Die „Disaster Report“-Reihe war niemals ein Blockbuster, konnte aber durch ihren Charme eine klein Fangemeinde aufbauen. Um den vierten Teil stand es lange schlecht, doch nach einem Entwicklungsneustart und der Übertragung der Rechte können sich Spieler während der Pandemie in die Katastrophe stürzen. Doch wer wird überhaupt Spaß mit „Disaster Report IV: Summer Memories +“ haben?

Im Auge des Sturms

Nach einer simplen Charaktererstellung sowie einem eher unnötigen Persönlichkeitstest geht es auch schon in das Abenteuer. Der Protagonist oder die Protagonistin kommt in einer japanischen Stadt an und findet sich schnell inmitten einer Katastrophe wieder, denn ein Erdbeben hat weite Gebiete zerstört und sogar Hochhäuser zum Einsturz gebracht. Fortan liegt es am Spieler, zahlreichen Überlebenden zu helfen und aus der Stadt zu entkommen.

Das Gameplay bleibt über den gesamten Ablauf sehr simpel und lässt sich wohl am ehesten mit älteren Adventures beschreiben. Die Heldin läuft durch kleinere offene Gebiete und sucht Charaktere, die Missionen auslösen. Dann gibt es eigentlich keine Herausforderung, denn man muss an den Zielort, dort mit weiteren Charakteren reden oder Gegenstände besorgen. Wer Fetch-Quests eher abgeneigt ist, wird wohl keinerlei Spielspaß finden.

Keine Moral

Das größte Problem ist leider ein Haus-gemachtes, denn das Spiel betont immer wieder sein Moral-System. Für jede Aktion gibt es positive oder negative Moralpunkte, selbstverständlich für die Reaktion in den Dialogen. Zeigt man sich durchweg hilfsbereit und nett, geht die Leiste ins positive – wer aber stets gemein, egoistisch und abweisend ist, wird zum bösen Protagonisten. Das wird sogar am Anfang klar, wenn man sich entscheiden muss, ob man in der Katastrophe Menschen helfen möchte, oder das Ziel eher die Flucht aus dem Gebiet ist.

Das klingt alles gut, könnte aber kaum unbedeutender sein. Egal, wie man sich entscheidet oder wie man seinen Charakter formen möchte, das Resultat ist immer das gleiche. Selbst, wenn man es ablehnt, Leuten zu helfen, startet anschließend die Questline, der Spieler hat also keine Kontrolle über den Verlauf der Geschichte, obwohl die Gesprächsoptionen das vorgeben. Dabei gibt es durchaus einige Geschichten, die leicht variieren können, wann das der Fall ist wird aber niemals klar. Das System an sich wäre nur eine verpasste Chance, doch da stets mehrere Optionen angegeben sind, kommt es einem so vor, als ob das Spiel nicht zu Ende entwickelt worden sei.

Nicht allzu ernst

Die Geschichte selbst dreht sich natürlich um den Zerfall der Stadt sowie die Not, in die Menschen geraten. Dabei bleibt es eher bei kleineren, einzelnen Fällen, und somit muss die Heldin zum Beispiel Wasser besorgen, was zu einer überraschend langen Questline führen kann. Am wichtigsten: Der Realismus spielt selten eine Rolle. Es wird zwar nie übernatürlich, dafür geht es zum Beispiel um einen Schurken, der sich als Manager diverser Einkaufsläden ausgibt, um Geld mit überteuerten Nahrungsmitteln zu machen oder eine Sekte, die die Not der Menschen auslöst.

Dadurch erhält „Disaster Report 4“ einen B-Movie-Charme, denn anstatt sich um die Schicksale zu kümmern, muss der Spieler häufig über die absurden Situationen lachen. Das nutzt sich dann aber durch die lange Spielzeit ab, denn der Ablauf ändert sich nie: Man sucht nach der nächsten Quest, erledigt diese, wechselt das Gebiet und wiederholt das Prozedere mit gelegentlichen Ausnahmen bis zum Ende. Die Spannung liegt auf dem Niveau einer Seifenoper, obwohl sich das Spiel sehr ernst nimmt, was die absurden Situationen nur noch absurder macht.

Überleben mit Leisten

Dabei gibt es Anzeichen von Gameplay. Der Spieler muss auf die Bedürfnisse der Protagonistin achten, denn sie muss Essen, die Toilette aufsuchen und auf ihre Gesundheit achten. Die meisten Leisten lassen sich hoch halten, doch die Stress-Leiste verändert die Lebensleiste. Muss man nämlich mit ansehen, wie Menschen sterben oder Teile der Stadt zerfallen, wird die Gesundheit verringert, bis man entsprechende Items einnimmt oder Quests erledigt.

Allzu wichtig ist die Lebensleiste aber sowieso nicht. Gebäude und Konstruktionen stürzen an vorgegebenen Stellen ein, und wenn man in die entsprechende Richtung läuft oder sich hinter Objekten versteckt, bleibt man meist am Leben. Ärgerlich wird es, wenn plötzlich die Straße einbricht oder die Heldin von etwas herabfallenden getroffen wird, denn dann kann der Spieler nichts gegen den Tod machen – der aber auch keine großen Auswirkungen hat, da es viele Rücksetzpunkte gibt. Das alles hört sich nicht sonderlich spaßig an, ist es auch nicht. Schlimmer noch: Es verlangsamt den Ablauf, obwohl es durchaus das passende Gefühl vermittelt, wenn ein Hochhaus plötzlich auf die Straße kracht.

Leblose Apokalypse

Doch selbst diese Immersion wird durch die NPCs zerstört. Diese reagieren nämlich überhaupt nicht realistisch – stürzt eine Brücke ein, schauen sie lieber nach oben und lassen sich erschlagen, anstatt wegzulaufen. Selbst, wenn der Spieler ihnen zuruft, bleiben sie an der Stelle stehen und bewegen sich nur ein wenig, was zu ungewollten Lachern führt. Somit wirkt jeder Schauplatz eher wie eine starre Kulisse, als ein echtes Katastrophengebiet.

Dabei gibt es durchaus interessante Momente, insbesondere mit den Charakteren, die immer wieder auftauchen. Und dann wären da noch die unterschiedlichen Gebiete, sei es ein zerstörtes Wohngebiet oder eine geflutete Straße. Diese Abwechslung ist optisch nett, ändert aber nichts an der ansonsten leblosen Welt. Vielleicht hätte das Konzept besser als Visual Novel funktioniert.

Typisch unsauber

Auch technisch erwartet hier niemanden eine Meisterleistung. Obwohl „Disaster Report 4: Summer Memories“ recht veraltet wirkt, verfügt es dennoch über einen gewissen Charme, insbesondere wenn sich Charaktere übertrieben ruckhaft bewegen oder Gebäudeteile vom Himmel regnen. Ärgerlich sind hingegen die Ladezeiten sowie die Bildrate, die in den Katastrophen-Momenten definitiv Probleme hat.

Überraschend stark ist die japanische Sprachausgabe, denn nahezu jeder Satz wurde vertont. Die Musik ist derweil passend, wird jedoch viel zu selten genutzt, sodass man sich mit einer eher unpassenden Geräuschkulisse zufriedengeben muss.