Bereits vor zwei Jahren durften wir mit Sherlock Holmes und Doktor John H. Watson im viktorianischen London auf der PlayStation 4 eine Hand voll Kriminalfälle lösen. Jetzt benötigt Scotland Yard erneut die Hilfe des berühmten Meisterdetektives und natürlich haben wir es uns nicht nehmen lassen, Holmes und Watson dabei zu begleiten.

Geschichte

Die Geschichte beginnt zunächst nicht in der Baker Street 221b, der Wohnung von Holmes und Watson, sondern mitten in einem Wald. Warum Holmes sich in dem Wald befindet, ist nicht klar. Klar ist allerdings, dass er auf der Flucht ist und stirbt, wenn diese nicht erfolgreich ist. Fragen über Fragen, die erst beantwortet werden, wenn man einen Rückblick auf die Ereignisse einige Stunden zuvor wirft und sich damit mit dem ersten neuen Fall von Holmes und Watson befasst. Eigentlich beginnt die Geschichte nämlich doch in der Baker Street 221b, wo sich der Detektiv mal wieder unendlich langweilt und erst auf Drängen seines Assistenten einen kleinen Jungen anhört, dessen Vater scheinbar spurlos verschwunden ist.

Verbrechen über Verbrechen

Fünf Fälle plus ein kleines Intermezzo müssen Holmes und Watson mit ihrem kriminalistischen Spürsinn in „The Devil’s Daughter“ lösen. Dabei muss man beispielsweise aufdecken, wie eine alte Statue einen Mord verüben kann, oder, wer die Bombe durch das Fenster in Baker Street 221b geworfen hat. Die einzelnen Fälle werden durch die Geschichte um Holmes Ziehtochter Katie Holmes zusammengehalten und ihr ist der insgesamte letzte Fall gewidmet. Mehr wollen wir an dieser Stelle allerdings nicht verraten, da es an Holmes und Watson liegt, Licht ins Dunkle zu bringen. Holmes Fähigkeiten wird man, trotz der entsprechenden Erläuterungen, Schritt für Schritt im Praxiseinsatz erlernen. Gelegentlich Unterstützung durch die Fähigkeiten von Watson, Wiggins, einem Straßenjungen, und Toby kommen später hinzu.

Charakteranalyse

Holmes setzt bei seinen Untersuchungen auch 2016 natürlich auf seinen messerscharfen Verstand. Vor Gesprächen nimmt er die entsprechende Person erst einmal in Form einer Charakter-Analyse genau unter die Lupe. Dabei nimmt er Notiz vom Körper und der Kleidung seines zukünftigen Gesprächspartners. Dadurch bekommt er Hinweise auf dessen letzten Aktivitäten, Geschichte und natürlich auch dessen sozialen Status. Ein wertvolles Schmuckstück an einer Person mit ansonsten ärmlichen Kleidungsstücken und zweifelhafter Herkunft, erlaubt ihm beispielsweise eine erste Einschätzung und vielleicht auch ein potentielles Gesprächsthema. Beim Selbigen kommt es darauf an, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, um die passenden Anschlussfragen stellen zu können. Ansonsten ist ein Gespräch schnell in einer Sackkasse gelandet. Im Zweifelsfall muss Holmes sich den Tatort noch einmal angucken, in seinem Archiv nachschlagen oder eine andere Person befragen, um das aktuelle Gespräch erfolgreich beenden zu können.

Tatortuntersuchung

Bei der Tatortbesichtigung selbst greift Holmes auch schon einmal auf seinen Detektivspürsinn zurück. Dabei wird der Tatort kurzfristig in grau dargestellt und man erkennt beispielsweise Fingerabdrücke, Spuren im Staub, fremde Gerüche oder Fußabdrücke, die man anschließend genauer untersuchen kann. Eventuell ist dafür auch ein Experiment erforderlich, das Holmes chemisches Wissen erfordert. Insgesamt lebt „The Devil’s Daughter“ davon, dass man immer wieder kleinere Rätsel lösen und Actionsequenzen überstehen muss. Zur ersten Sorte gehört beispielsweise das Lösen des Sternenrätsels, das Finden des richtigen Weges durch eine Labyrinth mit feurigen Obelisken oder das Entschlüsseln des Mechanismus für eine Schmuckschatulle. Dagegen zählen beispielweise die Flucht durch den Wald, das Bahnen eines Wegs durch einen Londoner Pub, ein Boule-Spiel oder das Retten von möglichst vielen Verletzten nach einem Kutschunfall zu letzterer Sorte. Durch die Tatsache, dass derartige Rätsel beziehungsweise Actionsequenzen sich in der Regel nicht wiederholen, ist das Spiel unglaublich abwechslungsreich. Aber natürlich gibt es auch hier Ausnahmen. Das Belauschen von Gesprächen, das Balancieren auf einem schmalen Steg und der Einsatz des Dietrichs sind allerdings erfreulicherweise recht kurz gehalten. Wem diese Wiederholungen aber stören wird dankbar dafür sein, dass man weiterhin wie bei „Crimes & Punishments“ die Rätsel und Actionsequenzen überspringen kann.

Watson & Co.

Die Rolle von Watson übernimmt man in den Passagen, bei denen man mit reinem Denken nicht alleine weiterkommt. Beispielsweise benötigt Holmes Feuerunterstützung während er eine Tribüne erreichen muss oder bei einem Schalterrätsel steuert er die Gitter während Holmes eine Etage darüber über die Balken zum Balkon läuft. Toby wird in den Fällen benötigt, in denen die Nasen von Holmes und Watson nicht gut genug sind, um einer Spur nachzugehen. Wiggins ist schließlich für die Verfolgungen zuständig, zu denen Holmes selbst nicht in der Lage ist, da sein Gesicht in London zu bekannt ist und er auffliegen würde. Selbiges ist trotz der Tatsache notwendig, dass Holmes durchaus zu Verkleidungen und Schminke greift, um in seinen Fällen voranzukommen.

Kombinationen und moralische Entscheidungen

Nun kommt das Besondere und wirklich spannende am Spielkonzept von „The Devil’s Daughter“, das schon in „Crimes & Punishments” zum Einsatz kam. Die im Notizbuch gesammelten Informationen und Indizien müssen in Holmes grauen Zellen kombiniert werden. Dadurch ergeben sich Schlüsselpunkte im Fall, die man dann wieder deuten muss, um daraus Schlüsse ziehen zu können. Dadurch stellt man Schritt für Schritt seine eigene These zum Fall auf und kommt dann zu einem eigenen Ergebnis. Dieses muss mit den Anwesenden kommuniziert werden und am Ende wird der vermeintliche Täter mit der Tat konfrontiert. Da man dabei schnell die falschen Schlüsse ziehen kann, kann es auch vorkommen, dass man den falschen Täter beschuldigt und am Ende mit leeren Händen dasteht, wodurch das Ansehen von Holmes leidet. Daher empfiehlt es sich, immer vor dem Ende noch einmal eine Überprüfung der Beweise zu machen. Entweder automatisch durch das System oder manuell, indem man sich die Informationen und Indizien sowie die daraus getroffen Schlüsse noch einmal anguckt und gegebenenfalls auch noch einmal den Tatort oder die Verdächtigen besucht. Am Ende wird man zudem vor eine moralische Entscheidung gestellt, ob und wie man dem Täter eine Strafe zuführen möchte.

Technik

Technisch bewegt sich „The Devil’s Daughter“ etwas über dem Niveau von „Crimes & Punishments”. Das adäquat dargestellte London, die tollen Gesichter bekannter und unbekannter Charaktere sowie viel Liebe zum Detail, besonders in der Wohnung von Holmes und Watson, zählten schon 2014 zu den Stärken des Spiels. Dank PB-Rendering wurde auch das Spiel mit Licht und Schatten verbessert. Trotzdem fallen immer noch kleinere grafische Unsauberkeiten, gerade wenn sich Holmes bewegt oder man einen Kameraschwenk ausführt, und lange Ladezeiten auf, wie beim Erstbesuch von Tatorten. Wirklich ganz großes Plus von „The Devil’s Daughter“ sind die erstklassigen deutschen Synchronsprecher. Wiggins wird beispielsweise von Sven Plate gesprochen, der Bugs Bunny in „Space Jam” oder auch Wil Wheaton in „Star Trek: The Next Generation” vertont hat.