Endlich ist es soweit: Das neueste Werk von NoCode steht vor der Tür. Konsolenspieler kennen das Studio möglicherweise nicht, doch mit „Stories Untold“ haben die Macher eines der bemerkenswertesten Horror-Spiele für den PC veröffentlicht und wurden mit zahlreichen Preisen belohnt. Die Erwartungen an das völlig andere „Observation“ sind deshalb hoch. Ob sie erfüllt werden oder in einer Enttäuschung resultieren, verraten wir im Test.

S.A.M. 9000

Die Astronautin Emma ist mit ihrem Team auf der internationalen Raumstation Observation unterwegs, als unerklärlicherweise die Stations-KI S.A.M. ausfällt und kein Kontakt zum Rest der Crew hergestellt werden kann. Hinzu kommen Schäden an der gesamten Station, doch der wahre Schock kommt erst mit dem Ausblick in das Weltall einher: Die Observation befindet sich plötzlich im Umkreis des Saturns.

Der Prolog ist schlichtweg perfekt geraten. Der Spieler steuert nämlich nicht Emma selbst, sondern S.A.M., der nun mal keinen eigenen Körper besitzt. Stattdessen kann er die Kameras nutzen, um von dort aus Schalter, Dokumente und Laptops anzuvisieren und diese zu analysieren. Die ersten Aufgaben sind noch einfach, denn Schalter zu betätigen, um Türen zu öffnen oder Emails einzulesen, erfordert nach einem kleinen Mini-Spiel nicht viel Konzentration. Doch insbesondere die Handlung weiß in den Eröffnungsmomenten zu überzeugen und fesselt von der ersten Minute an. Selbst wenn man nur zuschaut, wie Emma sich von Raum zu Raum bewegt, bleibt man fasziniert von der Möglichkeit, die zahlreichen Orte der Station jederzeit per Kamera zu betrachten.

Eine Katastrophe?

Leider entpuppt sich das Gameplay von „Observation“ als größte Schwäche. Die Aufgaben werden nämlich nie wirklich komplexer, sondern nerviger. Mal müssen Schemata gefunden werden, um Türen per Feld-Mechanismus zu öffnen. Doch dafür muss der Spieler lediglich per Knopfdruck die Felder vergleichen, was weder schwierig noch spaßig ist. Darüber hinaus werden ständig Aufgaben wiederholt, die aus mitunter nervigen Mini-Spielen bestehen. Knöpfe im richtigen Moment zu drücken oder den Stick zu bewegen, um Analyse-Leisten voranzutreiben, gibt rein spielerisch keinen Mehrwert.

Dabei gibt es durchaus gute Rätsel. Insbesondere die Momente, in denen man durch die Kameras die Umgebungen durchsuchen muss, sind dank der wahnsinnig starken Inszenierung stets beeindruckend. Die Macher haben es nämlich geschafft, dank eines logischen Aufbaus und einer unglaublichen Liebe zum Detail eine durchweg realistische Raumstation zu erschaffen. Überall liegen Gegenstände der Crew herum, die Räume sind nicht perfekt aufgeräumt, sondern wurden aktiv genutzt und sehen auch dementsprechend aus. Dies ist wohl die gelungenste Raumstation der Videospielgeschichte. Doch sie wird spielerisch kaum genutzt.

Was ist Unterhaltung?

Das hört sich nach einer vernichtenden Kritik an. Ein schlechtes Gameplay dürfte definitiv eine schlechtere Wertung rechtfertigen. Genau an dieser Stelle muss man sich eine Grundsatzfrage stellen: Zu was sind Videospiele fähig? Es stimmt, dass man repetitive Aufgaben erledigen muss und manchmal sogar viel zu lange nach Lösungen für Rätsel sucht, die lediglich zeitintensiv, aber nicht schwierig sind. Auf eine nahezu perfekte Weise kombiniert „Observation“ das in die Geschichte, denn bereits nach kurzer Zeit wirkt S.A.M. nicht wie eine typische KI. Vielmehr benötigt er Zeit für seine Aufgaben und muss sich eben durch die nervigen Passagen schlagen, die die Menschen nicht erledigen wollen.

Die Monotonie einer KI und ihre Bedeutung wird dementsprechend durch das Gameplay zum Ausdruck gebracht. Ob das gut so ist, muss jeder für sich entscheiden. In unserem Test hat sich dennoch eindeutig die Intention der Macher gezeigt, denn nach jeder langwierigen Aufgabe wird man mit beeindruckenden Szenen, spannenden Entwicklungen und atemberaubenden Momenten belohnt. Um insbesondere das Finale und die mysteriösen Momente der Handlung zu verstehen, muss man S.A.M. verstehen, und das geschieht genau durch diese Art von Gameplay.

Bombastisch und intensiv

Das ist ein gewagter Schritt, schließlich bedeutet ein totaler Fokus auf die Handlung eben auch, dass diese entsprechend stark sein muss, um Monotonie zu rechtfertigen. Glücklicherweise schafft „Observation“ diese Meisterleistung durchweg. Das beginnt schon bei Emma, die einerseits sympathisch und nachvollziehbar daherkommt, in wenigen Momenten aber schier unlogische Sätze von sich gibt, was natürlich im Rahmen der Handlung aufgelöst wird. Insbesondere die spannendsten Wendungen kommen unerwartet daher. Obwohl ohne billige Horror-Tricks gearbeitet wird, kann das Geheimnis rund um die Raumstation gruseln, und das alleine durch die Atmosphäre. Man sorgt sich um Emma und möchte diese beschützen, auch wenn das Spiel recht linear bleibt und keine Entscheidungen getroffen werden können.

Natürlich kommen übernatürliche Elemente hinzu, die zu einem fulminanten Finale führen, das nicht alle Fragen klärt. Zwar hilft es sehr, wenn man die zahlreichen Hinweise in der Umgebung sucht, doch es bleibt genug Interpretationsspielraum, um eigene Schlüsse aus den Ereignissen zu ziehen. Die Handlung wird im perfekten Moment beendet und versprüht einen Haufen „Twillight Zone“-Charme, sodass man sich gerne überlegt, was wohl als nächstes passieren würde.

Verbesserungswürdig

Dennoch kommt das Spiel nicht ohne einige Probleme aus, die der intensiven Erfahrung schaden. Zum einen wäre da die Steuerung in einer Sphäre, mit der sich S.A.M. an bestimmten Stellen der Handlung frei bewegen kann. Leider gibt es keine Knöpfe für eine vertikale Bewegung, sodass man ständig die Orientierung verliert und mitunter Ausgänge nicht findet. Zudem dürften einige Missionsbeschreibungen genauer sein, denn insbesondere bei einem Koordinaten-Rätsel wird nicht unbedingt offensichtlich, wonach man suchen muss. Das könnte möglicherweise durch Hilfestellungen gelöst werden, denn manchmal war der Frust so hoch, dass wir kurz vor einem Spielabbruch standen.

Gut gelöst

Optisch beeindruckt die Kulisse, die Charaktermodelle hingegen sehen in Ordnung aus. Insbesondere die Gesichtsanimationen hätten schöner sein können, doch man gewöhnt sich schnell an die etwas kantigeren Bewegungen. Einige Ruckler gibt es, wobei diese dank des gewollt an alte Kameras angelehnten Bildes bis auf wenige Ausnahmen akzeptabel sind. Ein Volltreffer sind derweil die Sprecher, die für eine der besten Synchronisationen in Videospielen sorgen und dadurch die Atmosphäre auf ein gigantisches Hoch treiben. Doch auch die Lichteffekte sorgen für ein erstklassiges Gesamtbild.