Im Rennspiel-Segment tummeln sich zahlreiche Ableger und Vertreter, die um die Gunst der Spieler buhlen. Da ist es manchmal gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten. Rennspiele, die sich dem Rallye-Segment angenommen haben, gibt es dafür schon deutlich weniger. Das vermutlich bekannteste Beispiel ist die „DiRT“-Reihe, die bereits seit vielen Jahren am Rallye-Olymp über allen anderen Serien thront. Der letztjährige Ableger „WRC 5“ musste im Vergleich einiges an Kritik einstecken, allen voran aufgrund der mangelhaften Optik. Passend zur World Rally Championship brachten Publisher Big Ben und Entwickler Kylotonn Racing Games dieses Jahr erneut einen Konkurrenten um den Platz der Rallye-Krone auf die Strecke. Mit einer starken Lizenz (nämlich der einzigen „WRC“-Lizenz im Spielemarkt) im Rücken, versucht man den Rückstand auf die Konkurrenz schmelzen zu lassen und die Hardcore-Rallye-Fans für den neuesten Ableger zu begeistern. Ob „WRC 6“ in diesem Jahr der Konkurrenz davon fährt, oder doch im Schlamm stecken bleibt, verrät unsere Review.

Auf dem Weg nach oben

Das Herzstück von „WRC 6“ ist, wie bei fast jedem Rennspiel, natürlich der Karrieremodus. Der Spieler erstellt einen Fahrer nach seinem Ebenbild (oder auch nicht) und legt im WRC-Junior-Bereich mit einem etwas weniger imposanten Gefährt los. Nach und nach gilt es, die Karriereleiter empor zu klettern und mit guten Platzierungen auf sich aufmerksam zu machen. Schlussendlich winkt die WRC höchstpersönlich, man kann sich einem der Teams anschließen und die richtig spannenden Wagen fahren. Auch hier gilt es in den verschiedenen Stages eine gute Figur zu machen und den Sieg für das Team einzustreichen. Dabei gilt es jedoch auch die richtige Balance zwischen aggressiven Fahrmanövern und dem Zustand des Wagens zu halten. Reparaturen sind zeitintensiv und ein deutlich mitgenommenes Automobil ist nicht nur deutlich zickiger, sondern kann auch im schlimmsten Fall zum Totalausfall werden. Besonders spannende Ansätze oder eine spektakuläre Präsentation kann der Karrieremodus nicht bieten, dafür unterhält er jedoch lange genug und macht, für die Dauer des Aufstiegs, auch durchaus Spaß. Eine Neuerung, die sich viele Fans gewünscht haben, kommt jedoch an einer anderen Stelle. Die französischen Entwickler haben dem Spiel einen Splitscreen-Modus spendiert, der heutzutage in Spielen ja tatsächlich immer rarer wird. Damit kann das Spiel natürlich noch einmal gut punkten, schließlich sind Rennen auf der Couch gegen Freunde noch immer die spaßigste Methode, um den virtuellen Konkurrenzkampf auszutragen. Wer bereits die Rallye-Krone im heimischen Wohnzimmer für sich beansprucht hat, kann natürlich auch einen Blick in den Online-Mehrspielermodus werfen. Hier und da hatten wir einige Probleme, in einer halbwegs nachvollziehbaren Zeit genug Leute zu finden, es ist hält sich aktuell jedoch noch im Rahmen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es schon bald einen deutlich spürbareren Spielermangel geben wird.

Mit der Lizenz zum rasen

Die ganz große Stärke von „WRC 6“ ist natürlich die WRC-Lizenz. Für den Umfang bedeutet das, alle 14 WRC-Events am Start sind. Natürlich handelt es sich dabei nicht gleichzeitig um die ganzen Strecken, sondern um eine komprimierte Version, die alle wichtigen Attribute und Sehenswürdigkeiten der echten Strecke einfängt. Dafür ist man von China bis nach Skandinavien mit allerlei Ländern und entsprechenden Terrain konfrontiert, was für genug Abwechslung im manchmal monotonen Rennalltag bewirkt. Im Vergleich zu „WRC 5“ wurden viele Strecken überarbeitet, um sie dynamischer, herausfordernder und spannender zu gestalten, so dass man im Grunde ein „Best of“ der WRC in schön spielbarer Länge serviert bekommt. Besonders cool ist eine Neuerung, die in erster Linie Hardcore-Fans ansprechen sollte. Die Entwickler werfen die originalgetreuen Nachbauten der elf „Super Special Stages“ in das Gesamtpaket, das lässt das Fanherz nochmal kräftig höher schlagen. Kein Wunder, handelt es sich dabei um spektakuläre und anspruchsvolle Zuschaueretappen, fernab des sonstigen Rallye-Geländes. Ebenfalls mit an Bord sind über 50 lizenzierte Fahrer, darunter auch Weltmeister und Publikumsliebling Sébastien Ogier, samt entsprechender Fahrzeuge. Für ein Rallye-Spiel kann der Umfang überzeugen, im Grunde ist alles dabei, was man sich als Fan wünschen kann. Trotzalledem sollte man gerade als Frischling nicht mit überzogenen Erwartungen an das Spiel herangehen, den einen Umfang wie bei „Gran Turismo“ oder „Forza Motorsport“ sucht man hier natürlich vergebens.

Push it to the limit

An dieser Stelle muss ausdrücklich erwähnt werden, dass „WRC 6“ ein klar simulationslastigeres Spiel ist. Das heißt jedoch nicht gleichzeitig, dass der Titel besonders schwierig zugänglich sei. Über ein Tutorial wird man mit einem übermotorisierten Fahrzeug an die Materie herangeführt und anfangs sollte man dann doch eher schwächere Rallyewagen auswählen, um nicht ständig gegen eine Barriere zu klatschen. Apropos gegen Barrieren klatschen: Das wird die erste Zeit häufig genug passieren und auch danach noch eine ganze zeitlang einen fixen Platz auf der Rückbank haben. Nach und nach lernt man jedoch, das Gaspedal richtig zu dosieren, früh genug abzubremsen oder doch rechtzeitig das gefährliche Manöver zu beenden. Den Entwicklern ist es sehr gut gelungen das Handling und Geschwindigkeitsgefühl über die Mattscheibe zu bringen. Motorisierung, Gewicht und ähnliches hat eine spürbare Auswirkung auf das Fahrgefühl. Besonders gut hat uns gefallen, dass sich das Terrain sehr charakteristisch auswirkt. Eine Fahraktion, die im trockenen Wüstensand noch mit einem Vorsprung belohnt wurde, kann in der eisigen Kälte Schwedens das „Verlassen“ der Strecke oder einen Zusammenprall bedeuten. Je nachdem, welche Gewalttaten ihr eurem Automobil zugefügt habt, wirkt sich das auch auf die Fahrperformance aus. Eine mitgenommene Achse kann dabei schon zu einem fast unüberwindbaren Hindernis werden. Auch das Wetter spielt natürlich eine gewichtige Rolle, auch, wenn man es vielleicht etwas zu ernst genommen hat. Da kann es schon passieren, dass gewöhnlicher Regen monsunartige Ausmaße annimmt, zumindest, was die Sichtweite angeht. Das Fahrgefühl kann uns überzeugen, es sind nur kleinere Macken und Ungereimtheiten, die etwas den tollen Eindruck trüben und wo wir sagen müssen, dass „DiRT Rally“ doch etwas die Nase weiter vorne hat. Übrigens: Wem dass alles viel zu technisch klingt, kann natürlich alle möglichen Fahrhilfen dazuschalten und die Gegnerschwierigkeit herunterdrehen, um sich sachte der knallharten Rallye-Welt anzunähern.

Technik

„WRC 5“ hatte mit einigen technischen Ausfällen zu kämpfen, da das Spiel ebenfalls noch für die längst überholte Generation rund um PlayStation 3 und Xbox 360 erschien. Der Publisher tat nun den längst fälligen Schritt und konzentrierte sich endgültig auf die aktuelle Generation. Aus technischer Perspektive kann „WRC 6“ vermutlich nicht zuletzt dadurch insgesamt überzeugen. Die Rennwagen können durch eine akkurate Gestaltung mit der nötigen Liebe zum Detail punkten, das lässt den Rallye-Fans das Herz aufgehen. Der positive Eindruck setzt sich durch ein detailreiches Schadensmodell fort, der allzu grobe Fehler auf der Strecke entsprechend bestraft und das nicht nur in optischer Hinsicht. Abseits davon sind die Effekte von Dreck, Schlamm und Compagnie auf dem Rennwagen eine ideale Ergänzung für das Rally-Feeling. Die gelungenen Partikeleffekte tragen enorm zur Authentizität bei und die Lichteffekte, gerade, wenn man nachts auf der Strecke unterwegs ist, sind ein deutlicher Sprung nach vorne. Die Gestaltung der einzelnen Rennstrecken fügt sich mit Abstrichen in das Gesamtbild ein, hier wurde bei einigen Stellen, gerade im Hintergrund, geschlampt und auch die leblose und missratene Zuschauermaße trübt das eigentlich runde Paket ein wenig. In puncto Sound hat man dafür wieder einiges gut gemacht, der Motorensound untermalt das Fahrerlebnis in überzeugender Weise. In den Mixer werfen wir auch die unterschiedlichen Effekte auf verschiedenen Rennbelägen sowie Beschleunigungs- und Bremssounds und erhalten ein stimmungsvolles Klangbild für „WRC 6“. Trotzalledem müssen wir leider sagen, dass der größte Konkurrent des Spiels, „DiRT Rally“, das überlegenere audiovisuelle Konzept vorlegen kann, auch, wenn der Vorsprung im Vergleich zur „WRC 5“ deutlich geschrumpft ist.