Mittlerweile ist es schon fast eine Beleidigung, Spiele als Walking-Simulatoren zu bezeichnen. Im Grunde umfasst der Name Titel, in denen man meist in gemächlicher Geschwindigkeit eine Umgebung erkundet und somit die oft mysteriöse Geschichte nach und nach enthüllt. Genau das ist auch der Fall bei „Everybody’s Gone to the Rapture” von The Chinese Room, die nach „Dear Esther” wieder ein etwas anderes Erlebnis bieten wollen. Wir sind in das kleine britische Dorf Yaughton gereist und haben herausgefunden, wieso die Gemeinschaft verschwunden ist.

Wo ist jeder hin?

Ohne Ahnung, was passiert ist, startet der Spieler vor einem verschlossenen Observatorium und wird von einer Stimme aus dem Radio begrüßt. Diese sagt nur, dass man dem Licht folgen soll. Was aber genau passiert ist und wo die Bewohner von Yaughton hin sind, muss der Spieler in der Rolle des namen- und gesichtslosen Protagonisten alleine herausfinden. Im Verlauf wird man dann nach und nach von den Schicksale der einzelnen Figuren erfahren.

Starke Emotionen durch wenige Mittel

Wirklich viel mehr sollte man im Vorfeld auch nicht wissen, denn „Everybody’s Gone to the Rapture” lebt von seinem Mysterium und dem Drang, immer mehr von der Geschichte erfahren zu wollen. Man sollte aber etwas länger dran bleiben, denn erst mit dem Fortschritt, der durch die nonlineare Geschichte bei jedem anders sein wird, kommt etwas Schwung in die Sache. Erst wenn man sich in die Mechanik ein wenig eingefunden hat, bekommt man auch Spaß am Spiel. Selbst wenn die Bewohner des Dorfes nie richtig gezeigt werden, kommen durch die sehr gute Synchronisation, die teilweise einer Theateraufführung gleicht, sehr viele Emotionen auf und man fühlt sich mit den Akteuren verbunden. Es ist eine der ganz großen Stärken von The Chinese Room, mit nur wenigen Mitteln eine emotionale Bindung zu den Charakteren aufzubauen.

Wandern

Spielerisch bekommt man tatsächlich einen typischen Walking-Simulator geboten. Mit dem linken Analogstick bewegt man sich und mit dem rechten schaut man durch die Gegend. Dann kann man noch mit Objekten wie Türen, Radios, Telefonen und mehr interagieren oder, wie dann hoffentlich bald auch durch einen Patch im Spiel angezeigt wird, mit R2 einen Sprint nach und nach aufbauen. Die Geschwindigkeit nagt dann zwar immer noch etwas an der Grenze des Annehmbaren, jedoch ist es so definitiv angenehmer, als wenn man ohne Sprinten durch das Spiel geht.

Folge dem Licht

Ansonsten gibt es einige Möglichkeiten der Geschichte zu folgen. Entweder man irrt nichtsahnend durch die Umgebung und entdeckt nach und nach einige der Leuchtkugeln, oder man folgt dem Leuchten, das einen relativ linear zu den einzelnen Story-Fetzen bringt. Insgesamt gibt es vier Arten, etwas über das Verschwinden der Bewohner herauszufinden. Entweder man findet Radios, Telefone, zufällige Geschichten der Lichtgestalten oder die versteckten Leuchtkugeln, die man auch zu sehen bekommt, wenn man dem Leuchten folgt. Die letztgenannten machen zudem Gebrauch von der Bewegungssteuerung, sodass man den Controller entweder nach links oder nach rechts neigen muss. Schon nach kurzer Zeit macht sich jedoch ein wenig Routine breit. Man kommt in einen größeren Ort, folgt dem Leuchten, lauscht den Dialogen der Dorfbewohner und lüftet immer etwas mehr von dem Mysterium. Aber trotzdem macht es auf irgendeine Art Spaß, auch wenn es nicht der aufregendste Titel auf der PlayStation 4 ist.

Bedrückend und begeisternd zugleich

Dieser erwähnte Spaß kommt vor allem durch die Atmosphäre zustande. Auch wenn die ganze Umgebung sehr bunt und idyllisch aussieht, bekommt man durch die Geschichte ein bedrückendes Gefühl, teilweise kommt sogar etwas Grusel auf. Jede Ecke der Landschaft sieht wunderschön aus und man möchte direkt einen Urlaub nach Yaughton buchen. Die bedrückende Atmosphäre wird verstärt durch einen Soundtrack mit einem Chor-Gesang, der unter die Haut geht. In einigen Szenen, die wir hier natürlich nicht näher benennen wollen, kommen dann besonders starke Emotionen durch das Geschehene auf. Grafisch wird „Everybody’s Gone to the Rapture” von der CryEngine 3 angefeuert, die eine extrem hochwertige Optik mit wunderschönen Partikel- und Leuchteffekten erzeugt. Zwar sieht dadurch das Spiel immer sehr hübsch aus, ruckelt aber auch sehr stark und läuft nur selten wirklich flüssig. Jedoch kann man diesen Makel leicht übersehen, da die Spielgeschwindigkeit sowieso nicht entscheidend ist und man trotz Ruckler die Atmosphäre ungeschränkt genießen kann.