Als großer Fan der Marvel-Figuren und des Marvel Cinematic Universe, muss ich zugeben, dass mich die Weltpremiere von Square Enix „Marvel’s Avengers“ erschreckend kalt ließ. So richtig erschloss sich mir nicht, ob es sich nun um ein Singleplayer- oder Online-Spiel handelt. Vielleicht lag es aber auch an den ungewohnten Gesichtern der Helden, die man in den letzten zehn Jahren so sehr mit Schauspielern wie Robert Downjey Jr, Chris Evans oder Scarlett Johansson verknüpft hat. 

Allenfalls verlor das Spiel zunächst meine Aufmerksamkeit. Dass Square Enix und Crystal Dynamics mich nach einem einstündigen Besuch auf der gamescom wirklich beeindruckt verabschieden durften, sollte bereits Grund genug sein, dass ihr „Marvel’s Avengers“ im Auge behaltet, sofern ihr nur im Geringsten etwas mit Comics und Superhelden anfangen könnt.

It's A-Day

Tatsächlich haben sich Square Enix und Crystal Dynamics wohl keinen Gefallen damit getan, „Avengers“ auf der E3 nur hinter verschlossenen Türen zu zeigen. Der dreiminütige Trailer für die Öffentlichkeit löste nicht nur bei mir Schulterzucken aus. Das kann man ganz gut in den Kommentarspalten von Juni nachvollziehen. Denn die Gameplay-Demo, die zur gamescom auch auf YouTube als Aufzeichnung für die Öffentlichkeit veröffentlicht wurde, hat so ziemlich alles, was ich mir von einem „Avengers“-Spiel wünsche. 

Bei der Demo handelt es sich um den Spielanfang, der als Tutorial dient, um ein Gefühl für die unterschiedlichen Helden zu bekommen. Das sind namentlich Thor, Iron Man, Hulk, Captain America und Black Widow. Am sogenannten A-Day eröffnen die fünf Rächer ihr neues Hauptquartier in San Francisco, als plötzlich alles schief geht. Terroristen attackieren die Stadt, der neue Helicarrier mit einer experimentellen Energie-Versorgung wird gekapert. Die Helden haben sichtlich damit Probleme der Lage Herr zu werden. 

Avengers ... Assemble!

Als Spieler kontrolliert man hier jede einzelne Figur und darf sich mit ihren einzigartigen Fähigkeiten vertraut machen. Als Thor drischt man mit seinem Hammer Mjolnir auf anströmende Gegner ein, lässt Blitze regnen und ebnet den Weg für Zivilisten, indem man Schutt klein schlägt. Als Iron Man liefert man sich hingegen Luftgefechte, schießt auf Gegner mit seiner Repulsor-Technik und macht so Geschütze unschädlich. Der Hulk wiederrum greift sich seine Gegner, drischt mit ihnen auf weitere Feinde ein und zerlegt sogar anrückende Panzer. Cap, oder seit diesem Jahr auch als America’s Ass bekannt, zeigt wie man in Brooklyn mit den Fäusten austeilt und lässt seinen Schild von Wänden abprallen und wie einen Boomerang fliegen. Während Black Widow mit ihren Akkrobatikkünsten und Tech-Gadgets sich ein ebenbürtiges Gefecht mit dem Taskmaster, dem scheinbaren Mastermind hinter dem Angriff, liefert.

Helden zum nachspielen

Während die Golden Gate Bridge einstürzt, Zivilisten panisch schreien, Autos herabfallen und LKWs explodieren, wechselt man in der Demo nahtlos zwischen den Charakteren. Die Steuerung geht dank der bewährten „Arkham“-Mechaniken schon beinahe intuitiv von der Hand. Ausweichen und Kontern funktioniert mit allen Charakteren trotz ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten gleich. Dennoch hat jede Figur ihre Eigenheiten. Thor kann beispielsweise seinen Hammer auf einen Gegner schleudern und ihn später zurückrufen. Dabei kann es gut passieren, dass man einen Gegner überraschend von hinten trifft. Black Widow hingegen kann zur Pistole wechseln, worauf die Perspektive in die Schulteransicht wechselt und es erlaubt, Gegner mit dem Fadenkreuz anzuvisieren. Mit dem Hulk über riesige Abgründe zu springen, sich an Vorsprüngen festzukrallen und von dort auf hilflose Gegner zu stürzen, ist einer von vielen solcher Momente, die man aus den Comics und Filmen kennt und in „Marvel’s Avengers“ endlich selbst erleben darf. Wenn ich jetzt an mein zehnjähriges Ich zurückdenke, das jeden Film selbst nachspielen wollte, wäre „Avengers“ nach „Avengers: Endgame“ für mich wohl ein wahr gewordener Traum gewesen.

Heldenreise

Und dennoch liegt Crystal Dynamics eine Menge daran nicht nur sicherzustellen der Vorlage treu zu bleiben, sondern auch eigene Impulse zu setzen. In der an die Demo anschließenden Präsentation versicherte man dies an mehreren Stellen. Und so scheint es auch bei der Handlung zu sein. Denn nachdem Taskmasters Anschlag in San Francisco gelingt und die Stadt zerstört, sehen die Avengers sich dazu gezwungen, sich aufzulösen. An dessen Stelle tritt die mysteriöse Firma AIM, was für Advanced Intelligent Mechanics steht. Mit KI-Technik sorgt AIM fortan für die Sicherheit der Menschen und Bekämpfung von Bedrohung. Dass AIM mehr als nur die Sicherheit der Menschen vorschwebt, dürfte jedem klar sein, der einmal „Terminator“ oder ähnliche Filme gesehen hat.

Eine eigentlich unübliche Ausgangslage für eine Heldengeschichte, denn müssen sie in einem verlassenen Hellicarrier von ganz unten anfangen. Es dürfte beispielsweise spannend zu sehen sein, wie ein Tony Stark ohne sein Vermögen und seine Technik zurechtkommt. Crystal Dynamics hat mit dem „Tomb Raider“-Reboot von 2013 zumindest Erfahrung mit solchen Heldenreisen sammeln können. Wie gut sie dies allerdings mit den Avengers umsetzen, wird sich noch zeigen müssen. Ein Großteil des Spiels wird sich aber tatsächlich damit beschäftigen die Avengers nicht nur als Team, sondern auch einzeln wieder aufzubauen und zeitgleich ihre bisher größte Bedrohung zu bekämpfen.

Single-Player oder Online-Spiel?

Was man Crystal Dynamics nicht vorwerfen kann, dass sie nicht mit der nötigen Ambition an dem Spiel arbeiten. Das merkt man beispielsweise auch, wenn man die Entwickler über das Missions-System sprechen hört, was gar nicht mehr so verwirrend ist, wenn man es auf einer übersichtlichen Präsentationsfolie erklärt bekommt. 

Die Hero-Missionen erzählen die eigentliche Geschichte innerhalb der Kampagne und können nur im Einzelspieler erlebt werden. Jede Hero-Mission ist auf eine Figur zugeschnitten, sodass man die Mission auch nur mit dieser absolvieren kann. Dies wird von dem Entwickler logisch damit begründet, dass in einer Iron Man-Mission man beispielsweise in weitläufigen Gebieten unterwegs ist, in der man frei fliegen kann. Iron Man in enge Gänge eines Gebäudes zu schicken macht weniger Sinn. Logisch, oder? Auf der anderen Seite gibt es noch die sogenannten Warzone-Missionen, die man mit einem Charakter seiner Wahl spielen kann, aber die Erzählung nur erweitern aber nicht den Kern darstellen. Die Gebiete der Warzone-Missionen sollen sehr groß sein, was es auch erlaubt, diese Missionen wahlweise mit bis zu drei anderen Spielern im kooperativen Online-Modus zu spielen.

Ohne bisher die Möglichkeit gehabt zu haben die Missionen selbst auszuprobieren oder vorgeführt zu bekommen, ist aber bereits klar, dass sie sich im Spielablauf von der Einführungsmission aus der Demo klar unterscheiden werden. Bislang klang es zumindest nicht so, dass man während der Hero-Missionen erwarten darf zwischen einzelnen Figuren zu wechseln. Sofern die Missionen aber so gut auf die Fähigkeiten der Helden zugeschnitten sind wie in der Demo, dürfte das kein Problem darstellen.