Die PlayStation und Rennspiele – das war schon immer eine besondere Liebesgeschichte. Besonders die „Gran Turismo“-Serie zementierte den Ruf der Konsolenmarke als trautes Heim derjenigen, die ihren Bleifuß auf digitalen Strecken wüten lassen. Nun lässt der nächste Ableger aus dem Hause „Polyphony Digital“, rund dem Serienschöpfer Kazunori Yamauchi, den eigenen Rennstall noch einige Zeit auf sich warten. Ohnehin dem ein oder anderen Motorsportenthusiasten zu „arcadig“, zu simpel, zu einfach, zu unrealistisch. Stattdessen drehen virtuelle Motorsportprofis auf Sonys aktueller Heimkonsole vor allem in „Project CARS“ ihre Runden. Doch Konkurrenz belebt bekanntlich auch das Motorsportgeschäft. Da kommt der PC-Durchstarter „Assetto Corsa“ mit seinem ersten Rennen auf Konsolenterrain genau richtig, um sich als mögliche Alternative zu präsentieren und sich einen Namen im Fahrerfeld zu machen. Mit im Gepäckraum: knallhartes, realistisches Fahrvernügen. So zumindest die Prämisse. Ob dem italienischen Entwicklerstudio „Kunos Simulazioni“, angeführt vom Produzenten Marco Massarutto, mit seinem Konsolendebüt die Poleposition im Rennzirkus der PlayStation 4 beschieden ist oder man doch nur der Konkurrenz hinterhertuckert, erfahrt ihr in unserer Review.

Wir machen jetzt Karriere!

Einer der wichtigsten Modi in fast jedem Rennspiel ist der Karrieremodus. Der Spieler fängt klein an, fährt zunächst wenig imposante Automodelle, ehe er stetig die Karriereleiter emporklettert, um sich mit den besten Fahrern in den spannendsten Maschinen auf den anspruchsvollsten Strecken zu messen. An dieser Grundformel hat sich auch bei „Assetto Corsa“ nichts verändert. Man wird zwar „gezwungen“, regelmäßig unterschiedliche Modelle zu fahren, aber wirklich neues und erfrischendes bietet der Karrieremodus nicht. Ganz im Gegenteil: Wo Spiele wie „Forza Motorsport 6“, „Project CARS“ und „F1 2016“ mit einer hochpolierten und hübsch gestalten Präsentation aufwarten, merkt man „Assetto Corsa“ die beschränkten Ressourcen von Entwickler „Kunos Simulazioni“ an. Das User Interface ist ein gutes Beispiel dafür, wie man ein langweiliges und unintuitives Menü gestaltet.Dabei sorgt gerade die richtige Gestaltung kleinerer Aspekte für eine frische Gestaltung des oft monotonen Rundenfahrens in Rennspielen.

Ferner fehlt im Karrieremodus auch das „big picture“, in Form einer renntagähnlichen Umgebung, dadurch leidet etwas die Atmosphäre.Wirklich motivierend ist der Karrieremodus auch nicht, schließlich stehen alle Fahrzeuge von Anfang an dem Spieler zur Verfügung und müssen nicht extra freigeschaltet werden.Für Rennsimulations-Neulinge könnten außerdem die Anforderungen und die Lernkurve etwas zu stark variieren, während man sich immer stärkeren Automobilen hingibt, je weiter man in der Karriereleiter emporsteigt. Notfalls kann man aber auch am Schwierigkeitsgrad herumdoktern, um sich das Leben auf der Rennpiste etwas einfacher zu machen. Abseits des Karrieremodus gibt es die üblichen Spielmodi wie „Schnelle Rennen“, „Drift“ oder „Spezial Events“. Pflichtaufgabe in dieser Hinsicht bestanden, wenn auch nicht zwingend mit Bravour. Für Hardcore-Fans des Rennsports mag das vielleicht zurecht unnötiger Schnickschnack sein, andererseits sorgt eigentlich auch die zeitgemäße Darstellung des Drumherums des Motorsports für ein möglichst authentisches Gefühl. Aber für Freunde der etwas weniger ernsten Rennunterhaltung dürfte die nüchterne und spartanische Präsentation keine Bonuspunkte im Rennen um das Geld der Brieftasche sammeln.

Der Rennzirkus im Internet

Im Onlinemodus hatte man rund um den Veröffentlichung einige Probleme, mittlerweile funktioniert das System aber einigermaßen. Man spielt auf dezidierten Servern und kann sich anhand von Kriterien ,wie Strecke oder Fahrzeuge, sein bevorzugtes Event heraussuchen. Natürlich hängt der Spielspaß nicht zuletzt von den Mitfahrern ab – nehmen sie das Rennen entsprechend ernst, kann es zu sehr vielen spaßigen Stunden kommen. Wie in jedem anderen Rennspiel gibt es aber auch Leute, die ihren Spaß daraus ziehen, anderen Leuten ihren Spaß zu verderben, in dem sie z.B. absichtliche Crashs provozieren. Während wir jedoch im Onlinemodus unterwegs waren, sind uns jedoch keine Spielverderber über den Weg gekommen. Dementsprechend ist der Onlinemodus, gerade in Hinblick auf die Versäumnisse im Karrieremodus, einer der Orte, an dem man sich am besten seine Portion Fahrvergnügen abholen kann. Im Onlinemodus können bis zu 16 Fahrer gleichzeitig die Reifen ordentlich glühen lassen. Allerdings bleibt zu hoffen, dass die Community des Spiels, aufgrund der Tatsache, dass es doch ein eher spezielles Spiel ist, nicht allzu schnell wegbröselt.

Die Freude am Fahren

Nun kommen wir zur Königsdisziplin, dem eigentlichen Fleisch des Spiels, dem Gameplay. Eins vorweg: Das Entwicklerstudio hat es überraschend gut geschafft, die Steuerung der PC-Version für den Controller zu adaptieren. Nichtsdestotrotz, ein wirklich authentisches Erlebnis gibt es nur mit einem guten Lenkrad. Die Entwickler vermeiden nicht umsonst das Wort „Spiel“, sondern sprechen eher von einer „Simulation“. „Assetto Corsa“ hat und wird einiges an den Deckel bekommen für die zahlreichen Versäumnisse im Spiel. Aber hier haben die Jungs von „Kunos Simulazioni“ Gottes Werk verrichtet und machen wieder einiges von dem gut, was man an anderer Stelle verzapft. Uns fällt kein Spiel ein, in dem das eigentlich Renngefühl so authentisch umgesetzt wurde und in dem sich die Automobile wirklich dermaßen unterschiedlich anfühlen, wie hier. Wer schon das Vergnügen hatte das ein oder andere Auto aus der Liste bereits im echten Leben gefahren haben zu dürften, kann es bestätigen. Vom Bremsverhalten und der Beschleunigung über die Reifenhaftung bis zum Handling – das Spiel hat sich den Titel „Simulation“ redlich verdient, der Hang zu Details und Perfektion ist in dieser Hinsicht geradezu atemberaubend. Fehler und Übermut werden erbarmungslos bestraft, das Feedback, dass man erhält wenn man beispielsweise von der Strecke abgekommen ist, ist wunderbar. Außerdem laden die zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten dazu ein unterschiedliche Settings für die einzelnen Fahrzeuge zu probieren. Selbst vermeintlich „simple“ Sachen, wie das Ausschalten des ABS oder der Antriebsschlupfregelung, können große Unterschiede machen. Durch die unterschiedliche Komplexität der einzelnen Fahrzeuge kann man sich hier wunderbar in die Thematik verbeißen und stundenlang üben, um stetig besser zu werden und auch die wildesten Boliden souverän fahren zu können. Mit einem großen Fernsehgerät, tollen Boxen, einem guten Lenkrad und einer ordentlichen Menge Benzin im Blut, kann das Fahrvergnügen geradezu süchtig machen. Aus der Cockpit-Perspektive wurde das Geschwindigkeitsgefühl so toll reproduziert, dass jede Beschleunigung mit einem Auto wie dem „McLaren P1“ ein Lächeln in das Gesicht des Fahrers zaubert. Soundtechnisch gibt sich „Assetto Corsa“ auf der Strecke keine Blöße: Der Motorensound dröhnt durch die Anlage, das Quietschen der Bremsen beißt sich in den Gehörgang, das Geräusch von Metall auf Metall lässt einen bei den ersten Malen leicht zusammenzucken.

Eiskalte Konkurrenz

Mit Hinblick auf die künstliche Intelligenz müssen wir unsere Lobeshymnen leider wieder abrupt unterbrechen. Die Gestaltung des Verhaltens der künstlichen Mitfahrer, lässt leider an manchen Stellen deutlich zu wünschen übrig. Nicht selten ignorieren die Computer-Gegner einfachste Renngepflogenheiten. Dementsprechend kann es schon mal vorkommen, dass man aus keiner Bedrängnis heraus eiskalt gegen die Bande gestoßen wird und die Kontrolle über das Fahrzeug verliert. Das ist ärgerlich und muss meist mit einem Neustart quittiert werden, wenn man sich nicht die entsprechende Medaillenjagd aus dem Kopf schlagen will. „Eiskalt“ trifft auch das sonstige Verhalten eurer „Rennkollegen“ ganz gut: Fehler sind rar gesät und bei den richtigen Einstellungen, wird man einen ständigen Druck und den heißen Atem der Konkurrenz im Nacken verspüren. Von diversen rüpelhaften Manövern des computergesteuerten Fahrerfelds abgesehen, macht der fordernde Schwierigkeitsgrad öfter Lust darauf gegen die Computer-Gegner zu spielen.

Manchmal ist mehr einfach mehr

Ein wichtiger Bestandteil jedes Rennspiels, ist die Auswahl an Automobilen sowie Strecken. In der ersten Kategorie stehen knapp über 90 Vehikel für euch fahrbereit zur Auswahl. Die Zahl klingt nicht überragend, ist aber in Ordnung, da genug Abwechslung innerhalb dieser Auswahl geliefert wird. Den Bärenanteil liefern europäische Automarken, aber auch Freunde der japanischen Automobilkunst oder Autos aus den Vereinigten Staaten werden sicher fündig. Von Alfa Romeo, „Ford“ und „Abarth“ über „BMW“, „Mercedes“ und „Audi“ bis hin zu „Ferrari“, „Pagani“, „Lamborghini“ und „Compagnie", ist vieles vertreten was Rang und Namen hat. Je nach eigenen Fertigkeiten fängt man mit beginnerfreundlichen Automobilen an oder kann sich direkt hinter das Lenkrad von stärker motorisierten Autos, wie dem „Ferrari LaFerrari“, setzen und sein Glück versuchen. Die Auswahl geht also, gerade im Hinblick darauf, dass es der Einstand der Serie ist und das im Laufe der Zeit weitere Fahrzeuge hinzugefügt werden, in Ordnung.

Leider können wir das so nicht wirklich von der Situation mit Hinblick auf die Strecken behaupten. Es stehen etwas knapp über zehn Strecken in insgesamt 26 Variationen zur Auswahl. Zwar sind einige wichtige Strecken wie der „Nürburgring“, „Silverstone“ oder auch „Catelunya“ vertreten, trotzdem hätte es gerne etwas mehr sein dürfen. Der Mangel an weiteren Strecken wiegt umso mehr, als dass es keine Nachtrennen, sowie kein dynamisches Wettersystem gibt. Eigentlich eine Todessünde für ein Spiel, das den Rennsport möglichst akkurat abbilden will. Pluspunkte sammelt das Spiel dafür in Hinblick auf Präzision, Strecken wurden für möglichst hohe Genauigkeit laservermessen.

Technik

Wer die imposante Optik der PC-Version von „Assetto Corsa“ kennt, hat hoffentlich seine Erwartungen in Bezug zu der PlayStation 4-Version zurückgeschraubt. Schließlich kann man von einer PlayStation 4 nicht die brachiale Grafikpower erwarten, die hochgezüchtete Gaming-PCs an den Tag legen. Nichtsdestotrotz wirkt das Spiel etwas, als wäre es in Hinblick auf die Optik ein wenig hinter dem Möglichen zurückgeblieben. Besonders die triste Umgebung während der Rennen ist uns negativ aufgefallen und wirken fast schon wie ein Relikt aus PlayStation 3-Zeiten, dass sich einfach nicht verabschieden will. Die Fahrzeugmodelle sind dafür in Ordnung, allerdings kann man mit „in Ordnung“ nicht wirklich zufrieden sein, wenn man den Anspruch eines „Assetto Corsa“ hat. Schließlich zielt der Edelracer auf automobil- und motorsportaffine Hobbyracer ab, da muss die Optik eigentlich möglichst überzeugen. Überzeugt hat der Titel dafür mit den detaillierten und hübsch anzusehenden Interiors der Autos. Etwas enttäuscht sind wir aber vom Schadensmodell. Selbst bei spektakulären Unfällen bleiben die Automobile doch deutlich hübscher und besser zurück, als man es von einem realistischen Schadensmodell erwarten würde. Abseits davon kämpft die PlayStation 4-Version der Rennsimulation manchmal mit der Technik. Gerade, wenn „viel Verkehr“ ist oder bei Kollisionen mit anderen Fahrzeugen, kann die FPS-Zahl einen spürbaren Schwund erleben. Erschwerend kommt hinzu, dass man mit Tearing zu kämpfen hat. Das ist zwar ärgerlich, aber lässt sich meist gut verkraften.