Ich könnte diese Einleitung nach exakt demselben Muster schreiben, wie zu den meisten anderen Indie-Spielen. Ich könnte erklären, wieso der Markt so wichtig ist, wie toll die Spiele doch sein können und dass sie den angenehmen Gegenpol zu den großen Blockbuster-Titeln liefern. Aber damit würde ich „In Between“ nicht gerecht werden. Das liegt vor allem daran, dass das Spiel zwar einige Schwächen beinhaltet, allerdings eine Atmosphäre vermittelt, die mit kaum etwas auf dem Spielemarkt zu vergleichen ist. Wieso uns der Titel in den letzten Wochen Kopfschmerzen bereitet hat, erfahrt ihr im Test zur PC-Version. Das Spiel wird erst im kommenden Jahr für PlayStation 4 erscheinen.

Ein Leben in fünf Akten

In dem Knobel-Spiel steuern die Spieler einen Mann, über den sie nur eines wissen: er wird sterben. Krebs lautet die Diagnose. In den anschließenden Sequenzen erfahren die Spieler immer mehr über die Geschichte des Mannes. Was besonders überrascht, ist der Realismus, der in dieser Form nicht allzu häufig in Videospielen zu sehen ist. Ebenso ist es keine kitschige Geschichte, die möglichst alle Klischees bedient. Die Spieler sehen einfach einen Mann, der vor seinem Tod noch einmal sein Leben Revue passieren lässt, mit all den schönen, aber auch traurigen Momenten.

Die Geschichte von „In Between“ ist nicht nur ein gutes Beiwerk, wie die meisten Spieler es von vielen Indie-Titeln gewohnt sind. Tatsächlich sind die einzelnen Geschichts-Fragmente so perfekt mit dem Gameplay verschmolzen, dass es einem so vorkommt, als würde man sich tatsächlich in der Gefühlswelt eines Mannes befinden, der sein Schicksal nicht akzeptieren will, es aber muss. Bereits ab der ersten Sekunde können bei einigen Spielern die ersten Tränen fallen, und spätestens am Ende wird kein Auge trocken bleiben. Nicht aber, weil man Mitleid hat, sondern weil sich ein jeder erneut bewusst wird, wie vergänglich jedes Leben doch ist. Wieso man die surrealen Level durchstreift und was die einzelnen Elemente in den Leveln für eine Bedeutung haben, dürfen die Spieler zudem selbst herausfinden.

Die absolute Härte

Zwischen den zweidimensionalen, interaktiven Zwischensequenzen bestreitet man diverse Aufgaben, in denen Köpfchen gefragt ist. Der Spieler erhält anfangs nur eine kurze Erklärung, dass er sich mit dem linken Stick bewegen kann und mit dem rechten Stick die Schwerkraft verändert. Dadurch kann der Protagonist kinderleicht an den Wänden laufen, um Hindernissen aus dem Weg zu gehen oder Objekte an einen bestimmten Ort zu bringen. Allerdings kann er in der Luft seine Richtung nicht verändern, weshalb der Spieler gut aufpassen muss, wo er landet. Die meisten Flächen sind nämlich mit Stacheln versetzt, und nur mit viel Geschick können diese umgangen werden.

Der tragische Held durchläuft derweil die fünf Phasen der Akzeptanz seiner Sterblichkeit, was sich auch spielerisch bemerkbar macht. Jedes Gebiet führt ein neues Element ein, das in den folgenden Leveln zum größten Feind der Spieler wird. In der Depression erinnert sich der Mann zum Beispiel daran, wie seine Mutter ihm dazu geraten hat, seine Angst vor der Dunkelheit dadurch zu besiegen, dass er sich ihr stellt. Anschließend wird er auch in den Herausforderungen von einer Finsternis verfolgt, die nur dann Halt macht, wenn er sie direkt anschaut. Deshalb muss der Spieler seinen jeweiligen Zug exakt planen, um nicht verschlungen zu werden. Anschließend setzt er sich mit seiner Wut auseinander, weshalb bewegliche Kugeln entstehen. Berührt er sie, muss das Level erneut angegangen werden. Diese Verknüpfung von narrativen Elementen und spaßigem Gameplay macht den Titel zu etwas ganz Besonderem, da der Spieler immer das Gefühl hat, einen Teil des Weges des Protagonisten mitzuerleben.

Der Tod lauert an jedem Stachel

Die größte Schwäche des Titels ist zugleich auch seine größte Stärke, und zwar der Schwierigkeitsgrad. Bereits nach wenigen Leveln zieht dieser nämlich so stark an, dass jeder Spieler gleich mehrere Versuche brauchen wird, um die Hindernisse zu bewältigen. Beim Ableben des Charakters startet das Gebiet allerdings nach einer sehr kurzen, hübschen Animation direkt wieder, sodass keine allzu große Wartezeit entsteht und direkt ein neuer Versuch angegangen werden kann. Vor allem im späteren Verlauf ist oft nicht klar, wie genau man den Fallen ausweichen kann, weshalb das typische Trial-and-Error-Prinzip auf der Bildfläche erscheint. Anders als in den meisten Genrevertretern, ist der logische Weg allerdings meist erkennbar, nur die Ausführung mag Probleme bereiten. Hier hätten einige Speicherpunkte innerhalb der Aufgaben für Neulinge sicher Abhilfe geschafft, denn die verhältnismäßig großen Level können auf Dauer etwas frustrieren, wenn der Spieler ausgerechnet beim letzten Hindernis Probleme hat.

Dafür werden aber andere umso mehr Spaß haben, denn man will unbedingt erfahren, wie es mit der Geschichte weitergeht, weshalb jede Hürde so oft angegangen wird, bis sie bewältigt ist. In den Leveln selber tauchen zudem manchmal Risse auf, in denen eine kleine Situation aus dem Leben des Mannes präsentiert wird, passend mit dem Erzähler, der genau diese kommentiert. Und allein deshalb lohnt es sich schon, auch die optionalen Herausforderungen anzugehen, die sich am Ende jedes Kapitels überspringen lassen. Zudem ist die Befriedigung, nach langer Zeit ein besonders schwieriges Level gemeistert zu haben, unbeschreiblich.

Technik

„In Between“ macht auf der technischen Seite absolut nichts falsch. Die gezeichneten Hintergründe und Zwischensequenzen sind wunderschön und vermitteln die passende Melancholie, die die Geschichte vermitteln möchte. Auch die Bildrate überzeugt auf dem PC, und selbst ältere Systeme können ein butterweiches Spiel bieten.

Ein absoluter Höhepunkt stellt jedoch die deutsche Vertonung dar, die besser kaum hätte sein können. Der tiefe Sprecher redet weder überzogen, noch zu nüchtern über das Leiden, weshalb der Realismus der Situation noch deutlicher wird. Auch die Dialoge passen stets zur Situation und lassen den Spieler darüber nachdenken, was es überhaupt bedeutet, zu leben und zu sterben. Den perfekten Abschluss macht die Musik, die sowohl durch harmonische, chaotische und surreale Lieder überzeugen kann.