch, in dem Clem erzählt, wie sich ihre Gruppe auflöste und welches Schicksal ihren Freund Lee ereilte, sodass noch einmal schnell bewusst wird, was dieses junge Mädchen bis jetzt schon alles durchstehen musste. Umso besser fällt dadurch der klar gezeichnete Kontrast zu der 15-jährigen Sarah auf, die von ihrem Vater Carlos überbehütet wird, sodass man sich die Frage stellen muss, wer hier wirklich das kleine Mädchen ist. Diese Charakter-Konstellation wird in den kommenden Episoden noch sicherlich interessant zu beobachten sein. Eine ebenso denkwürdige Szene und zugleich nichts für schwache Nerven: Clementine näht sich in bester Rambo-Manier selbst den Hundebiss. Wie schmerzhaft das ist, kann man dank der gelungenen Synchronisation am eigenen Leib spüren, wenn der Mark erschütternde Aufschrei von Clementine die Nackenhaare aufrecht stehen lässt.

Überdies wird Clementine bereits Zeugin der ersten Spannungen und Geheimnisse innerhalb der Gruppe. Da wäre beispielsweise die hochschwangere Rebecca, der Clementines Anwesenheit ein deutlicher Dorn im Auge ist. Ärgerlich, dass Clementine von ihrem Geheimnis rund um die Schwangerschaft und den unbekannten Vater weiß, und sich traut, der Frau die Stirn zu bieten. Auch hier wird es interessant sein zu sehen, wie sich diese Beziehung weiterentwickeln wird und ob diese so weit hochköchelt, dass ein ähnliches Drama wie in der ersten Staffel rund um Carley geschieht.

Traditionellerweise steht man am Schluss der Episode vor einer schwierigen Entscheidung, die für den weiteren Verlauf der Staffel entscheidend sein wird. Wie es so kommen muss, werden Pete, Nick und Clementine von einer Horde Walkern überrascht. Man sieht, dass Pete bereits am Bein gebissen wurde und Clementine muss sich nun entscheiden, wen sie rettet: Pete, der aufgrund des Bisses bereits verloren scheint, aber große Sympathien gegenüber der jungen Dame hegt und ihr vertraut, oder doch Nick, der möglicherweise nicht alleine mit den Walkern fertig wird und noch gerettet werden kann, dafür aber seine Position gegenüber Clementine weitaus weniger eindeutig ist. Ich entschied mich letztendlich für Nick, wohl deswegen, weil ich mich überrumpelt fühlte, aber hauptsächlich, da Petes Schicksal bereits besiegelt schien. Wie schwerwiegend diese Entscheidung nun Einfluss auf die nächste Episode nehmen wird, lässt sich nur erahnen – Nick wird aber wohl keineswegs glücklich darüber sein, dass Clem seinen Onkel im Stich gelassen hat.

Der Schluss der Episode lässt guten Raum zur Spekulation offen und ebnet den Weg für den weiteren Verlauf der Staffel. Wer ist für das Massaker am Bach verantwortlich? Was hat es mit dem ominösen Carver auf sich? Wie gelang Clems Rucksack an diesen Ort und konnte Christa entkommen und lebt sie überhaupt noch?