Wir schreiben das Jahr 2010. Vor einem Jahr hat Capcom „Resident Evil“ auf Action-Pfade geschickt, während vor zwei Jahren „Dead Space“ das Horror-Genre aus der mittelmäßigen Versenkung geholt hat, indem es die Atmosphäre mit Action verbunden hat. Schaut man sich heute die Auswahl an Horror-Titeln an, kann man sich das schlecht vorstellen, denn man wird geradezu überflutet. Zwar gab es auch vor 2010 durchaus einige gute, kleine und große Projekte, doch ein Spiel sollte das Genre wieder massentauglich machen und einen regelrechten Hype auslösen. Man könnte Seiten damit füllen, wie wichtig „Amnesia: The Dark Descent“ für das Genre war, auch wenn es von „Penumbra“ und „Call of Cthulhu“ inspiriert wurde. Doch mit der Veröffentlichung von „Amnesia: Collection“ eröffnet sich eine neue Frage: Wie gut sind die Spiele eigentlich heute noch? Wir haben uns in die drei Abenteuer gewagt und versucht, die Frage zu beantworten.

Eine Reise ins Ungewisse

Bevor wir zu den einzelnen Titeln kommen, sollte einem erst klar werden, was „Amnesia“ überhaupt ist. Die Horror-Reihe wird aus der ersten Person heraus gespielt und befördert den Spieler in dunkle Räume, die vor Atmosphäre nur so strotzen. Ein Augenmerkt der Reihe ist dabei vor allem die Gestaltung, denn durch intelligent eingesetzte Lichtquellen sowie die Gestaltung der Räume hat der Spieler immer Bauchschmerzen, wenn es um eine Ecke geht. Dabei steht die Geschichte immer im Zentrum, und ist alles andere als leicht verdaulich. Das Spiel scheut sich nicht davor, harte Themen anzusprechen und mit brutalen Twists die Spieler aus den Socken zu hauen.

Neben der Geschichte und der Atmosphäre ist auch das Gameplay wichtig. Denn meist läuft man durch die Ortschaften, um Rätsel zu lösen. Dabei müssen zwar oft Objekte von A nach B gebracht werden, doch wie sie kombiniert werden und wozu sie dienen, darf der Spieler selber herausfinden. Der Schwierigkeitsgrad ist stets angenehm, denn kaum ein Rätsel wird einen verzweifeln lassen, doch man muss schon überlegen, um auf die Lösung zu kommen. Den besonderen Faktor machen aber die Monster aus, gegen die man nicht kämpfen kann, sondern vor ihnen weglaufen muss. Dieser Mix ist die Basis für alle Spiele, die daraus jedoch jeweils eine ganz eigene Erfahrung machen.

Amnesia: The Dark Descent

Das Spiel, das den Grundstein für das moderne Horror-Genre festigte, beginnt in einer nicht gerade einladenden Burg. Der Spieler übernimmt die Rolle von Daniel, der sein Gedächtnis verloren hat und weder weiß, wo er sich befindet, noch wer er überhaupt ist. Im Laufe des Spieles offenbart sich eine der spannendsten Geschichte überhaupt, die dezent durch Notizen und Flashbacks erzählt wird. Dabei wurde der Amnesie-Plot perfekt umgesetzt, und der Spieler weiß eigentlich fast immer nur so viel, wie Daniel selber. Besonders die Enthüllungen im Verlauf sind so dermaßen spannend, dass man nach knapp 7 Stunden das Gefühl hat, aus einer der düstersten Welten entkommen zu sein.

Das Gameplay ist eine perfekte Mischung. Während die Rätsel allesamt gut designed sind und einen durch das Schloss laufen lassen, machen die Monster den Titel zu einem der gruseligsten Spiele aller Zeiten. Man öffnet Türen durch richtige Bewegungen, versteckt sich und achtet dabei auf Licht und Schatten. Besonders das Bewusstsein spielt hier eine Rolle, denn wenn Daniel etwas Unheimliches hört, Gegner trifft oder anderen unerklärlichen Dingen ausgesetzt ist, wird er langsam Wahnsinnig. Dadurch sieht in normalen Gängen Blut, seine Sicht verändert sich und weitere Sachen, die wir an dieser Stelle nicht verraten wollen, schließlich soll der Spieler sie selber entdecken. Das Licht spielt hier eine wichtige Bedeutung, denn in der Nähe einer Lichtquelle behält er seinen Verstand, ist jedoch auch für Gegner besser zu sehen. Im Dunkeln kann er sich verstecken, doch sein psychischer Zustand wird dann noch schneller schlechter. All diese Mechaniken werden nie langweilig und erzeugen eine Spannung, die man als Genre-Fan unbedingt erlebt haben muss. Nicht ohne Grund wird das Spiel bis heute von vielen als das Gruseligste aller Zeiten beschrieben.

Amnesia: Justine

„Amnesia: Justine“ ist keine vollständige Fortsetzung, sondern nur eine Erweiterung. Das macht sich auch in der Spielzeit bemerkbar, denn je nach Spielweise dauert das kleine Abenteuer bis zu einer Stunde, und man kann nicht speichern. In der Erweiterung steht die titelgebende Justine im Fokus, die ebenfalls ohne Erinnerungen aufwacht. Jedoch muss sie schwierige Entscheidungen treffen, denn in drei Räumen darf der Spieler entscheiden, ob andere Charaktere sterben sollen oder man doch lieber kniffelige Rätsel löst, die aber im eigenen Tod enden könnten.

Man sollte das Beiwerk sicherlich nicht außer Acht lassen, denn trotz der kurzen länge wird auch hier eine tolle Atmosphäre geboten. Man darf sich das Ganze als kleines „Amnesia“ vorstellen, doch die Feinde und Rätsel werden durch wichtige Entscheidungen ergänzt, die das Ende der Geschichte bestimmen. Zudem sind die Rätsel besonders gefährlich, sodass einem durchaus eine Herausforderung geboten wird. Wer mit dem Hauptspiel fertig ist, wird hier sicherlich glüchlich.

Amnesia: A Machine for Pigs

Den letzten Titel im Paket darf man als indirekten Nachfolger beschreiben, denn er erzählt eine eigene Geschichte, ist trotzdem ein komplettes Spiel mit ungefähr sechs Stunden Spiellänge. Zudem wurde das Spiel nicht alleine von Frictional Games, sondern hauptsächlich von The Chinese Room entwickelt, die vorher mit „Dear Esther“ und später mit „Everybody’s Gone to the Rapture“ Erfolge feierten. Diesmal ist Oswald Mandus derjenige, der Teile seines Gedächtnisses verloren hat. Doch schon bald wird klar, dass seine Kinder entführt wurden, weshalb er nicht nur doch Londoner Gassen läuft, sondern auch in einem riesigen Schlachthaus, die sogenannte Maschine, mit der Zeit kämpft. Denn während er seine Kinder erreichen muss und von einem mysteriösen Mann scheinbar geführt wird, drohen die Kleinen zu ertrinken. Was das mit den Schweinen zu tun hat, stellt sich mehr oder weniger im Verlauf des Abenteuers heraus.

Was das Gameplay angeht, spielt sich „Amnesia: A Machine for Pigs“ durchaus anders als seine Vorgänger. Es gibt nämlich kein Inventar mehr, was allerdings nicht zu schlimm ist, denn allzu lange Laufwege hat man nicht mehr, was zu insgesamt leichteren Rätseln führt, die sich nicht mehr ganz so perfekt in die Welt einfügen. Auch die Öllampe muss nicht mehr aufgefüllt werden, und auch um den Wahnsinn braucht man sich keine Sorgen mehr machen. Diese Änderungen passen aber zum Spiel, denn hier wurde der Fokus auf eine ganz besondere Art von Horror gelegt. Die gewohnt fantastisch-atmosphärischen Einlagen treten nun häufiger auf, was zu spektakulären Szenen führt. Das Spiel baut Spannung auf, lässt diese fallen und wenige Sekunden später treibt es den Horror auf die Spitze. Zwar fühlt sich deshalb alles mehr nach einem Walking Simulator an, doch die wenigen Gegner sind perfekt in Szene gesetzt und der Horror nun deutlich psychologischer und weniger direkt. Es ist ein Kontrast zum ersten Teil, und doch fühlt es sich wie eine natürliche Entwicklung an. Nur über das Ende darf man durchaus streiten.

Technik

So gut die Spiele auch sind, man merkt allen das Alter an, vor allem grafisch. Die Texturen sind verwaschen und blass, es gibt viele Kanten und im Vergleich mit aktuellen Titeln hat „Amnesia: Collection“ nicht den Hauch einer Chance. Und dennoch ist das Paket nicht hässlich, denn dank gelungener Lichteffekte sowie einer unglaublichen Atmosphäre vergisst man schnell das Alter und ist wieder gebannt von der Welt. Die stabile Bildrate rettet hier eine Menge. Doch es ist die Soundkulisse, die in genau den richtigen Momenten bombastisch abliefert, und in „Amnesia: The Dark Descent“ sogar Teil der Spielmechanik ist. Noch immer sind die Geräusche, der Soundtrack und die Effekte absolut perfekt.