Schaut man sich die Launch-Liste von PlayStation VR an, wird man im Singleplayer-Bereich vor allem Erfahrungen oder kurze Spiele finden. Wer auch nach vielen Stunden noch neue Herausforderungen sehen möchte, muss erstmal zu Multiplayer-Titeln greifen. Doch das unscheinbare Spiel „Tethered“ will nicht nur mit seinem unfassbar niedlichen Stil punkten, sondern auch mit seiner Vielfalt. Ist dem Spiel das auch gelungen, oder dient es eher zur optischen Belustigung der Brillen-Besitzer? Wir sind für euch zu Göttern geworden, um das herauszufinden.

Die Inseln über den Wolken

Zum Start jeder der insgesamt dreizehn Inseln darf man eine kleine Welt bestaunen, während man Wolken anvisiert, um zu einer anderen Perspektive zu wechseln. Doch diese schönen Welten, über die man als Gott herrschen darf, sind nicht nur unbewohnt, sondern tot, mit braunen Böden und verrotteter Flora. Doch ehe man sich versieht, kommt ein Ei von oben geflogen, das man ausbrütet, indem man eine Sonnenwolke anschaut, und diese mit dem Ei verknüpft. Heraus kommt ein Pep, ein kleines, furchtbar niedliches Wesen, das den Spieler anschließend als Gott ansieht und Aufgaben erledigen kann, um die Wolkeninsel wiederzubeleben.

Der erste Eindruck, den das Spiel vermittelt, ist einfach unfassbar. Die Welt, die man vor seinen Augen entfalten sieht, ist detailreich und wunderbar bunt, sodass man richtig mit ansehen kann, wie sie wieder zum Leben erweckt wird. Man könnte meinen ein Disney-Film würde sich vor den eigenen Augen auf einem lebendigen Spielbrett entfalten, so großartig sieht der Titel aus. Doch natürlich gibt es auch Gameplay, weshalb ein sehr ausführliches Tutorial die notwendigen Mechaniken sehr gut erklärt, ohne aber jede Überraschung zu verraten. Einen besseren Einstieg hätte man sich kaum wünschen können.

Der Tag: Die Arbeit

Wie es sich für eine gute Götter-Simulation gehört, muss der Spieler dafür sorgen, dass seine Untertanen auch überleben können. Dafür müssen vier Ressourcen gesammelt werden, Nahrung, Holz, Stein und Erz. Für jede davon gibt es eine Ader, weshalb man einen Pep anschauen, eine Taste drücken und diese bei der Quelle loslassen muss, um ihn damit zu verknüpfen. Anschließend läuft er von der Basis zu der Quelle und baut das Material ab, mit dem nun Felder oder Gebäude gebaut und ausgebaut werden können. Regelmäßig fallen neue Eier vom Himmel, die man entweder schnell mit Sonnenwolken ausbrüten kann, oder von einem anderen Pep befreit werden können, falls sich die Farbe verändert. Wartet man zu lange, kommt ein Feind aus dem Ei, weshalb man die Arbeitskraft niemals ignorieren wollte.

Es macht einfach sehr viel Spaß seine Peps zuzuweisen und anschließend Kasernen, Rathäuser oder andere Gebäude zu bauen, um sie auszubilden, damit sie stärker im Kampf sind oder mehr aus einer Quelle abbauen können. Doch auch temporäre Boni, wie schnellere oder fleißigere Peps, lassen sich durch die Gebäude erzielen. Es ist also wirklich wichtig, sein begrenztes Land effektiv zu nutzen, damit die Peps stets glücklich sind. Am Ende steht das Ziel spirituelle Energie zu sammeln, damit das komplette Land wiederbelebt wird. Ist die vorher angegebene Menge erreicht, ist das Spiel beendet und man wird in verschiedenen Bereichen bewertet, sodass man dazu motiviert wird seine Strategie zu perfektionieren und bereits gemeisterte Level zu wiederholen.

Die Nacht: Das Überleben

Während die Tage schon stressig sind, weil man immer wieder seine Peps neu zuordnen muss, wird das durch die Nächste erheblich nervenaufreibender. Denn hier kommen nacktschneckenartige Monster von Unten, die bekämpft werden müssen. Am besten sind hierfür Helden geeignet, doch diese richtig zuzuweisen damit sie die Nacht selber überleben, ist gar nicht so einfach. Zudem können die Monster von überall herkommen, was Planung erfordert. Die Nächte zu überstehen, wird somit zu einem unfassbar stressigen Kampf, bei dem man ständig die Perspektive ändern, spontan umdenken und die richtigen Pips den richtigen Arbeiten zuweisen muss.

Doch dieser Stress macht auch Spaß, denn tagsüber denkt man ständig daran, wie man die nächste Nachtphase überleben soll. Die Monster werden in jeder kommenden Nacht stärker und zahlreicher, sodass es schwer wird, keine Peps zu verlieren. Doch auch der Morgen danach kann zum Grauen werden, wenn wichtige Arbeiter getötet werden, die restlichen Peps in Depressionen fallen und anschließend von der Klippe springen. Glaubt uns, es gibt nichts schlimmeres als dabei zuzuschauen, wie diese niedlichen Wesen kollektiv Selbstmord begehen und beim Fall qualvoll schreien. Alleine deshalb wird man motiviert, jeden kleinen Schritt zu überdenken.

Wetterteufel

Ebenfalls wichtig sind die Wolken. Denn diese kommen in verschiedenen Variationen einher und werden dazu benötigt, die Quellen aufzufüllen. Durch Regen wachsen neue Bäume, durch Sonne erstrahlen die Felder. Man muss also nicht nur schauen, dass die Materialien abgebaut werden, sondern auch, dass sie nachwachsen. Weiterhin gibt es noch mehr Wolken, die zum Beispiel Peps schneller zu ihrem Ziel befördern, während die normalen Wolken sogar Effekte auf die Bevölkerung haben können. Wer dann noch bestimmte Wolken miteinander kombiniert, erhält ein wunderbar einfaches, aber sehr vielfältiges Wetter-System, das dem kompletten Titel eine weitere taktische Ebene liefert.

Ein göttliches Vergnügen

Zugegeben, die meisten hätten wohl damit gerechnet, dass die erste Göttersimulation für PlayStation VR wohl eher etwas damit zu tun hat, mit den Move-Controllern kleine Männchen hin und her zu schmeißen. Doch hinter „Tethered“ steckt ein überraschend tiefes Spiel, das selbst nach über zehn Stunden noch Spaß macht. Ständig wird man mit hektischen Situationen unter Druck gesetzt, während man die Level, die jeweils bis zu über eine Stunde dauern können, beendet. Dabei sind die einzelnen Inseln sehr unterschiedlich gestaltet und benötigen andere Methoden, um effektiv zu sein.

Doch die Perspektive macht es tatsächlich aus und ermöglicht dem Spiel sehr zugänglich zu sein. Denn als Gott schaut man von Oben auf die kleine Welt, beobachtet seine Arbeiter und fühlt sich tatsächlich wie der Erschaffer dieser Wesen. Dass sie einen beim Level-Schluss anbeten, ist nur ein Zeichen dafür, wie ausgearbeitet der Titel ist. Jedes Detail sitzt, und man verliebt sich regelrecht in die Welt. Auch die Steuerung ist sehr angenehm, denn anstatt eine komplizierte Steuerung zu erlernen, wie man es aus dem Genre kennt, muss man stets eine einzige Taste drücken und die Objekte anschauen.

Kleine Probleme

Glücklicherweise gibt es nur wenige Probleme, die dem Titel anzukreiden sind. Zum einen wäre eine Pausen-Funktion, die leider fehlt. Besonders in hektischen Situationen wäre es angenehm das Geschehen anzuhalten, um Routen zu überprüfen und zu überlegen, welche Peps welche Aufgaben erledigen müssen. Vor allem gegen Ende kann es nämlich etwas unübersichtlich werden, und obwohl Linien dafür sorgen, dass man immer den Überblick behält, kann es doch etwas chaotisch werden, da natürlich die Zeit voranschreitet und man so weniger Zeit für Aktionen hat.

Etwas nerviger ist die fehlende Speicherfunktion innerhalb der Level. Vor allem, wenn man etwas langsamer ist und eine Stunde überschritten wird, würde man das Spiel gerne pausieren und am nächsten Tag weiterspielen. Hier wird aber ohne Vorwarnung der Fortschritt beim Beenden sofort gelöscht und man muss den Level erneut spielen. Hoffentlich können die Entwickler diese Funktion durch einen Patch nachreichen, denn dadurch eignet sich der umfangreiche Titel für kurze Runden nicht.

Technik

Man könnte natürlich bemängeln, dass die Texturen-Qualität nicht allzu scharf ist. Doch trotzdem ist „Tethered“ einer der schönsten Titel für Sonys VR-Brille. Die Umgebungen sehen wunderschön aus, und man nähert sich mit seinem Kopf gerne den Inseln, um alles aus der Nähe zu beobachten. Die wahren Stars sind aber die Peps, die durch ihre tollen Animationen und das verspielte Design auffallen. Dadurch ist der Titel wohl der charmanteste der bisherigen PlayStation VR-Spiele und man möchte eigentlich gar nicht mehr aufhören sich die Welt anzuschauen. Der Soundtrack ist ebenfalls verspielt und damit ein echter Ohrwurm. Zusammen mit den Geräuschen der Peps wird man also wirklich in eine traumhafte Welt befördert, wenn nicht gerade wieder diese niedlichen Wesen Suizid begehen.

Die VR-Integration macht das Spiel vor allem deutlich spielbarer, da die Steuerung sehr einfach ist ohne dass dadurch Funktionen wegfallen würden. Zwar muss man sich daran gewöhnen, wer jedoch einmal in den Fluss kommt, wird keine Probleme mit dem Verknüpfen haben. Doch auch das Gefühl, als Gott über eine Welt zu herrschen, ist gegeben, während die Ansicht zeigt, wie großartig ein Spiel aus dieser Perspektive aussehen kann.