Ich bin sprachlos. Wrestling habe ich erst vor 3 Jahren für mich entdeckt, dafür viele Ausgaben der WWE-Shows genossen, und auch die Videospieladaptionen. Doch in diesem Jahr wurde mir erst klar, was das Unternehmen falsch macht, wie viele Wrestler zur Seite geschoben werden und wie viel wichtiger das Marketing ist, als unterhaltsame Shows – ganz abgesehen von der Frechheit der Saudi-Shows. Insbesondere durch den Konkurrenten AEW dürfte die WWE eines der problematischsten Jahre hinter sich haben. Vielleicht ist „WWE 2K20“ genau deshalb das Spiel geworden, über das sich nun viele Fans lustig machen. Es repräsentiert den Respekt, den die Marke WWE mittlerweile den Fans nicht mehr schenkt.

The Worst in the Woooooooooooooooooooorld

Bevor es zu all den spielerischen Enttäuschungen geht, kann die Technik nicht beiseite geschoben werden. Während sich „FIFA“ und andere Sportspiele jedes Jahr ein wenig hübscher präsentieren wollen, stellt „WWE 2K20“ einen erheblichen Rückschritt dar. Die Charaktermodelle sehen grausig aus, die Animationen sind steif und die Haare bewegen sich derart unrealistisch, dass man nachschauen muss, ob man wirklich auf einer PlayStation 4 spielt. Das ist nicht übertrieben: „WWE 2K20“ ist der hässlichste Serienteil seit einigen Jahren, die Nintendo Switch-Version von „WWE 2K18“ mal ausgenommen.

Dazu gesellen sich katastrophale Bugs, durch die Treppen durch den Boden fallen, Charaktere nicht aufhören können zu zittern oder die Seile ein Eigenleben entwickeln. Die Videos sind für einige Lacher gut, doch diese Probleme kommen häufig genug vor, um einen Einfluss auf das Spielerlebnis zu haben. Einige Fehler lassen sich verzeihen, doch sie tauchen zu oft auf, um sie für einen Lacher zu akzeptieren. Natürlich artet nicht jedes Match derart aus, doch durch die Willkür fragt man sich, wieso man nun zehn Minuten in ein Match investiert hat, das nun neugestartet werden muss.

Zwei große Schritte zurück

Leider hat die technische Schlampigkeit direkte Auswirkungen auf das Gameplay, das sich in diesem Jahr besonders unpräzise anfühlt. Schläge gehen häufig daneben, Animationen wirken extrem abgehackt und manchmal landen Wrestler am anderen Ende des Ringes, obwohl die Eingabe etwas anderes vorherbestimmt hätte. Insbesondere in Sachen Flüssigkeit war auch der Vorgänger meilenweit davon entfernt, perfekt zu sein. Allerdings handelt es sich hier nicht um Stillstand, sondern einen Rückschritt.

Regelrecht wütend machen die unnötigen Änderungen. Fans wissen aus vorherigen Ablegern, dass sie mit gutem Timing und R2 ausweichen können – wieso also ist es nun der Dreieck-Knopf, der gedrückt werden muss? Die gesamte Steuerung wurde lediglich verändert, nicht aber verbessert. An all diese Dinge kann man sich zwar nach einer Weile gewöhnen, und sobald man in den neuen Spielfluss kommt, machen die Matches auch wieder Spaß. Dennoch wäre es besser gewesen, die Steuerung des Vorgängers schlichtweg zu kopieren.

Hässliche, aber unterhaltsame Geschichte

Das alles ist besonders deshalb schade, weil die Modi selbst durch die Bank überzeugen können. Allen voran die Karriere ist wohl die beste, die die Reihe bislang hervorgebracht hat. Der Spieler erstellt einen männlichen und einen weiblichen Charakter, deren Reise durch die WWE nun anhand von Zwischensequenzen und Matches gezeigt wird. Hier gibt es bereits im ersten Match herrlichen Humor, den wir nicht vorweg nehmen wollen. Sowieso wird der WWE-Geist bestens getroffen, denn es gibt viel Drama, peinlich-coole Sprüche und Aufeinandertreffen mit vielen Stars. Obwohl die meisten davon eine gute Figur machen, stiehlt Samoa Joe mit seiner Promo allen die Show: Hier beweist sich einmal mehr, was für ein fantastischer Darsteller der Mann als Heel ist. Und natürlich wird The Rock der Präsident, der sich bei der Wahl gegen Kane durchsetzt.

Umso tragischer ist es, dass in den unterhaltsamen Zwischensequenzen die Technik in den Vordergrund gerückt wird. Wir übertreiben hier nicht: Frühe PlayStation 3-Spiele sahen besser aus. Die Gesichter wirken leblos, die Animationen durchweg lächerlich und bei jeder Nahaufnahme, selbst bei Becky Lynch, fragt man sich, wie miserabel ein Spiel aussehen kann. Alleine die Optik zerstört jegliches Potential und zieht die Szenen so weit herunter, dass man den Spaß an der Inszenierung verliert.

Die Women's Revolution

Auch der Showcase-Modus kehrt zurück. Im vergangenen Jahr eingeführt, entpuppte er sich als Highlight und das trifft auch hier zu. Spieler dürfen diesmal die wichtigsten Matches und Storylines der vier Horsewomen über 15 Matches hinweg erleben, vom Match zwischen Charlotte gegen Natalya 2014 bei NXT bis zu WrestleMania 35, als Becky Lynch Geschichte schrieb und zum Ausgängeschild des Unternehmens wurde. Die Matches sind wie erwartet sehr unterhaltsam, da bestimmte Aktionen ausgeführt werden müssen, das Beste daran bleibt aber die Inszenierung.

Anstatt hauptsächlich auf grauenvoll animierte Charaktere zu schauen, werden die Handlungen in Videoform präsentiert, während die vier Stars das Geschehen kommentieren. Diese Zeitreise in die gar nicht so weit entfernte Vergangenheit ist überaus spannend, informativ und allem voran aktuell. Das Timing ist regelrecht perfekt, da die vier Frauen schon bald im Pay-per-View aufeinandertreffen und die Fehde somit wiederbeleben, die Spieler hier nachholen dürfen.

Standard

Ansonsten wird das gewohnte Paket geboten: Alle Matcharten kehren zurück, neu dabei ist unter anderem das Mixed Match-Wrestling, das für sehr chaotische, dafür aber auch spaßige Matches sorgt. Ansonsten dürfen sich die Spieler an den Towers austoben, bei dem die Matches diverser Karrieren sowie Storylines abgehandelt werden, dann aber ohne die schöne Präsentation des Showcase-Modus. Natürlich erhält Roman Reigns hier einen gesonderten Tower, was nicht allen gefallen wird.

Der Universe-Modus, in dem der Spieler zum General Manager wird und die Shows selbst organisiert, wurde leider überhaupt nicht überarbeitet und ist somit lediglich die Kopie des vorherigen Jahres ohne Dean Ambrose. Das bedeutet auch, dass er wenig motivierend herüberkommt, auch wenn neue Dialoge minimal mehr Inhalt bieten.

Die zukünftigen Versprechen

Mittlerweile ist auch das erste von vier geplanten Originals erschienen. Der DLC dreht sich im ersten Kapitel rund um The Fiend, der sowohl neue Zombie-Varianten einiger Wrestler, als auch einen neuen Turm sowie eine eigene Geschichte mit sich bringt. Diese ist schlichtweg perfekt geraten und verkörpert genau die Verrücktheit, die das Format bieten kann. Bei einem derart starken Auftakt freuen wir und schon auf das nächste Kapitel.

Ansonsten fehlt leider die Option, seine eigene Championship zu erstellen. Das soll nachgepatcht werden, wann das geschieht, ist aber noch unbekannt. Wieso ein derart beliebter Modus komplett fehlt, bleibt ein Rätsel und unterstreicht erneut, dass es bei der Entwicklung zu vielen, vielen Problemen gekommen sein muss. Das dürfte auch am Abgang des Entwicklerstudios Yuke’s liegen, die ansonsten an den Titeln gearbeitet haben.

Es klingelt in der Geldbörse

Nein, das ist noch nicht das Ende des Reviews: Die Lootbox-Besprechung fehlt noch! Natürlich gibt es auch in „WWE 2K20“ zahlreiche Kleidungsstücke, die wohl zu den besten Elementen der Charaktererstellung gehören. Natürlich muss man diese erst freischalten, was man zu völlig überteuerten Preisen machen kann, wenn man Münzen ausgibt. Natürlich gibt es noch zwei zusätzliche Währungen. Natürlich kann man dafür echtes Geld ausgeben. Und natürlich erhält man die Gegenstände am einfachsten über zufällige Kartenpakete, bei denen es Monate dauern kann, bis man die Teile erhält, die man sich wünscht.

Es ist weiterhin tragisch, dass wohl das detailverliebteste Feature hinter einer derart nervigen Paywall versteckt bleibt. Zwar erhält man somit einen Anreiz, immer wieder neue Teile freizuschalten, doch wer Finn Balors Jacke, Undertakers Mantel oder Shinsukes Outfit anziehen möchte, wird eine lange Zeit brauchen, um sie zu erhalten. Die Option, Teile direkt zu kaufen, ist zwar schön, die entsprechenden Preise schrecken aber genug ab, um davon nur in den seltensten Fällen Gebrauch zu machen.