Wenn man über Kickstarter-Erfolge sprechen möchte, kommt man um „The Banner Saga“ nicht herum. Nach einer durchaus erfolgreichen Kampagne, erschien bisher zwar nur der erste Teil, dieser konnte jedoch jeden Fan zufriedenstellen und bot als eigenständiges Spiel eine phänomenale Geschichte, taktische Kämpfe und einer der besten Optiken, die wir jemals in Spielen gesehen haben. Nun ist das zweite Kapitel der langen Geschichte erschienen, und obwohl die PC-Version bereits erhältlich ist, mussten PlayStation 4-Besitzer noch ein wenig warten. Kann „The Banner Saga 2“ auf dem Erfolg aufbauen, oder kommt nach dem Hoch der tiefe Fall? Wir haben uns durch schmerzhafte Entscheidungen geweint, um euch das zu verraten.

Winter is coming

Zu der Geschichte wollen wir ausnahmsweise einmal nicht allzu viel verraten. Diese knüpft exakt an das schmerzhafte Ende des ersten Teiles an, was natürlich einen emotional extrem harten Einstieg bedeutet. Noch immer reist die Gruppe, und die Dredge sind noch lange nicht besiegt. Genau so viel darf man wissen, bevor man in das Spiel einsteigt, denn die Macher haben von Anfang an eine Geschichte in drei Akten versprochen. Demnach startet das Abenteuer mit Kapitel acht, und wer bereits einen Spielstand des ersten Teils besitzt, darf diesen weiter nutzen, damit vor allem die Entscheidungen, die nie wirklich richtig oder falsch waren, auch im zweiten Teil Konsequenzen mit sich ziehen. Wer keinen mehr hat, oder von einer anderen Plattform gewechselt ist, darf sich zudem auch für einen Charakter am Anfang entscheiden. Wir garantieren, dass die Geschichte zwar ein paar Längen hat, da einige Sachen bereits für das Finale vorbereitet werden, die Entscheidungen, Charaktere und der allgemeine Verlauf aber einmal mehr überzeugen, weshalb man sich gar keine Sorgen machen braucht, dass die Entwickler hier etwas vernachlässigt haben.

„The Banner Saga 2“ ist kein Spiel, mit dem man einsteigen sollte. Zwar gibt es am Anfang eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse, jedoch wird man keine Beziehung mit den alten Charakteren aufbauen können, und die Wahl des Charakters wirkt kaum wichtig. Zudem wurden die Welt, die Fraktionen, die Feinde und die Charaktere im ersten Teil eingeführt, sodass man dieses Vorwissen unbedingt für die Fortsetzung braucht. Man sollte „The Banner Saga 2“ deshalb weniger als eigenständiges Spiel ansehen, sondern als Mittelteil eines großen Abenteuers. Zumindest wenn es um die geschichtliche Einordnung geht, denn von der Länge und vom Spiel selbst her, handelt es sich hier tatsächlich um eine vollwertige Erfahrung.

Schmerzhafter Spaß

Die Reise besteht einmal mehr nicht nur aus den Kämpfen, sondern auch aus dem Management der eigenen Flotte. Hier kommen die Entscheidungen ins Spiel, die einen großen Teil der Erfahrung von „The Banner Saga 2“ ausmachen. In den wunderbar gezeichneten Sequenzen darf man seinen Helden nämlich so spielen, wie man will. Entscheidet man sich, gütig zu sein, ist man vielleicht beliebt, jedoch opfert man zugleich auch viele Sachen, wie Nahrung, Gold oder andere Ressourcen. Bleibt man streng, und verbietet zum Beispiel Kindern, etwas Freude in der brutalen Welt zu haben, bleibt die Truppe vielleicht organisierter, dafür wird man nicht gerade als guter Mensch angesehen, was sich auf andere Situationen auswirkt. Solche Entscheidungen erlebt man sehr oft, und zudem wirken sich einige nicht nur auf die weitere Handlung aus, obwohl sie unwichtig erscheinen, sondern auch auf die Kämpfe. Oftmals geht es auch um Leben und Tod, und man kann in der brutalen Welt niemals alle retten. Zudem muss man sich oft entscheiden, ob man einzelne Helden trainiert oder sie lieber zum Wohl der Karawane einsetzen soll, um die Moral der Gruppe  hochzuhalten.

Das Dialog-System in „The Banner Saga“ ist gnadenlos und fair zugleich. Es gibt nämlich nie eine richtige oder falsche Entscheidung, meist stehen einem mehrere Optionen und nicht nur zwei oder drei zur Verfügung. Ebenso werden die Auswirken nicht unbedingt sofort klar und nach diversen Stunden bereut man vielleicht, etwas zu streng oder zu nett reagiert zu haben. Doch eben dadurch, dass es kein schwarz oder weiß gibt, ist man ständig in Sorge und fällt keine Entscheidung leichtsinnig. Genau so muss Storytelling aussehen, wenn man die Spieler wirklich fesseln will. Wir hatten mehr als einmal feuchte Augen und brauchten eine Pause, um Entscheidungen zu verkraften, die Dialoge mit den Begleitern zu verarbeiten und zu überlegen, wie es nun überhaupt noch weiter gehen soll. Und dennoch motivierte das genug, uns immer wieder vor die Bildschirme zu zerren.

Auf dem Weg zur Perfektion?

Das Kampfsystem hat sich im Vergleich zum Vorgänger nicht verändert, wurde aber erweitert. Auf einem Schlachtfeld darf der Spieler rundenbasiert seine Kämpfer bewegen und ihnen Befehle geben, um zum Beispiel anzugreifen oder sich zu verteidigen. Die neuen Spezialangriffe lassen sich ebenfalls dazu nutzen, Gegnern Fallen zu stellen und mehr voraus zu planen. Dabei verfügt jede Figur auf dem Feld über einen Stärke- sowie Rüstungswert. Der Stärke-Wert zeigt an, wie viel Schaden die Helden machen können, doch zugleich dient er auch als Lebensanzeige. Je mehr man angegriffen wird, desto schwächer wird die Truppe auch. Deshalb kann man zum Beispiel die Rüstung des Gegners angreifen. Dieser wird dadurch zwar nicht schwächer, je geringer jedoch die Rüstung ist, desto mehr Schaden erleidet er bei den weiteren Schlägen. Das aufeinander abzustimmen mag simpel klingen, ist jedoch unfassbar schwierig, und jeder taktische Fehler wird brutal bestraft.

Das Kampfsystem ist voll auf die taktischen Fähigkeiten der Spieler ausgelegt. Es gibt keine Trefferwahrscheinlichkeit, sodass man sich nicht darum sorgen muss, dass ein perfekter Plan aus Mangel an Glück nicht gelingt. Gleichzeitig muss man auch vorausplanen, dass die gegnerischen Hiebe ihr Ziel nie verfehlen, und nur wer die richtige Mischung aus Angriff und Verteidigung findet, wird das Schlachtfeld siegreich verlassen. Auch an der Vielfalt der Monster hat sich viel getan, weshalb die Kämpfe nun deutlich abwechslungsreicher geworden sind. Es ist eine klassische Weiterentwicklung, und wer bereits den ersten Teil mochte, erhält nun noch mehr davon. Das ist nicht schlimm, denn die Kämpfe waren bereits im Vorgänger so toll, dass man einfach mehr davon erleben wollte. Es bleibt spannend, was sich daran noch im dritten und letzten Teil ändern wird.

Eine unglaubliche Grafik

Man kann nicht über „The Banner Saga 2“ sprechen, ohne lange und ausführlich über die Optik zu schwärmen. Das Spiel sieht nämlich einfach fantastisch aus, denn die gesamte nordische Welt wurde von den Machern per Hand gezeichnet. Jede Figur, jeder Hintergrund und jede Animation sieht deshalb wie aus einem Bilderbuch aus und lädt zum Staunen ein. Neben der tollen Geschichte ist eben diese Präsentation der Hauptgrund dafür, wieso die Atmosphäre so unglaublich dicht und packend ist. Man will manchmal einfach nur die Umgebung auf sich wirken lassen, und das, obwohl man nicht von einer imposanten 3D-Welt beeindruckt wird, sondern von einer stilistisch so perfekten Welt, wie man sie nur selten in einem Spiel sieht.

Auch sonst lässt die Technik nichts zu wünschen übrig. Alles läuft flüssig ab, die Steuerung ist unkompliziert und der Soundtrack einfach fantastisch. Zwar könnten ein paar mehr Dialoge vertont sein, dennoch machen die Sprecher einen tollen Job, und vor allem die Erzähler bringen einem zum Zittern. Leider ist das Spiel komplett auf Englisch gehalten, weshalb man der Sprache mächtig sein sollte, solange es noch keine Übersetzung gibt. Haben wir eigentlich schon erwähnt, wie unfassbar gut das Spiel aussieht?