Fußball-Fans können sich eigentlich nicht wirklich beschweren, wenn sie klassische Videospiele für ihren Lieblingssport suchen. Während hierzulande besonders eine Spiele-Reihe, in der es in diesem Review gar nicht gehen soll, Erfolge feiert, kann die „Pro Evolution Soccer“-Reihe, kurz „PES“; mit einer beeindruckenden Entwicklung aufwarten. Vor allem der große Sprung in den letzten beiden Jahren brachte den Titel wieder auf den Schirm vieler passionierter Spieler, weshalb wir uns wieder auf den Platz begeben haben, um herauszufinden, ob auch „PES 2017“ diesen Trend fortsetzen kann.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Nach dem Spielstart fällt leider direkt auf, dass die Ladezeiten alles andere als kurz sind. Doch dieser kleine negative Eindruck wird direkt vergessen, sobald man im Menü ist. War es im letzten Jahr noch etwas unübersichtlich aufgebaut, ist diesmal alles sehr strukturiert und klar. Man hat auf jeden Fall keine Probleme, die vielen Modi auszuwählen und kann direkt mit dem Spielen starten, ohne erst alle Unterpunkte durchzusehen, wenn man wirklich alles ausprobieren möchte. Dazu gehören die klassischen schnellen Spiele, das Training, „Werde zur Legende“ und die „Meisterliga“ sind aber einmal mehr die Highlights, wenn auch nicht alles perfekt ist.

Der größte Kritikpunk an „PES 2017“ ist derselbe, wie auch schon im vergangenen Jahr, und wird vermutlich auch in den kommenden Jahren kaum große Fortschritte machen, nämlich die Lizenzen. Während südamerikanische Teams aus Brasilien und Argentinien nun deutlich präsenter sind, wird der europäische Markt nur mangelhaft bedient. Besonders bitter ist hier, dass zwar die Europa- und Champions League lizensiert wurden, dafür aber auch dort wichtige Teams fehlen, wie Juventus Turin, Manchester United oder Real Madrid. Dabei geht natürlich selbst hier viel Atmosphäre verloren, was doch ziemlich schade ist. Dass aus deutscher Sicht nur drei Teams dabei sind, und der FC Bayern dazu noch fehlt, ist einfach extrem ernüchternd. Wir konnten deshalb nicht die Roten mit dem deutlich besseren Team aus Dortmund besiegen, wie jeder vollkommen objektiver Spieler argumentieren würde.

Auf dem frischen Rasen

Sobald man aber einmal sein Team ausgewählt hat und auf dem Rasen steht, fällt einem gleich wieder auf, wieso „PES“ trotz der fehlenden Teams unglaublich viel Spaß macht. Das ganze Spiel fühlt sich noch einmal flüssiger an, als im vergangenen Jahr, weshalb sich die Spieler sehr dynamisch und realistisch bewegen lassen. Besonders bei der Ballführung kann auch „PES 2017“ durch seine vielfältigen Mechaniken überzeugen, weshalb man nicht einfach nur Tricks aneinanderreiht, sondern diverse Befehle ausführt, um sehr realistisch durch Verteidigungen zu dribbeln und dabei auch die Gegner auszutricksen, besonders, wenn man mit der richtigen Taktik vorgeht.

Um diese tiefgreifenden Mechaniken jedoch auch nutzen zu können, sollte man die Steuerung streng studieren. Es gibt nämlich tatsächlich so viele Möglichkeiten, dass man regelrecht erschlagen wird. Während die normalen Aktionen, die sich schnell erlernen lassen, für normale Matches völlig ausreichen, muss man ein wenig mehr lernen, falls man gegen stärkere Gegner antreten will. Glücklicherweise ist der Trainigsmodus deshalb erneut gut gelungen und verbindet kleine Mini-Spiele mit jeweils einer neuen Mechanik, sodass man nicht überfordert wird, falls man die nötige Geduld aufbringt. Vor allem die fortgeschrittenen Techniken lassen sich dann auch auf das eigentliche Spiel übertragen, sodass man Schritt für Schritt selber zum Profi wird.

Taktik ist das halbe Spiel

Doch man sollte nicht einfach darauf hoffen, dass man durch ein paar glückliche Pässe auch direkt mit einem Torschuss rechnen darf. Denn, was die Taktik angeht, hat sich so einiges getan. Dabei fällt extrem auf, dass die Macher an der Verteidigung gearbeitet haben. Nun reagieren die KI-Gegner auch vernünftig auf die eigenen Angriffe, sodass man sich jede Schwäche herausarbeiten muss. Doch, auch die eigenen Spieler arbeiten wie ein Team, sodass man nicht mehr kopfschüttelnd Tore hinnehmen muss, sondern sich in einer normalen Situation tatsächlich auf die eigene Mannschaft verlassen kann.

Auf der anderen Seite darf man nun noch mehr an den eigenen taktischen Manövern arbeiten. Man kann nämlich selber Taktiken zusammenstellen und bis zu vier davon im laufenden Spiel einschalten. Das führt dazu, dass man sich eben noch mehr auf sein Team verlassen kann, da man mit den richtigen Entscheidungen, dem Gegner Probleme machen kann, indem die Spieler den Ball unter Druck zurückerobern oder der Gegenmannschaft Platz verschaffen, nur um sie in eine Abseitsfalle zu locken. Gelegenheitsspieler werden hier vielleicht auf den ersten Blick nur marginale Erweiterungen feststellen, wer sich aber intensiver damit beschäftigt, wird eine kleine Revolution erleben, die den kompletten Spielverlauf extrem verbessert.

Mehr Spaß gegen die KI

Allgemein machen nun lokale Spiele gegen den Computer deutlich mehr Spaß. Tatsächlich reagieren die anderen Spieler auf die Taktikänderungen des eigenen Teams und versuchen natürlich, dagegenzuhalten. Spielt man immer nur mit einer Handvoll Methoden, versuchen die Kontrahenten, eben diese zu blockieren. Zwar klappt das nicht immer so gut, und auch auf den höheren Schwierigkeitsstufen werden zu offensichtliche Fehler gemacht, das passiert aber seltener und man hat deutlich öfter das Gefühl, die Spieler würden gerade von anderen realen Leuten gesteuert. Vor allem aber merkt man sofort, dass an den Torwarte gearbeitet wurde. Diese machen nun deutlich weniger irrsinnige Fehler, und man hat bei abgewehrten Schüssen nun fast immer das Gefühl, dass das Handeln deutlich realistischer ist. Doch auch durchgegangene Schüsse sind nun nicht mehr auf die Keeper, sondern auf gut platzierte Torschüsse zurückzuführen.

Das Passen ist erneut perfekt und die größte Stärke am puren Gameplay. Egal ob flach, hoch, schnell oder angetäuscht, man hat eine unglaubliche Kontrolle und wird für die richtigen Entscheidungen auch dementsprechend belohnt. Dadurch wird ein langweiliges Ping-Pong fast komplett vermieden und die Macher beweisen zudem, dass es sich hier eher um eine Simulation handelt. Vor allem das Gefühl, im richtigen Moment die richtige Entscheidung zu treffen, ist eine unfassbare Befriedigung, die in diesem Jahr einfach einen Tacken präziser ist, als bisher. Zwar verhält sich die KI hier in einigen Momenten etwas komisch, und Pässe kommen in gewissen Situationen etwas zu genau an, da sich der empfangende Spieler schlagartig verlangsamt, ohne dass er das eigentlich ahnen könnte. Insgesamt verbessert das allerdings den Spielfluss und ist eine Änderung, die das Gameplay eher perfektioniert.

Nur noch ein Schuss

Insgesamt führt das alles dazu, dass das Spieltempo niedriger geworden ist und man so deutlich mehr Möglichkeiten hat, sich an Situationen anzupassen. Das ist auf keinen Fall ein negativer Punkt, denn manchmal hatte man im vergangenen Jahr das Gefühl, dass Situationen zu schnell beendet wurden. Doch die Verbesserungen hören da nicht auf, denn selbst Eckbälle sind nun taktischer, dank verschiedenen Varianten, wie sich die anderen Spieler auf dem Feld verhalten sollen. Das hat zwar im vergangenen Jahr auch gut funktioniert, hier ist aber der berühmte, kleine nötige Schritt getan worden, sodass man mehr planen kann und dadurch tatsächlich mit ein wenig Glück solche Situationen kontrollierter beendet werden.

Und obwohl die Teams enttäuschen, verhalten sich die vorhandenen Spieler unglaublich authentisch. Ein Aubameyang ist deshalb wahnsinnig schnell und kann Verteidigungen zum Verzweifeln bringen, ein Neymar darf sogar nach einem Tor sein Shirt ausziehen. Ebenso nah am Original ist Manuel Neuer, der tatsächlich so gesteuert wird, wie er ist. Dank seiner gewagten Manöver, bei denen er auch mal gerne weit hinausläuft, wird dem Gegner ein kontrollierter Abschluss unmöglich gemacht, doch das kann auch zum Verhängnis werden, wenn andere gute Spieler darauf vorbereitet sind. Eben diesen Charme und den Hang zum Detail machen alle Matches so authentisch. Jeder Spieler wird danach Geschichten erzählen können, bei denen man dazu sagen muss, dass man gerade von einem Videospiel erzählt.

Die Sternstunden mit Differenzen

Leider haben es die Macher verpasst, die Schwächen von „Werde zur Legende“ auszumerzen. Hier steuert man nur einen Spieler, und wird auch mal auf die Bank verbannt, wenn man sich nicht gut anstellt. Leider ist das überhaupt nicht authentisch, und man bekommt weder vernünftige Rückmeldungen, noch sind alle Entscheidungen der Trainer nachzuvollziehen. Allgemein glaubt man, der Trainer würde während der Spiele schlafen und wird für versäume Aktionen bestraft, in denen es keine Alternativen gab.

Besser ist da erneut die „Meisterliga“, die sogar einige Verbesserungen erfahren hat. Hier tritt man klassisch in die Schuhe eines Managers, während man die Spiele der Mannschaft selbst steuern oder simulieren kann, oder sich ganz auf die Anweisungen konzentriert. Vor allem beim Budget haben die Macher eine gute Entscheidung getroffen, weshalb es getrennte Konten für Gehälter und Ablösesummen gibt. Das erleichtert die Planung ungemein und macht alles übersichtlicher. Hier wird man ohne Frage die meiste Zeit verbringen, denn MyClub ist einmal mehr eine Kopie des entsprechenden Modus der Konkurrenz und wirkt wie ein unnötiger Aufsatz, der sich nicht allzu überzeugend in das Gesamtpaket einfügt. Wenigstens können interessierte Spieler wieder viel Zeit investieren.

Kein Kommentar

Die Präsentation ist in diesem Jahr noch einmal ein ganzes Stück gelungener. Die Einläufe wirken cineastisch und versprühen die richtige Stimmung vor den Spielen. Auch die Wiederholungen sind besser eingefangen, während nun auch die Highlights besser aufeinander abgestimmt sind. Man möchte sich tatsächlich regelmäßig, wenn auch natürlich nicht immer, dieses Prozedere anschauen, da die Inszenierung auch höchstem Niveau ist.

Wieso kommt trotzdem kaum Stimmung auf, wenn Konkurrenten aufeinander treffen? Ganz einfach, wegen der Kommentatoren. Dabei sind gar nicht unbedingt Marco Hagemann und Hansi Küpper Schuld, sondern eher die Sätze, die sie aufsagen müssen. Selten werden Spielernamen genannt, oft passen die Sprüche überhaupt nicht zum aktuellen Geschehen. Das alles ist zwar in der englischen Vertonung ein wenig besser, doch auch hier gibt es zu wenig Kommentare und zu viele Wiederholungen. Das macht vieles kaputt und man möchte eher auf die Kommentare verzichten. Man kann nur hoffen, dass endlich hieran gearbeitet wird, doch da der Stand in diesem Jahr ähnlich miserabel wie bei „PES 2016“ ist, gibt einem Konami wenig Hoffnung.

Der Editor als Wundertüte

Während man mit erfundenen spanischen Teams leben muss, die trotz echten Spielern falsche Team-Namen und Logos tragen, war der Editor schon immer eine Stärke. Selbst, falls man selber zu faul für die unglaublich detaillierte Erschaffung von Trikos, Logos und Spieler ist, war es doch die Fangemeinde, die es ermöglichte, teilweise mit echten Teams zu spielen, indem man sie nach Anleitungen nachbaut.

In diesem Jahr hat Konami das System für PlayStation 4-Spieler extrem geöffnet und ermöglicht es nun, per USB-Stick Bilder zu importieren, sodass man mit wenig Arbeit Teams anpassen und erstellen kann. Es ist ein riesiges Geschenk an die Community, da die harte Arbeit der passionierten Fans belohnt wird, indem andere wiederum von deren Arbeiten profitieren. Man hätte nicht damit gerechnet, dass die Macher es so einfach machen würden, weshalb hier ein ganz besonderes Lob ausgesprochen werden muss.

Tolle Technik

Schon beim Einlaufen fällt einem die grafische Wucht auf, die in „PES 2017“ auf den Spieler trifft. Die Spieler sehen beeindruckend aus, die Aktion auf dem Rasen nahezu fotorealistisch. Selbst das Zuschauen macht unglaublich viel Spaß, da die FOX-Engine einen merklichen Schritt nach vorne ermöglicht. Lediglich die Gesichtsanimationen dürften besser sein, doch die Bewegungen der Spieler auf dem Feld können besser nicht sein.

Auch der Ton ist sehr gut, mit einer echten Stadion-Atmosphäre, schaltet man die Kommentare erst einmal ab. Der Soundtrack ist gut ausgewählt und bringt einen guten Mix in den Titel, sodass in keinem Menü Langeweile aufkommt. Die Ladezeiten dürften jedoch etwas kürzer sein und sind manchmal doch zu lang. Dafür ist online alles stabil und wir mussten nur ein Spiel abbrechen, da der Gegner keine stabile Verbindung halten konnte.