Tennis ist gegenwärtig kein Sport, der sich ordentlich in der Videospielwelt repräsentiert sieht. Die Grand Slam Siege von Steffi Graf und Boris Becker, die den Sport zum Massenphänomen erhoben liegen lange in der Vergangenheit und der Sport um den grünen Filzball musste lange auf eine digitale Adaption warten. Nun hat Entwickler Big Ant laut eigener Aussage mit „AO International Tennis“ die fortgeschrittenste Tennissimulation auf den Markt gebracht. Ob sich der Ausflug zu den Australian Open lohnt oder es sich lediglich um einen Abstecher auf einen heruntergekommenen Rasenplatz handelt, klären wir in unserem Review.

Einen Spieler nach Wunsch

Als Lizenzprodukt der Australian Open kann „AO International Tennis“ mit einigen namhaften Profispielern aufwarten. Angelique Kerber oder Rafael Nadal haben es in die virtuelle Welt geschafft und wurden lebensnah nachgebildet. Stadien, wie der Melbourne Park finden sich ebenfalls im Spiel. Allerdings konnten aufgrund der vergebenen Lizenzen nicht alle bekannten Spieler und Stadien der Tenniswelt übernommen wurden. Diese Lücke wird von dem gigantischen Editor aufgefangen. Über das Feature PlayFace können eigene Fotos hochgeladen werden, die die Software in ein Ingame-Abbild umwandelt. Allerdings muss dieses Feature umständlich über die PC-Demo Version eingespeist werden, um zum Download auf der Konsole verarbeitet zu werden. Geht man diesen Umweg, produziert die Software glaubhafte digitale Abbilder. Auch ohne dieses Feature bietet AO International Tennis einen mächtigen Editor, der zahlreiche Möglichkeiten bietet seinen eigenen Spieler zu erstellen. Nicht nur Spieler, sondern auch die Stadien und Plätze können im Editor den eigenen Wünschen angepasst werden. Löblich ist hervorzuheben, dass die erstellen Inhalte mit der Community geteilt werden können und über das Spiel zum Download angeboten werden. 

Auf dem Weg zum Golden Slam

Nach der Zusammenstellung eines Spielers stellt das Spiel verschiedenen Spielmodi zur Verfügung. In den Modi Australian Opens und Turnier kann im Einzel oder lokalen Mehrspieler in einem typischen Tunierbaum um den Sieg gespielt werden. Daneben steht natürlich auch ein Onlinemodus mit integrierter Rangliste auf der Haben-Seite. Die Matches bieten zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten, sodass vielfältige Rahmenbedingungen für das Match eingestellt werden können. Als letzes bietet „AO International Tennis“ selbstverständlich einen freien Modus, in dem der Ball ohne Druck über den Platz gejagt werden kann. Jeder dieser Modi kann im Einzel oder Doppel gespielt werden. All diese Modi sind zwar ordentlich umgesetzt, doch wirken sie etwas farblos und können keine Begeisterungsstürme auslösen und bewegen sich auf einem durchschnittlichen Niveau. Die Online-Rangliste wirkt blass und weitere Online-Modi außerhalb klassischer Matches fehlen. Die Verbindung war zum Testzeitraum ohne Ausfälle und es ist nicht erkenntlich, nach welchen Faktoren das Matchmaking die Gegner zuweist.

Negativ fällt jedoch auf, dass es keinen Trainingsmodus gibt, in dem gezielt Aspekte der Steuerung und des Gameplays trainiert werden können. Auch die Regeln und Feinheiten des Sports werden an keiner Stelle erklärt. Einsteiger werden so alleine gelassen und die Chance echtes Spielverständnis aufzubauen wird ungenutzt gelassen. Dadurch verliert der Online-Modus einen Teil seiner taktischen Tiefe.

Auf Steffis Spuren

Den Großteil der Spielzeit wird der Spieler in dem Karrieremodus verbringen. Die Schwierigkeit der Computergegner lässt sich mehrstufig einstellen, und auf allen Stufen macht die KI einen guten Job, wodurch für jeden Spieler eine angemessene Herausforderung entsteht. Nachdem der eigene Spieler erstellt wurde, werden Attributspunkte in zahlreichen Bereichen vergeben, wodurch der eigene Tennisstar einen persönlichen Spielstil erhalten soll. Mit diesem Profi werden nun Turniere bestritten. Für gewonnene Spiele winken Geld und Erfahrungspunkte, mit denen der eigene Charakter weiterentwickelt werden kann. Ergänzt wird das System durch Sponsorenverträge, die Prämien versprechen. Auf dem Papier wirkt diese System wie ein gelungenes Fortschrittssystem. In der Realität lässt sich zunächst nicht ausmachen, welche Auswirkungen die verschiedenen Kategorien für das Gameplay tatsächlich haben und auch eine Verbesserung von Faktoren, wie zum Beispiel der Rückhandschlag oder das Tempo des Spielers haben keine aussagekräftigen Folgen für das Verhalten der Sportler. Die Weiterentwicklung motiviert nicht und wirkt deplatziert, so als wäre sie lediglich zur Streckung der Spielzeit eingebaut worden. Denn Abseits dieser Entwicklung fühlt sich die Karriere ziemlich lieblos ab und präsentiert sich als endloses Abarbeiten der angebotenen Events. Zwischensequenzen, Rivalitäten oder auch ein Hub, in dem gewonnene Trophäen begutachtet werden können, also Hilfsmittel, um den Spieler in die Karriere hineinzuziehen gibt es nicht. Zusammengefasst sind die Spielmodi in Ordnung, lassen jedoch echte Highlights vermissen.

Das Filz muss über das Netz

Ohne überzeugende Modi liegt die Hauptlast der Spielspaßerzeugung bei dem Kerngameplay. Das eigentliche System ist denkbar einfach. Sechs verschiedene Schlagarten lassen sich über die Tasten des Controllers auslösen, das Timing des Tastendrucks beeinflussen die Stärke des Schlages. Der Zielort des Balles wird mit dem Linken Analogstick ausgewählt, der allerdings auch für die Bewegung der Spieler verwendet wird. Diese Doppelbelegung führt dazu, dass die Bewegungen der Spieler eingeschränkt wirkt, sobald der Ball sich in der eigenen Spielfeldhälfte bewegt. Gleichzeitig Laufen und den Zielort anpeilen ist unmöglich und nimmt dem Ballwechsel enorm viel Tempo. Die eingeschränkte Bewegung der Figuren wirkt stellenweise unnatürlich, so erreichen der Spieler einige weit gespielte Bälle nicht, nur weil der Profisportler nicht die nötige Motivation aufbringen kann, mit vollster Geschwindigkeit in Richtung des Balles zu hetzen. Ausgehebelt wird das Gameplay durch einen einfachen Drop Shot. Ein solcher Ball wird kurz hinter das Netz gespielt und in den meisten Fällen ist es nicht möglich solche Bälle abzufangen. Durch den Zwang mit einer Taste gleichzeitig die Bewegung und die Ballannahme abzuwickeln wird es schwierig die Präzision und das Tempo aufzubringen, um alle Bälle, die nicht gerade zugespielt werden, anzunehmen.

Die Präzision der Bälle ist auch nicht immer fehlerfrei, so kommt es gelegentlich vor, dass die Zielmarkierung eindeutig vor der Linie platziert wird, das Filz jedoch ins Aus befördert wird. Solche Kleinigkeiten sind unnötig und stören den Spielfluss. Negativ fällt auch auf, dass der Bodenbelag der Plätze keinen Einfluss auf das Gameplay hat. Für eine selbsternannte Simulation ist ein solcher Fakt etwas enttäuschend. Den eigenen Spielstil in Abhängigkeit zur Bodenbeschaffung anzupassen hätte den taktischen Tiefgang erhöht. Zusammengefasst ist „AO International Tennis“ damit auf der Ebene des Gameplays nicht die versprochene maßgebliche Simulation geworden. Trotz der Macken ist das Ganze durchaus spielbar, stellenweise kommt jedoch etwas Frust aufgrund der genannten Faktoren auf.

Steriler Sport

Bei der Präsentation seiner Tennissimulation kann Entwickler Big Ant sich nicht auf die Spitzenposition katapultieren. Während die Gesichter der Spieler detailliert dargestellt werden, sind die Bewegungsanimationen nicht auf einem ähnlich hohen Niveau und wirken nicht immer lebensecht. Auch die Präsentation der Stadien und des Spielablaufes kann nicht die Realität abbilden. Während des Spiels passiert wenig auf dem Rasen. Keine Balljungen, die ins Aus geschlagene Bälle aufsammeln, kein Eingreifen des Schiedsrichters wird dargestellt. Das Publikum ist eine gleichförmige Masse, die nach einem Punkt brav applaudiert, aber diese Animationen wiederholen sich. Auch die Gesten der Spieler nach einem Punkt wiederholen sich und bleiben zu allem Überfluss Stumm. Zwar bewegen sie die Lippen, doch frustrierte Ausrufe oder Jubelschreie kann der Spieler nicht vernehmen. Die Soundkulisse ist unspektakulär und Kommentatoren fehlen gänzlich. In den Menüs wechselt sich eine Playlist aus einer Handvoll nerviger Tracks ab.