Es gibt immer wieder Visual Novels, die viele Jahre später endlich den Weg in den Westen finden. Dazu gehört auch „428: Shibuya Scramble“, ein Wii-Spiel aus dem Jahre 2008. Jetzt endlich ist der Visual Novel auch hierzulande erhältlich und wir haben uns angeschaut, wieso der Titel von der japanischen Presse gefeiert wurde.

Verhängnisvolle Entführung

„428: Shibuya Scramble“ hat als wichtigstes Element die Geschichte selbst. Diese startet mit der Entführung von Maria, und ihre Schwester Hitomi muss jetzt zusammen mit der Polizei versuchen, sie zu befreien. Sehr früh folgen aber noch viele weitere zunächst merkwürdige Story-Elemente, die wir an dieser Stelle nicht vorwegnehmen wollen. Man wird auf jeden Fall über einiges im Spiel grübeln müssen und fragt sich oft, wie alles zusammenhängt. Aber insgesamt ist die Geschichte doch recht unterhaltsam. Es dauert einige Zeit, bis man wirklich verstanden hat, was man hier spielt. Lässt man sich darauf ein, bekommt man eine knapp 45 bis 50-stündige Geschichte geboten, die mehr als einmal eine große Wendung nimmt. Zudem wachsen einem die sehr überzeichneten, aber liebevollen Charaktere irgendwann ans Herz und man möchte einfach wissen, wie es weitergeht.

Reale Aufnahme

Der zweite wichtige Punkt ist die Präsentation. Denn „428: Shibuya Scramble“ setzt neben real gefilmten Szenen auch auf Fotos, die mit echten Schauspielern gemacht wurden. Die meiste Zeit im Spiel hat man im Hintergrund ein Foto der Szene und darüber läuft dann in großer Schrift das Geschehen ab. Abseits der Filmsequenzen gibt es auch keine Synchronisation. In Anbetracht an die fehlenden, deutschen Bildschirmtexte, muss man sich hier bewusst sein, dass man unbedingt der englischen Sprache mächtig sein muss, um überhaupt Spaß mit dem Spiel zu haben. Das wirklich tolle daran aber ist, dass das Spiel sich nicht komplett ernst nimmt. Es gibt zwar ernste Momente, aber kurz darauf probieren die Charaktere zum Beispiel ein Fitness-Produkt aus, das sie bei leerem Magen umbringt, oder einer der Polizisten isst ständig nur Bananen. Diese Szenen bringen einen auch überhaupt nicht aus der Atmosphäre heraus, weil das Spiel will, dass man sich ein wenig an den Kopf gestoßen fühlt und sich fragt „Was, wieso, warum?!“. Genau das ist auch so ein wenig der Reiz des Spiels und macht es eben aus.

Kaum Gameplay

Denn das Gameplay selbst verbreitet nicht wirklich Spielspaß. Die einzelnen Abschnitte des Spiels sind unterteilt in acht Kapitel, die jeweils eine Stunde innerhalb des Spiels von 10 bis 18 Uhr darstellen. Dabei muss man ständig zwischen den fünf Protagonisten wechseln, um im Spiel fortzufahren. Diese sind Kano, ein Polizist, der seiner Freundin einen Heiratsantrag machen möchte, Achi, ein junger Kämpfer für die Umwelt, Osawa, ein Viren-Forscher, Minorikawa, ein Journalist sowie Tama, eine Frau gefangen in einem Katzenkostüm. Alle fünf Charaktere werden innerhalb der Geschichte immer wieder miteinander verbunden und beeinflussen das Schicksal der anderen. 

Sprung zwischen Charaktere

Es gibt Momente, an denen man die Geschichte eines bestimmten Charakters nicht mehr weiterspielen kann und ein Bad Ending oder einen sogenannten Keep Out-Moment erlebt. Das geschieht spielerisch durch gleich zwei Mechaniken. Erstens kann man immer wieder an bestimmten Stellen mehrere Entscheidungen auswählen, die direkt Einfluss auf den derzeitig aktiven Charakter, aber auch indirekten Einfluss auf einen anderen Charakter haben kann. Dadurch kann zum Beispiel durch eine Entscheidung mit Kano ein Bad Ending bei Tama verhindert werden. Bei der zweiten Mechanik werden Wörter im Text entweder blau, was signalisiert, dass man sich zu dem Begriff Erklärungen durch lesen kann, oder rot eingefärbt. Letztere Farbe ist ein sogenannter Jump durch den man einen Keep Out-Moment durchbrechen kann, indem man von einem Charakter zum nächsten springt. Durch ein simples Hinweis-System, das aber effektiv helfen kann, wenn man einigermaßen gut bei der Geschichte aufpasst, ist meist die Entscheidung oder der Moment, der geändert werden muss, sehr klar. Dadurch entsteht nur selten ein richtiger Frustmoment.