März 2014. Wenige Monate zuvor ist die PlayStation 4 erschienen und soll ein neues Zeitalter nach der zwar erfolgreichen, aber technisch problematischen PlayStation 3 einläuten. Doch anstatt nur mit neuen Spielen zu werben, zeigte Sony während der Game Developers Conference erstmals Project Morpheus: Eine VR-Brille, die mit der gerade veröffentlichten Konsole genutzt werden kann. Das hat seinerzeit viele Fragen aufgeworfen, schließlich befand sich der VR-Markt noch im Aufbau, doch die Entwicklung begann bereits 2010. Die darauffolgenden Jahre sollten spannend bleiben.

Von der Enthüllung zur Veröffentlichung

Die Ankündigung wirkt heute eher unspektakulär, schließlich geschah sie nicht auf einer großen Bühne, sondern im kleinen Rahmen. Was rückblickend vor allem auffällt, ist das Design, das sich bis zur Veröffentlichung kaum verändert hat. Und auch die Funktionen waren eindeutig: Eine Full HD-Auflösung, Accelerometer, Gyroskop und Tracking der Move-Controller durch die PlayStation Camera waren von Beginn an das Ziel, während die 3D Audio-Technologie, die jetzt bei PlayStation 5 großgeschrieben wird, hier ebenfalls ihren Anfang für Sony genommen hat. Häufig änderten sich die Designs bei Produkten, die ein paar Jahre zu früh gezeigt wurden - hier aber nicht.

Ein Segen für die Geldbörde

Die Präsentation, mit anschließender Fragerunde, blieb sehr technisch. Hier wurden eindeutig Studios angesprochen, die fortan VR-Spiele entwickeln sollten. Doch auch für Konsumenten eröffnete sich eine neue Welt: PlayStation war bekannt dafür, bezahlbare Geräte auf den Markt zu bringen - mit Ausnahme des PS3-Launches - und eine PlayStation 4 wollten sich sowieso viele besorgen. Das ist ein großer Unterschied zum PC, wo zu dieser Zeit nicht nur die Brillen selbst viel zu teuer für den Massenmarkt waren, sondern auch ein entsprechend kostspieliger PC benötigt wurde.

Heute sieht das natürlich anders aus, und es gibt sowohl vergleichsweise günstige Brillen, als auch VR-Spiele, die nicht die neuesten Grafikkarten benötigen. Doch 2014 wurden sich Fans erstmals bewusst, dass VR-Spiele plötzlich in greifbare Nähe kommen und das Thema nicht denen vorbehalten wird, die ohne Bedenken 1500 Euro in die Hand nehmen können. Zugegeben, jeder einzelne Interessierte wurde noch nicht angesprochen, schließlich wurde mit der Kamera, den Move-Controllern und der Konsole selbst weitere Hardware notwendig, was den Preis auf dem Papier nach oben schießen ließ. Da viele diese aber entweder schon besaßen oder den Kauf fest einplanten, wurde die Hürde geringer, als jemals zuvor - zumindest für kompetente VR-Erfahrungen, denn der Handy-Markt starb schnell aus und ist heute von der Bildfläche verschwunden.

Unvergleichliche Erfahrungen

PlayStation VR erschien erst im Jahr 2016 und damit später, als viele erwartet haben. Sony nutzte die Zeit aber auch zu Marketingzwecken, denn auf zahlreichen Events konnten Interessierte erstmals in die wunderbare Welt von VR eintauchen. Ja, einige Monate zuvor sind bereits Oculus Rift und HTC Vive erschienen, beide aber zu einem deutlich höheren Preis als die 399 Euro von PSVR. Die Reaktionen waren überwältigend, denn bei VR zählt der erste Eindruck mehr als die technischen Daten. Ich selbst durfte erstmals in „PlayStation VR World“ und „Until Dawn: Rush of Blood“ bei einem PlayStation Truck-Event in Köln eintauchen, was bis heute zu meinen beeindruckendsten Gaming-Erfahrungen zählt. Sich umzuschauen, die Welt zu bestaunen und sich selbst in VR zu verlieren, ist unbeschreiblich und ein Moment, der sich in einem Text nicht replizieren lässt.

Die Werbetrommel hat gewirkt, denn die Launch-Verkäufe von PlayStation VR waren so gut, dass die Brille auf dem deutschen Markt schnell ausverkauft war. Dabei gab es durchaus Kritik: Das Tracking über Move Controller und Kamera sorgte nämlich dafür, dass man sich nur in den wenigsten Spielen komplett umdrehen konnte, und der Aufbau mit einer separaten Box, die das Signal von der PlayStation aufteilt und an Headset und TV sendet, war ein grausiger Kabelsalat. Wäre die Brille heute so erschienen, wären das K.o.-Argumente, aber 2016 hat man die Schwächen gerne in Kauf genommen, um VR zum bis dato besten Preis erleben zu können.

Ein starker Start

Selbst heute bleiben die Launch-Spiele ein großer Pluspunkt, denn sie boten eine solide Mischung aus neuen Titeln und Portierungen vom PC. „Batman: Arkham VR“ hat nur für eine Stunde unterhalten, war dafür aber so stark auf Hochglanz poliert, dass es wohl keine bessere Einstiegsmöglichkeit für Comic-Fans gab. Doch auch „PlayStation VR Worlds“, das aus fünf Erfahrungen bestand, wusste zu punkten. Aus dem Action-Feuerwerk „London Heist“ wurde einige Jahre später ein vollwertiges Spiel, während das Tiefsee-Abenteuer „Ocean Descent“ bis heute die beste VR-Erfahrung für diejenigen bleibt, die ansonsten nichts mit Videospielen zu tun haben. 

„Keep Talking and Nobody Explodes“ zeigte auf der anderen Seite, dass VR keine isolierte Erfahrung bleiben muss und lokale Mehrspieler-Titel durchaus ermöglicht werden. „Until Dawn: Rush of Blood“ war auf der anderen Seite spielerisch sehr simpel, denn man fuhr mit einer Achterbahn durch verschiedene Level und schoss auf alles, was sich bewegte. Spätestens hier merkte aber jeder, dass kein Genre dermaßen an Atmosphäre durch VR gewinnt wie Horror. Und dann wäre da noch „Job Simulator“, das kleine Aufgaben in vier Berufsfeldern mit kompakten Handlungen lustig gestaltete und bis heute monatlich in den Top 10-Verkaufscharts zu finden ist - kaum ein VR-Spiel war jemals erfolgreicher. Erst später wurde das Spiel überholt, doch dazu in einem anderen Artikel mehr.

Wegweisend

Die Kritiken an PlayStation VR fielen nicht immer positiv aus, denn Sony hinkte der Konkurrenz hinterher - tat dies aber bewusst. Man schaffte es, an den richtigen Ecken zu sparen und Downgrades vorzunehmen, um ein vergleichsweise preiswertes VR-Headset zu veröffentlichen, das die Technologie endlich für den Massenmarkt zugänglich machte. Bis heute ist PSVR für viele die komfortabelste VR-Brille. Damit brachte Sony die Industrie weiter - und wurde einige Jahre später von Oculus überholt, die die nächste Phase einleiteten. Doch bis dahin besaß PlayStation VR die Krone und zählt deshalb bis heute zu den wichtigsten Innovationen auf dem Videospielmarkt.