Schon seit einigen Jahren tanzen sich die Vocaloids, meist angeführt von Hatsune Miku, durch die Wohnzimmer der Welt. Wir haben uns den neuesten Streich der Reihe einmal näher angeschaut und müssen mit Erschrecken feststellen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Warum das so ist, erfahrt ihr in der folgenden Review zu „Hatsune Miku Project Diva X”.

Singen mit belanglosem Hintergrund

Fangen wir doch direkt einmal mit der größten Veränderung an, die sich auch durch das gesamte Spiel zieht. Denn von Anfang an wird einem eine Geschichte aufgezwungen, die man, wenn man alle Songs mindestens einmal spielen möchte, durchspielen muss. In dieser geht es um die digitalen Sänger, also die Vocaloids, die in sogenannten Clouds, die allesamt eine gewisse Aura wie Classic, Cool, Elegant, Quirky oder Cute ausstrahlen, singen können. Aber die Kristalle, die die einzelnen Clouds mit Energie versorgen, verlieren nach und nach ihre Kraft. Ganz am Anfang ist es sogar fast soweit, dass nur noch Miku singen kann. Jedoch kommt der Protagonist, also man selbst, in diesem Moment durch irgendeinen Grund in die digitale Welt und muss nun als Produzent die Vocaloids unterstützen. Nach und nach füllt man die Clouds wieder mit Kraft und auch die anderen Sänger können wieder munter singen.

Insgesamt ist es an sich nicht schlimm, dass eine Geschichte geboten wird. Aber jeder einzelne Dialog in „Hatsune Miku Project Diva X” ist einfach nur belanglos. Es ist total egal, ob Miku herausfindet, was es bedeutet mit einer coolen Aura zu singen, weil dadurch wird das, was wichtig ist, nicht verändert: die Songs. Aber auch an diesen merkt man, dass die Geschichte einfach nur aufgesetzt wirkt. Denn die Anzahl ist extra so gewählt, dass es in jeder Cloud nur vier bis fünf Songs plus eins der neuen Medleys gibt, zu denen ich später noch komme. Und wenn man die Anzahl genauer betrachtet, dann merkt man, dass ohne Medleys mit 24 vollen Songs mit Abstand die kleinste Tracklist in einem der lokalisierten Hatsune Miku-Spielen geboten wird. Restliche Songs darf man sich dann für 2,49 Euro pro Stück dazu kaufen – das klingt nach Abzocke und ist es auch.

Immer wieder nur Hatsune Miku

Das wäre aber nicht so schlimm, wenn die Songs wenigstens ausgeglichen gut wären, aber auch hier schwankt die Qualität sehr stark. Vor allem die anderen Vocaloids kommen viel zu kurz und haben bei den vollen Songs allerhöchstens zwei Lieder, bei denen sie die Hauptstimme sind. Damit fallen insgesamt 19 Songs auf Miku als Hauptstimme zurück und gerade einmal fünf auf die anderen fünf Vocaloids – in letzteren ist manchmal auch Miku als zweite oder dritte Stimme dabei. Wer großer Fan des berühmten Vocaloids ist, der wird sicherlich kein Problem damit haben, aber von den sowieso nur 24 Songs habe ich persönlich eine sehr kleine Liste mit Songs, die mir wirklich richtig gut gefallen haben und in fast der Hälfte davon kommt Miku noch nicht einmal vor. Man muss also ganz genau wissen, ob man mit der Lieder-Auswahl zufrieden ist, denn ansonsten wird man sehr schnell die Lust an „Hatsune Miku Project Diva X” verlieren, da man jeden Song mehrfach spielen muss, wenn man auch das allerletzte Medley haben möchte.

Misch-Masch

Kommen wir nun einmal zu der weiteren Neuerung, die ich schon mehrfach erwähnt hab: die Medleys. Dies sind alte und neue Songs aus anderen Spielen, die wild durch gemischt und auch von den verschiedenen Vocaloids gesungen werden. Die Medleys sind meist an die Aura der jeweiligen Cloud angepasst und bieten eben Songs, die einigermaßen daran passen. Aber bei einigen Songs, die noch nie in einem „Project Diva”-Titel mitinbegriffen waren, fragt man sich, wieso sie nun für so einen kurzen Moment nur verwendet wurden. Aber auch abseits davon sind die Medleys entweder noch ganz nett anzuhören oder einfach nur langweilig bis teilweise sogar nervtötend. Die Medleys sind also nicht unbedingt das Gelbe vom Ei, aber sie ergänzen die Tracklist immerhin mal um etwas komplett Neues, was auch langjährige Vocaloid-Fans in der Form wahrscheinlich noch nie gehört haben.

Kaum Herausforderung und pures Glück

Ferner hat das Team bei Sega noch weitere Änderungen an dem Grundkonzept von „Project Diva” vorgenommen. Denn das gesamte Fortschritts-System wurde komplett überarbeitet. Früher hat man einfach einen Song auf immer höheren Stufen nacheinander gespielt, dafür Punkte bekommen und damit Kostüme freigeschaltet. Jetzt ist es so, dass es zunächst einmal zwei verschiedene Spielarten gibt. Geht man in die Clouds, was jetzt das Hauptspiel ist, muss man eine bestimmte Anzahl an Voltage sammeln, die dem Highscore entspricht. Im Free Play hingegen hat man das altbewährte System, das schaut, wie gut man gespiel hat und den Score außen vor lässt. Zwischen diesen beiden Modi fehlt aber ein wenig Balance, denn das System über den Score ist so einfach, dass selbst die schwersten Songs auf einmal locker machbar sind und man sich im Free Play daran die Zähne ausbeißt. Irgendwas dazwischen hätte der Motivation sicherlich gut getan, so kommt man selbst auf Extreme bei den Cloud-Aufgaben niemals ins Schwitzen.

Aber auch an dem Freischalten von Accessoires, Diva Room Items sowie den Kostümen wurde etwas im Negativen geändert. Denn alle drei Item-Kategorien bekommt man nun total zufällig nach beziehungsweise im Falle von Kostümen während der Songs. Wer also alle Module haben möchte, der muss extrem viel Zeit investieren und einfach hoffen, dass ein neues Outfit droppt. Sowieso bringt es eigentlich gar nichts den Free Play zu nutzen, da man dort keinerlei Sachen freischalten kann. Man bekommt also quasi den einfacheren Modus aufgezwungen und wird noch dafür bestraft, wenn man etwas mehr Herausforderung haben möchte. Neben den Cloud Requests gibt es auch noch Event Requests bei denen man eine bestimmte Anzahl an Songs hintereinander spielen muss und sich seine eigene Playlist macht. Die Songs sind dabei immer etwas gekürzt, weshalb man also seine eigenen Medleys aus den bestehenden Liedern machen kann. Die Events nutzen ebenfalls das Voltage-System, weshalb auch diese nicht unbedingt schwierig sind, aber bieten immerhin eine kleine Abwechslung und am Ende gibt es oft auch spezielle Kostüme und Accessoires, die man ansonsten nicht bekommt.

Aufgezwungene Modi

Was einem auch noch aufgezwungen wird, ist die Interaktion mit den Vocaloids innerhalb des Diva Rooms. In den Vorgängern war dies immer nur optional und musste, um das Musikspiel in vollen Zügen zu genießen, nicht einmal angerührt werden. Jetzt schaltet man darüber neue Events frei und wird auch zwischen den Songs manchmal dazu gezwungen, den Vocaloids Items zu schenken. Aber auch in all den Änderungen gibt es zum Glück eine konstante, die genauso gut geblieben ist, wie zuvor: das Gameplay. Man drückt weiterhin im Rhythmus die verschiedenen Tasten und gerade im Free Play ist das Spiel auch für Fans der Reihe fordernd genug, um einen an den Bildschirm zu fesseln. Leider machen all die anderen Neuerungen das Spiel schlechter und trüben den Gesamt-Eindruck.

Glanz-Optik

Optisch legt „Hatsune Miku Project Diva X” noch einmal eine Schippe drauf und bietet auf Hochglanz polierte Charaktere, glänzende Hintergründe und detaillierte Animationen. Aber wir wären hier nicht bei dem neuesten Teil der Reihe, wenn es nicht doch wieder eine Verschlimmbesserung geben würde. Denn die einstigen Musik-Videos, die irgendeine visuelle Geschichte erzählen, sind nicht mehr. Stattdessen tanzen die Vocaloids einfach nur noch eine Choreographie auf einer Stage ab, während die Kamera wild hin und her wackelt – mehr an Inszenierung der Tänze gibt es nicht. Für meinen Teil waren diese Art der Musik-Videos einfach zu langweilig. Immerhin läuft das Spiel auf der PlayStation 4 butterweich und auch die Ladezeiten sind angenehm kurz.