Vor einigen Jahren kam man für eine Party mit Videospielen kaum um „Guitar Hero”, „Rock Band” und Co. herum. Mittlerweile sind die Instrumente eingestaubt und haben seit einigen Jahren nur in der Ecke herumgestanden. Nachdem Harmonix ihre Reihe mit relativ wenigen Innovationen Anfang Oktober auf die neuen Konsolen gebracht hat, geht Activision mit „Guitar Hero Live” einen noch nicht erforschten Weg. Wir haben die Gitarre umgeschnallt, die Finger um den Hals gelegt und stundenlang den Gitarren-Helden in uns erweckt. Wie wir uns dabei geschlagen haben, lest ihr in der folgenden Review.

Farben adé

Das aller Erste was auffällt, wenn man den Karton des Spiels öffnet, ist die neue Gitarre. Anstatt fünf bunte Tasten bekommt man hier zwei mal drei schwarze beziehungsweise weiße Tasten. Der Clou ist, dass man diese nur noch durch das nach vorne und hinten Bewegen des Zeige-, Mittel- und Ringfingers zwischen den Tasten betätigt. Zusätzlich können auch beide Tasten gleichzeitig gedrückt werden, wodurch man essentiell neun verschiedene Knöpfe anstatt nur fünf wie früher hat. Aber dadurch, dass man nicht mehr am Gitarrenhals entlang gleiten muss, werden Neueinsteiger in der Reihe sich schneller an höhere Stufen wagen können. Veteranen, die vielleicht sogar vor kurzem erst noch einen anderen Plastikinstrument-Titel gespielt haben, werden mit der Umstellung am Anfang etwas mehr zu kämpfen haben, aber für die meisten sollte es nach kurzer Zeit möglich sein, auf der gewünschten Stufe spielen zu können. Insgesamt ist schon die Gitarre an sich ein wichtiger Schritt, um der Reihe neues Leben einzuhauchen. Es spielt sich dadurch einfach noch einmal etwas frischer und grenzt sich auch mehr von der Konkurrenz ab. Aber, da bei diesem Spiel der Fokus komplett auf der Gitarre lag, werden andere Instrumente bis auf die Möglichkeit, per Headset oder USB-Mikrofon zu singen, nicht unterstützt. Irgendwo muss ja noch Platz für Innovationen sein.

Karriere in Video-Form

Die zweite große Innovation ist der Live-Modus, der die Karriere ersetzt. Vorbei sind die Zeiten, in denen man mit einer fiktiven Band die Karriere-Leiter hoch geklettert ist. Jetzt soll man sich sofort wie ein Gitarren-Held fühlen und mitten im Geschehen aus der First-Person ein abgefilmtes Publikum samt realer Band unterhalten. Dabei gibt es bei jedem Song zwei Versionen: Eine, wenn man gut spielt und eine, wenn man schlecht ist. Während der ersten Version sind die Mitglieder und das Publikum zumeist sehr euphorisch, headbangen und gröhlen die Texte mit. Hat man aber einige Zeit lang versaut, dann werden schon einmal Toilettenpapier sowie Plastikbecher nach einem geschmissen. Dadurch ergibt sich ein ganz nett anzusehender Gig, der natürlich auch Lippensynchron ist und für eine ordentliche Atmosphäre sorgt. Insgesamt sehen die Clips vor allem bei schnellen Schwenks der Kamera aber doch arg künstlich aus, wodurch das gewünschte Gefühl der Authenzität immer wieder gebrochen wird.

Nicht ganz rund

Insgesamt ist der Live-Modus eher ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ist die Präsentation, abgesehen von den sehr gekünstelten Situationen, gelungen und kann zeitweise mitreißen. Aber am Ende des Tages bringt der Live-Modus keinerlei spielerischen Mehrwert mit sich und ein richtiger Karriere-Modus wird, unter anderem auch durch die sehr kurze Spielzeit von knapp vier Stunden, nicht ersetzt. Man hat keinen wirklichen Bezug zu den anderen Teammitgliedern, die nach drei Songs immer wieder wechseln. Dadurch ist es einem total egal, ob da nun eine Frau singt oder ein Mann das Schlagzeug spielt. Zusätzlich sind die knapp 40 Songs eher so ausgewählt, dass es realistisch wäre, wenn sie jetzt auf einem aktuellen Konzert gespielt werden. Richtige Klassiker sind die Ausnahme und viele der verfügbaren Lieder sind eher Radio-Hits.

Ein spielbares MTV

Aus diesem Grund liegt die Hoffnung auch auf der dritten und letzten Innovation: „Guitar Hero TV”. Nach dem eher enttäuschenden Live-Modus bekommt man hier wirklich alles geboten, was man für einen guten Abend braucht. Über 200 Songs stehen bereit, die entweder auf Abruf oder zufällig in Wiedergabenlisten gespielt werden können, die in verschiedenen Genres unterteilt auf den Kanälen laufen. Dafür hat Activision ein spielbares Musiknetzwerk bestehend aus derzeit zwei Kanälen erstellt, das schon bald durch einen dritten erweitert wird. Auf diesen laufen ununterbrochen die verschiedenen Songs und man kann einfach rein springen wann man will. Wenn man dann aber doch mal einen bestimmten Song spielen möchte, dann muss man einen sogenannten Play ausgeben. Dies ist einer der drei digitalen Währungen, die man in Guitar Hero Live findet. Mit Münzen, die man für das Spielen von Songs bekommt, kann man sich neue Highways, Icons, Gitarren-Upgrades und eben auch Plays kaufen. Die Rate in denen man Münzen bekommt ist aber relativ hoch, wodurch man in kurzer Zeit die gewünschte Anzahl hat. Wem das alles zu lästig ist, der kauft sich Hero-Punkte mit echtem Geld. Mit diesen kann man sich auch Plays kaufen oder direkten Zugriff auf „Guitar Hero TV Premium”-Shows.

Premium Shows und faire Mikrotransaktionen

Diese Premium Shows sind zeitbegrenzte Events, in denen man eine Setliste aus mehreren Songs spielen kann, die allesamt noch nicht normal spielbar sind und am Ende bekommt man für einen erfolgreichen Abschluss verschiedene Boni für XP oder Geld sowie auch Highways oder Icons. Zum Anfang sind in den Premium Shows zum Beispiel Titel von Avenged Sevenfold, Queen, Disturbed und mehr vertreten. Wer kein Geld ausgeben möchte, der muss einfach nur im Event-Zeitraum bestimmte Ziele erreichen. Bisher waren diese stets drei bestimmte Songs auf irgendeiner Stufe mit drei Sternen zu schaffen. Wahrscheinlich werden die Aufgaben mit der Zeit aber auch noch etwas schwerer. Insgesamt ist „GHTV” aber das Herzstück von „Guitar Hero Live” und definitiv der große Zeitfresser. So gut wie jedes Genre wird mit mehreren Songs abgedeckt. Das einzig negative an der Trackliste ist, dass zwar viele Bands vertreten sind aber bei vielen fehlen die wirklich ganz großen Klassiker. Wenn Activision hier aber mit einem konstanten Tempo nachlegt, dann steht auch der Langzeitmotivation nichts mehr im Weg. Zusätzlich sind auch die angebotenen Mikrotransaktionen allesamt fair und komplett optional. Man bekommt niemals das Gefühl, dass man echtes Geld ausgeben muss.

Für jeden was dabei

„Guitar Hero” war grafisch noch nie wirklich atemberaubend. Beim neuesten Teil werden sogar nur Videos abgespielt, was vielleicht für die Konsole nicht aufwendig ist, aber gepaart mit den sehr gut durchgestylten Menüs überzeugen kann. Zum Soundtrack muss nicht mehr allzu viel gesagt werden: Im Live-Modus sind eher die Chart-Reiter anzutreffen, die wahrscheinlich nur wenige vom Hocker hauen werden, aber bei „GHTV” hingegen wird dann aus der kompletten Welt der Musik geschöpft und kaum jemand wird nicht wenigstens mehrere Songs finden, die einem gefallen werden.