Kann mir jemand die Begeisterung an Simulations-Spielen erklären? Damit meine ich nicht Lebenssimulationen wie „Die Sims“ oder Sportspiele wie „FIFA“, sondern Simulatoren vom Schlag „LKW Rangier Simulator“ oder den „Tankstellen Simulator“. Nun gut, wer es mag soll ruhig seine Zeit reinstecken. Spätestens der „Goat Simulator“ hat das Genre aber auf satirische und brillante Weise ad absurdum geführt. Der „Surgeon Simulator“ griff bereits in eine ähnliche Trickkiste und ist nun in der „Anniversary Edition“ für die PlayStation 4 erschienen.

Sicherlich keine Ausbildungsergänzung

Wer zum „Surgeon Simulator“ greift, soll bloß keine sich ernstnehmende Simulation erwarten. Das Spiel ist eine reine Parodie und wer hier eine sich um Realitätsnähe bemühende OP-Simulation erwartet, ist ordentlich auf den Leim gegangen. Halb so wild, denn genau deswegen kann man mit dem „Surgeon Simulator“ Spaß haben und wahrscheinlich mehr – so behaupte ich einfach mal ganz frech – als mit dem „Chirugie Simulator 2011“, den 3 von 5 Kunden für seine realistischen Operationsbedingungen loben und sogar als Ausbildungsergänzung empfehlen.

Belangloses mit Belang

Als Ausgangspunkt vor jeder OP dient der Schreibtisch im Büro des Chirurgen. Hier findet man eine Patientenakte und alle möglichen anderen Sachen. Was für Sachen? Sachen, die nun einmal auf Schreibtischen liegen. Und was haben Kaffeetassen, Bleistifte, Aktenordner und antiquierte Krankenhaus-Computer für einen Belang in diesem Review? Hier kommt der springende Punkt. Bereits das Hauptmenü von „Surgeon Simulator“ ist im Spiel verflochten und für sich eine kleine Herausforderung, in der man sich mit der hakelnden und undankbaren Steuerung vertraut machen kann. Schon mal versucht eine Hand und ihre Finger mit Hilfe eines Analogsticks und zwei Schultertasten zu steuern? Das braucht Übung und funktioniert streng genommen so gut wie Suppe mit einer Gabel zu löffeln, doch dazu später mehr.

Bereits am Schreibtisch gibt es für aufmerksame Augen schon einige witzige Details und Spielereien zu entdecken. Probiert doch beispielsweise mal aus, einen der Stifte in die Hand zu nehmen und etwas auf zu zeichnen, oder die Diskette im Rechner auszutauschen. Ein Blick noch auf die Patientenakte und schon kann es mit der ersten Operation losgehen: eine Herztransplantation. Nicht kleckern sondern klotzen. Warum bei null anfangen, wenn man direkt auf hundert beschleunigen kann? Ob Patient Bob und vor allem sein Herz das auch so sieht?

Von Matrix, deutschen OP-Sälen und LSD-Trips

Und da beginnt auch schon die OP. Auf dem Operationstisch liegt der narkotisierte Bob, bereits vorbereitet und fein säuberlich aufgetrennt. Wie man eine Herz-Transplantation durchführt? Keine Ahnung! Um Hilfe schreien nützt auch nichts. Wer soll denn auch unter die Arme greifen, schließlich ist man in dieser Simulation selbst der Chef Chirurg. Zahlreiche Werkzeuge stehen zur Auswahl, eins gefährlicher und unhandlicher als das andere und irgendwo dazwischen steht bereits das neue Herz bereit, das irgendwie nun in Bobs Brustkorb soll.

Es hilft alles nichts. Ein kurzer fachmännischer Blick auf die Lage und es steht fest: Die Knochensäge muss her. Absolut fachmännisch braucht es nur vier Anläufe bis die Säge gegriffen ist, während die Hälfte der anderen Utensilien vom Tisch flog. So wie die Säge nun in der Hand liegt, sieht es wie eine unangenehme Verrenkungsübung aus, aber so soll es zunächst erst einmal reichen. So vorsichtig wie möglich folgt der Versuch den Brustkorb zu öffnen. Die ersten Rippen brechen, doch dann der Schock. Der Patient verliert massig und zunehmend Blut. Scheinbar war die brachiale Säge doch nicht so gut geeignet wie gedacht. Als einzige Gegenmaßnahme auf dem schon gut abgeräumten Utensilien-Tisch fällt die blaue und grüne Spritze ins Auge. Erinnert ein wenig an eine Situation aus „Matrix“. Die Entscheidung fällt auf die grüne Spritze und nach drei fruchtlosen Versuchen nach ihr zu greifen, ramme ich die Spritze in die einzige freie Körperstelle, die ich ausmachen kann: Bobs Kopf. In Anbetracht von „Surgeon Simulator“ kam bei mir tatsächlich öfter die Frage auf, wie es wohl in deutschen OP-Sälen zugeht. Wer will das schließlich so genau wissen, wenn man den verrückten Ärzten narkotisiert und vollkommen wehrlos ausgeliefert ist? Zurück zu angenehmeren Dingen.

Der OP-Saal ist zwar nun blutrot getränkt, der halb zersägte Brustkorb ähnelt einer Szene aus einem Splatter-Film, doch wundersamer Weise hat die Blutung aufgehört und ich mache mich ran Platz zu schaffen und die Lungenflügel zu entfernen. Doch ein unachtsamer Moment und Griff in die Nadel der Spritze und plötzlich wirkt das Spiel wie auf einem LSD-Trip.

Wie? Was? Operation geschafft?!

Letztendlich musste Bob bestimmt mehr als zehn Mal auf dem Operationstisch liegen bleiben, bis er endlich mehr oder minder unversehrt sein neues Herz bekam. Auch wenn es zunächst nicht so aussah, ist es in „Surgeon Simulator“ tatsächlich möglich, Operationen durchzuführen und selten kam es in einem Spiel zu solchen abstrusen Situationen wie im Falle von „Surgeon Simulator“. Besonders unterhaltend ist es übrigens, wenn man im Coop-Modus an den OP-Tisch tritt. Hier steuert jeder Spieler eine Hand des Chirurgen und können sich tatkräftig gegenseitig unterstützen – oder unfassbar behindern. Selbst dann, wenn die Operation schon wieder scheitert, sorgt „Surgeon Simulator“ für Unterhaltung vom feinsten. Der unfassbare Schwierigkeitsgrad und die mehr als bescheidende Steuerung sind hier ein entscheidendes Mittel. Wer dies als Kritik am Spiel anführt, hat „Surgeon Simulator“ schlichtweg einfach nicht verstanden. Die Herztransplantation, bei der man Platz schaffen muss indem man alle anderen lebensnotwendigen Organe entfernt, ist übrigens nur die Spitze des Eisbergs: Im weiteren Verlauf muss man in der Schwerelosigkeit operieren.

Technik

In technischer Hinsicht gibt es nicht viel zu „Surgeon Simulator“ zu sagen: Es sieht durchschnittlich aus, läuft flüssig und fällt ansonsten nur durch etwas verlängerte Ladezeiten auf. Einzig auf die Musik hätte ich gerne verzichtet, die mich zur Weißglut brachte. Als würde das Spiel nicht ohnehin hier schon genug für sorgen.