Bauernhöfe? Aufbauspiele? Erkundung im eigenen Tempo? Diese Faktoren haben in den vergangenen Jahren wieder an Beliebtheit gewonnen, was insbesondere Spiele wie „Stardew Valley“ oder „Yonder: The Cloud Catcher Chronicles“ bewiesen haben. Auch „My Time At Portia“ möchte in dieser Liga mitspielen, verweilte allerdings über lange Zeit im Early Access, bevor es Anfang des Jahres für den PC erschien. Nun steht auch die Konsolenveröffentlichung bevor, weshalb wir uns in das liebenswerte Abenteuer gestürzt haben.

Verlassenes Kind

„My Time At Portia“ beginnt mit der Ankunft des Spieles auf einer Insel, auf der sein Vater einst eine Werkstatt betrieben hat. Dieser kann leider nicht bei seinem Sohn – wahlweise auch Tochter - sein, vermacht ihm allerdings die heruntergekommene Bruchbude, damit er selbst ein Geschäft aufzuziehen kann. Hierbei wird auch schon der größte Unterschied zur Konkurrenz deutlich, denn der Fokus liegt auf dem Baugeschäft. Der Spieler darf seine Werkstatt selbst ausbauen, zahlreiche Geräte erschaffen und täglich Aufträge von der Bevölkerung annehmen, die stets entweder Materialien benötigen oder einen Gegenstand in Auftrag geben. All das wird durch ein etwas langatmiges, dafür sehr genaues Tutorial erklärt, gleichzeitig muss der Spieler viele Sachen selbst herausfinden.

Mein Portia

Portia als Stadt ist nämlich nicht einfach nur ein kleines Dorf. Es gibt zahlreiche Häuser, Läden und mehr, die der Spieler besuchen kann, um zahlreiche Sachen zu erledigen. Von der Handwerks-Gilde bis zum Kleidungsgeschäft ist es gerade anfangs besonders interessant, sich alles anzuschauen. Dabei sollte der Spieler stets die Zeit im Kopf behalten, denn für jede Sekunde in Echtzeit vergeht eine Minute in Spielzeit, und regelmäßiger Schlaf gehört natürlich dazu, um immer eine volle Energieleiste zu haben, die sich zum Beispiel beim Abbauen von Materialien leert.

Portia bleibt aber nicht die Stadt, die sie am Anfang noch ist. Über zahlreiche Stunden hinweg wird sie ständig ausgebaut, und der ersichtliche Fortschritt motiviert ungemein, entsprechende Aufträge anzunehmen, Materialien zu sammeln und dabei zuzusehen, wie das Wachstum vorangetrieben wird.

Looten und Kämpfen

Der Fokus liegt auf dem Bauen und dem Sammeln, was einen wunderbaren Gameplay-Loop ergibt. Dem Spieler stehen nämlich zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, vom Herumlaufen und Objekte sammeln, über dem Abbauen mit entsprechendem Werkzeug bis hin zum Besuch der verschiedenen Höhlen, in denen sich besonders wertvolle Rohstoffe befinden. Passend dazu werden einem stets Gegner über den Weg laufen, die überraschend vielfältig ausgefallen sind. Selbst nach zahlreichen Stunden wird man noch neue Monster finden, die durch ihre Eigenheiten das ansonsten recht spärliche Kampfsystem flott halten.

Bis auf simple Schläge mit den Waffen sowie einer Ausweichrolle gibt es keine Möglichkeiten, sich gegen die zahlreichen Gefahren zu verteidigen. Auch ansonsten fühlen sich die Kämpfe nicht sonderlich dynamisch an, stattdessen bewegt sich der Held viel zu steif. Das wirkt anfangs befremdlich, doch schon nach kurzer Zeit gewöhnt man sich daran und akzeptiert, dass ein vielfältiges Kampfsystem schlichtweg nicht das Ziel der Macher war. Vielmehr soll das Materialiensammeln dadurch spannender gestaltet werden, und dank der abwechslungsreichen Feinde ist es kein Problem, dass die Kämpfe recht einfach gehalten sind, denn sie unterhalten und lockern den Ablauf auf. Wirklich enttäuschend sind lediglich die Bosse, bei denen definitiv mehr Potenzial vorhanden gewesen wäre.

Große Welt

Die Insel, auf der das Abenteuer spielt, ist überraschend groß geraten. In regelmäßigen Abständen darf der Spieler neue Gebiete freischalten, die zahlreiche neue Möglichkeiten eröffnen. Genau diese Momente enthüllen leider das größte Problem, nämlich das Pacing. Es dauert viel zu lange, große Bauprojekte zu vervollständigen, die die Haupthandlung vorantreiben. Dabei ist es nie besonders schwierig, die Aufgaben zu bewältigen. Vielmehr muss stets der Trott verfolgt werden, um haufenweise Materialien zu besorgen. Das beschäftigt gut und es macht auch Spaß, die Insel zu erkunden. Leider dauert es schlichtweg zu lange, bis man dafür belohnt wird, zumindest was die großen Etappen angeht. Wo man in einem „Stardew Valley“ ständig durch die Einnahmen seiner Ernte Erfolge feiert, kommt es einem in „My Time At Portia“ häufiger so vor, dass man tagelang keinen Fortschritt erzielt.

Dafür ist es immer schön, wenn man seine Ausrüstung verbessert und kleinere Ziele in Angriff nimmt. Bereits das eigene Haus einzurichten ist unterhaltsam. Nach einigen Stunden wird man sich gut in dem Spielrhythmus zurechtfinden und genau wissen, wie man die Zeit einteilen muss, um möglichst produktiv zu sein. Wer sich nämlich mitten am Tag dazu entscheidet, ein größeres Projekt in Angriff zu nehmen, verschwendet dadurch möglicherweise Zeit. Weitere Elemente, wie Level Ups und drei Skilltrees mit hilfreichen Fähigkeiten ergeben immer schöne Belohnungen, weshalb es akzeptabel wird, dass die Haupthandlung nur langsam voranschreitet.

Mit Leben gefüllt

Die Mitmenschen sind ein weiterer großer Fokus in der Welt von „My Time at Portia“. Die Welt hat nämlich eine waschechte Apokalypse hinter sich, mittlerweile ist der Frieden allerdings eingekehrt. Das zeichnet auch die zahlreichen Charaktere, mit denen man sich unterhalten kann, denn sie erleben eine Zeit, in der die Welt sich neu erfindet. Dank Mini-Spielen sowie Geschenken werden sogar die Beziehungen verbessert, was zu Events und weiteren schönen Ereignissen führt. Auch hier macht sich das langsame Tempo bemerkbar, denn es kann extrem lange dauern, sich mit den Bewohnern gut anzufreunden, die Belohnungen dafür sind es allerdings wert. 

Technische Apokalypse?

Klingt nach einem guten Spiel, dessen optische Gestaltung zwar simpel gehalten ist, allerdings definitiv nicht schlecht aussieht. Problematisch, gar katastrophal, sind derweil leider die Ladezeiten. Es dauert eine ganze Minute, bis man nach dem Start der Software im Abenteuer landet. Patch sei Dank, wurden zumindest die Ladezeiten innerhalb des Spieles verbessert, sodass das Verlassen der Gebäude keine Qual mehr ist, sondern nur wenige Sekunden in Anspruch nimmt. Die Bildrate hingegen ist relativ stabil und gelegentliche Ruckler sowie nachladende Gebäude stören weniger als einige Bugs, die leider zum Spielabsturz führen können und den gesamten Tag zurücksetzen. Auch diese wurden mittlerweile zum Glück per Patch behoben und konnten nicht mehr reproduziert werden. Es ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen, dass die Macher aktiv daran arbeiten, die Spielerfahrung zu verbessern.

Leider wurden die Zwischensequenzen nicht synchronisiert, was diese sehr befremdlich macht. Das stört dann wiederum bei den normalen Interaktionen weniger, auch weil der Sound gut gelungen ist. Fröhliche Musik und passende Soundeffekte sorgen dafür, dass stets die passende Atmosphäre gegeben ist.