„Digimon World“ ist eine Reihe, die sich mit jedem Teil neu erfindet. Damit brachten die Entwickler allerdings auch die gemischten Gefühle der Fans des ersten Ablegers an den Tag, die eher frustriert waren und viele Jahre warten mussten, bis endlich das Konzept wieder in einem neuen Teil aufleben konnte. Das gelang endlich 2012 mit „Digimon World Re: Digitize“, das zwar nur ein Remake darstellte, dafür aber zahlreiche Verbesserungen und Neuerungen mit sich brachte, aber auch beliebte Eigenheiten entfernte. Deshalb soll der erste echte Nachfolger endlich alle Fans glücklich machen, der im vergangenen Jahr in Japan für PlayStation Vita, und nun auch endlich hierzulande für PlayStation 4 erscheint. Ist die Reise in die digitale Welt ein wahr gewordener Traum, oder ein Rückschlag? Wir haben zahlreiche Digimon trainiert und es herausgefunden.

Rette die Digiwelt!

Wahlweise als Held oder Heldin des Abenteuers wird man in einer sehr kurzen Sequenz in sein Digivice gezogen, und trifft dort dann auf seine eigenen Digimon. Die sterben nach einem harten Kampf, doch kurz darauf befindet man sich in der waschechten Digiwelt, wo Jijimon den Spieler begrüßt. Dieser weiß zwar selber nicht, wie man in die echte Welt kommt, doch braucht er dringend Hilfe, denn bösartige Machinedraemons bedrohen die digitalen Städte. Sollte sich niemand auf den Weg machen, um sie zu vernichten, könnte es das Ende der Welt bedeuten. Natürlich kann der Held, der in der realen Welt ein Profi-Spieler in Sachen Digimon-Kämpfe war, nicht einfach ignorieren was geschieht, und macht sich auf eine große Weise. Glücklicherweise erhält er zwei Digieier, aus denen Reinkarnationen der ehemaligen Partner schlüpfen, weshalb man natürlich nicht wehrlos bleibt. Dabei trifft man auf andere Charaktere, mächtige Digimon und einer viel größeren Gefahr, als es anfangs scheint.

Die Geschichte ist nicht mehr als ein Mittel zum Zweck. Der gesamte Verlauf ist eher schleppend und kann selten eine Spannung erzeugen. Zusätzlich ist auch der Antagonist nicht wirklich beeindruckend, weshalb es einem schwer fällt, sich um den ganzen Konflikt zu kümmern. Glücklicherweise retten die Dialoge vieles, die zwar nicht unbedingt die anspruchsvollsten sind, allerdings jedem Digimon einen eigenen Charakter verpassen. Dennoch wäre hier deutlich mehr drin gewesen, weshalb es schade ist, dass die Macher sich nicht mehr Mühe gegeben haben. Trotzdem werden viele Spieler diesen Aspekt verzeihen können, denn der Fokus liegt ganz klar auf dem Gameplay sowie der Welt.

Doppelte Monster, doppelter Spaß

Die größte Neuerung gegenüber dem Vorgänger ist ganz klar die Partner-Mechanik. Anstatt nur ein Digimon kämpfen zu lassen, trainiert man direkt zwei davon. Angefangen im Baby-Stadium, muss man sich um seine Monster kümmern und sie trainieren. Das Training ist dabei durchaus interessant, denn während man in den meisten JRPGs durch Kämpfe Erfahrungspunkte sammelt, muss man hier im Trainigsraum bestimmte Attribute verbessern. Dabei weist man die Digimon auf einem Feld einer Kategorie zu und trainiert diese per Knopfdruck, sowie ein wenig auch die anliegenden Werte. Das fordert zum Umdenken, denn anstatt lange zu grinden, muss man vor dem Kampf entsprechend Zeit investieren, um dein Digimon ganz nach den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Gepaart mit Items, die den Trainigserfolg verbessern, kann man also hier viel Zeit verbringen. Man sollte aber nicht einfach tagelang trainieren, denn nach einer bestimmten Anzahl an Tagen sterben die Digimon, und starten dann wieder als Ei. Zwar starten sie dann mit verbesserten Werten, um aber auf die alte Stärke zurückzukommen, muss man erneut trainieren.

Es ist ganz klar ein Alleinstellungsmerkmal der Reihe, auf diese Art zu leveln. Dabei gibt es Vorteile und Nachteile, die nicht jedem gefallen dürften. Denn wie bereits erwähnt, muss man in dem Spiel nicht grinden. Zwar werden nach jedem Kampf auch Werte verbessert, bis auf einige wenige ist jedoch immer das Training besser. Dadurch bereitet man sich tatsächlich immer vor und kann auch individueller arbeiten. Zeit spart das sowieso, denn mit wenigen Klicks ist man stärker. Erneut sehr schön ist, dass die zwar abwechslungsreichen, dafür aber mit der Zeit nervenden Mini-Spiele verschwunden sind, die den Prozess unnötig in die Länge gezogen haben. Jetzt gibt es ein Roulette, durch das man einige Boni erhält, jedoch dauert das wenige Sekunden, anders als die Mini-Spiele im Vorgänger.

Problemzone 1: Training

Doch so schön diese Eigenart auch sein mag, ohne Probleme kommt sie nicht daher. Denn mit jedem Tag bleiben den eigenen Digimon weniger Tage zum Leben. Das kann durch gute Behandlung verlängert, durch schlechte Behandlung verkürzt werden. Verbringt man zu viel Zeit im Trainigsraum, verliert man eben auch eine ganze Menge Zeit. Zudem ist jeder Tod extrem schmerzlich, denn während man in einer Sekunde noch Bosse in wenigen Sekunden vernichten konnte, muss man mitunter kurz danach schon wieder in den Trainigsraum, um überhaupt gegen schwache Gegner bestehen zu können. Das nervt mit der Zeit trotz Boni bei Wiederbelebung, und obwohl man später deutlich mehr Möglichkeiten erhält, das alles zu beschleunigen und sogar Digitationen zu erzwingen, könnte man einen besseren Spielfluss erzeugen.

Das wird dann übrigens auch im Balancing deutlich, das die Kämpfe zu einer Qual machen kann. Mitunter muss man nämlich wirklich zittern, ob die eigenen Monster die Kämpfe überstehen, obwohl die Gegner eigentlich nur Hindernisse auf dem Weg sind. Dann gibt es aber eben auch solche, die nach wenigen Sekunden vorbei sind, obwohl die Feinde den Spieler angreifen. Diese Eintönigkeit fällt gerade in den ersten Stunden extrem auf, wird aber auch später nicht ausgebessert.

Der Weg zum Digimon-Champion

Abseits des Trainings muss man sich natürlich auch um seine Digimon kümmern, diese also füttern, mit ihnen zur Toilette gehen oder schlafen. Dadurch entsteht eine echte Bindung, denn man kümmert sich um seine Begleiter und behandelt sie nicht nur wie Kämpfer. Dementsprechend muss man auch immer voraussorgen und planen wohin man geht, denn falls man keine Nahrung oder Toiletten dabei hat, wirkt sich das auf Digitationen sowie das Verhältnis von Zähmer und Digimon aus. Man spielt also tatsächlich mit den Digimon, und nutzt sie nicht nur. Die Pflege ist aber auch wichtig, denn es gibt nicht nur viele Nebenquests, sondern auch tägliche Aufgaben, bei denen man mit Punkten belohnt wird, die man gegen Items eintauschen kann. Verbindet man das noch mit einem Kolosseum sowie einem ganzen Haufen an Quests, die man erst nach dem Ende der Story angehen kann, erhält man ein riesiges Paket, das die tiefgehende Pflege der Digimon rechtfertigt. Nervig wird das nur, wenn die Digimon verletzt sind, man aber in den ersten Stunden weder Medizin noch Pflaster kaufen kann. Dann muss man auf ein Geschenk warten oder darauf hoffen, diese als Belohnung in Kämpfen zu erhalten.

Doch auch der Zähmer muss trainiert werden, was eigentlich immer geschieht. Egal ob man läuft, kämpft oder sich um seine Digimon kümmert, man erhält Erfahrungspunkte und steigt im Level auf. Mit den daraus erhaltenen Punkten kann man in vier Kategorien neue Fähigkeiten erwerben, um die Reinkarnationen aus den Eiern zu verbessern oder mehr Angriffe im Kampf zu ermöglichen. Das motiviert extrem, da man so wirklich etwas Beständiges hat, das sowohl die Handhabung in Kämpfen als auch beim Erkunden verbessert.

Passiv Aggressiv

Die Kämpfe sind auch komplett anders als zum Beispiel in „Digimon Stories: Cyber Sleuth“. Die Digimon kämpfen nämlich eigenständig, und man kann selber Taktiken bestimmen, wie sie agieren sollen. Doch auch hier wurde viel verbessert, denn mit bestimmten Punkten, die man erhält, wenn man im Kampf zur richtigen Zeit den Monstern zuruft, kann der Spieler selber Angriffe bestimmen, ohne dass die Gefährten MP verbrauchen. Das macht die Kämpfe deutlich aktiver und vielfältiger, denn man ist weniger passiv als zuvor. Natürlich muss man das System mögen, doch gerade im späteren Verlauf muss man abwägen, welche Fähigkeiten die Digimon nutzen sollen, was die Kämpfe spannend gestaltet. Man sollte sich also nicht vom Ersteindruck abschrecken lassen, sondern sich einarbeiten, um noch mehr und bessere Möglichkeiten zu erhalten.

Wer besonders stark sein will, kann entweder Kombinationsangriffe nutzen, bei denen beide Digimon bei einer bestimmen Anzahl an Punkten besonders starke Attacken nutzen, oder beide miteinander verschmelzen in sogenannten EXE Angriffen. Hier kommt dann ein neues, mächtiges Digimon zum Vorschein, das extrem viel Schaden anrichten kann. Den Spieler erwartet also das bekannte Kampfsystem, das eher passiv genutzt wird, jedoch mit vielen neuen Möglichkeiten einzugreifen, was allgemein zu weniger langweiligen Kämpfen führt.

Digitations-Chaos

Unnötig kompliziert sind leider die Digitationen. Man kann nämlich für eine lange Zeit nicht direkt bestimmen zu welchen Digimon die Begleiter werden. Das kann man nur dadurch beeinflussen, wie man sie trainiert und wie man sie behandelt. Mitunter muss man also ein schlechter Zähmer sein, um das Monster zu erhalten, das man möchte. Zwar erhält man die passenden Informationen im Laufe der Zeit, das dauert allerdings, weshalb man sich in den ersten Stunden entweder überraschen lässt, oder im Internet nachschaut. Das macht einmal mehr deutlich, dass sich der Titel eher an Fans richtet und Neueinsteiger überfordert werden dürften. Schlecht ist das System nicht, denn mit dem Fortschritt erlebt man richtig, wie man mit Vereinfachungen belohnt wird, optimal ist es allerdings auch nicht.

Eine liebevolle Welt

Die Welt selber ist durchaus gelungen. Man darf sich auf viele verschiedene Umgebungen freuen, die alle durch die digitale Welt einen eigenen Charme erhalten. Dabei gibt es mehrere einzelne Gebiete, die in sich aber durchaus groß sein können. Man läuft also herum, sammelt Materialien und Items und trifft auf wilde Monster, die lustigerweise nach dem Kampf weglaufen, was wirklich ein schönes Detail ist. Durch die Möglichkeiten wirkt die Welt durchaus lebendig, auch wenn sie etwas generisches an sich hat, da man meist nur von A nach B läuft und dabei leuchtende Punkte absucht. Interessanter sind da schon die freundlichen Digimon, die man bei Erfüllung der Quest in das Dorf Floatien schicken darf.

Damit wäre auch ein weiterer Kritikpunkt des Vorgängers beseitigt. Denn während man in „Digimon World RE: Digitize“ nur eine bereits fertige Stadt bevölkern durfte, baut diese sich wie im Original immer weiter auf, je mehr Digimon man für sich gewinnen kann. Diese schenken einem dann Items, verbessern Trainigseinheiten oder öffnen einige Läden. Ist der Platz anfangs begrenzt, wird das später größer und jedes Mal, wenn man zurückkehrt, erlebt man regelrecht mit, wie sich der Ort entwickelt. Das ist ein großer Anreiz alles zu erledigen, denn für jede Nebenquest wird man belohnt, sei es mit Informationen, Items oder komplett neuen Gebäuden. Damit ist die Gestaltung der Welt ein echtes Highlight und das Erkunden wohl einer der beiden zentralen Aspekte des Titels, neben den eigenen Digimon.

Problemzone 2: Erkundung

Im Endeffekt sind die größten Pluspunkte also das Erkunden sowie die Aufzucht der eigenen Digimon. Leider erweisen sich beide aber auch nicht als perfekt, was einem auf Dauer sehr auffällt. Allen voran wäre da das unglaublich langsame Lauftempo, das lange Strecken zur Qual macht. Zwar kann man auch aus Floatien zu den einzelnen Gebieten geflogen werden, das kostet aber. Vor allem langwierige Quests, in denen man bestimmte Items suchen muss, verlieren so schnell ihren Reiz. Allgemein ist das Quest-Design alles andere als kreativ und besteht meist aus der Itemsuche und Kämpfen. Zwar muss man sich sowieso auf eine gewisse Eintönigkeit gefasst machen, wenn man den Titel in Angriff nimmt, so werden aber auch die positiven Elemente heruntergezogen.

Ebenfalls störend können die eigenen Digimon sein. Die laufen nämlich um den Spieler herum und folgen ihm permanent, was erstmal wirklich schön ist. Wachsen sie jedoch in späteren Digitationen und fliegen zudem, füllen sie oftmals eine Hälfte des Bildschirmes aus und es wird schwierig, alles im Blick zu haben. Eine Möglichkeit, die Kamera weiter vom Spieler zu entfernen, hätte geholfen, fehlt allerdings. Auch wäre es schön gewesen direkt mit den eigenen Partnern zu sprechen, doch auch das kann man nicht. Die Zahl an möglichen Begleitern liegt zwar bei knapp über 200, doch ist das gar nicht so viel, bedenkt man die Vielfältigkeit der Digimon. Im Endeffekt gibt es also durchaus störende Elemente, doch keines davon ist so schwerwiegend, als dass es den kompletten Titel zerstören würde.

Technik

Bevor man ein malerisches Abenteuer erwartet, muss man sich bewusst werden, dass es sich hier um eine Portierung eines PlayStation Vita-Spieles handelt. Dementsprechend sieht das Spiel auch aus, denn obwohl die Auflösung hochgeschraubt wurde und vor allem die Farben intensiver sind, kann man sich vor den Texturen geradezu fürchten. Die sind matschig und detailarm, weshalb die Welt bei weitem nicht mit anderen PlayStation 4-Titeln vergleichbar ist. Allerdings sieht es auch nicht zu hässlich auf, und wer mit der Optik leben kann, wird sich schnell daran gewöhnen. Die Animationen sind zumindest liebevoll gestaltet, obwohl die Bildrate durchaus einbrechen kann, was etwas unverständlich ist, bedenkt man den Ursprung.

Besser ist da schon der Soundtrack, der wirklich tolle Nummern bereithält. Auch die englische Synchronisation weiß zu gefallen, und die deutschen Texte sind ebenfalls gut übersetzt. Die Steuerung ist intuitiv, die Menüs übersichtlich und bis auf kleinere Glitches in den Kämpfen können wir uns nicht über schwerwiegende Bugs beschweren. Zum Online-Modus können wir leider noch nicht viel sagen, da dieser zum Zeitpunkt des Tests nicht zur Verfügung stand.