Völlig überraschend kündigte Square Enix während der letzten Nintendo Direct-Ausgabe vor knapp einem Monat „Voice of Cards: The Isle Dragon Roars“ an. Hinter dem Projekt steht unter anderem Yoko Taro, weshalb das Interesse auf Anhieb groß war, und auch die veröffentlichte Demo konnte überzeugen. Was genau sich hinter dem ambitionierten Titel verbirgt, haben wir für euch herausgefunden.

Der böse Drache, die guten Ritter

Wer das volle Paket erleben will, sollte sich die Demo-Version herunterladen. Diese ist nämlich weniger eine Demo, sondern der Prolog, mit dessen Ende das eigentliche Spiel startet. Spielende übernehmen nach den ersten Minuten die Rolle eines unerfahrenen Helden, der dem Ruf eines Königreichs folgt, um einen Drachen zu besiegen und dadurch ein Vermögen zu erhalten. Das mächtige Trio aus dem Prolog bleibt der Handlung erhalten, sie werden aber nicht mehr direkt von den Spielenden gesteuert.

Schon bald trifft der Held zusammen mit einem tierischen Begleiter Mar auf eine Magierin, die unbedingt den Drachen erledigen will, und zusammen ziehen sie los um herauszufinden, wie genau sie diese Aufgabe angehen sollen. Die Handlung baut sich langsam auf, und auch wenn die Prämisse wie aus einem NES-Rollenspiel klingt, gibt es interessante Wendungen und Charaktere, die einen bis zum Ende bei der Stange halten.

Wie am Spieltisch

Die Erzählweise der Handlung sticht besonders heraus. Die Charaktere sprechen und bewegen sich auch nicht, sondern existieren lediglich in Form von Karten, die bewegt werden oder auf die zahlreiche Effekte gelegt werden. Die Vertonung der Dialoge übernimmt ein fantastischer Erzähler, der durch seinen leicht lustlosen Ton zwar im ersten Moment befremdlich wirkt, dafür aber die Geschehnisse bestens beschreibt. Somit fühlt man sich wie an einem Tabletop-Tisch, auch wenn die Aktionsmöglichkeiten der Spielenden sich meist darauf begrenzen, zwischen zwei Antwortmöglichkeiten zu wählen, die das Geschehen nicht allzu stark beeinflussen.

In den zahlreichen Städten lohnt es sich derweil, mit allen möglichen NPCs zu sprechen. Dadurch erhält man nicht nur zusätzliches Wissen über die Welt und Zugang zu Nebenaufgaben, sondern auch sogenannte Kartenrücken. Jeder Charakter und jedes Monster ist nämlich als Karte in einer Enzyklopädie gespeichert, und wer bestimmte Voraussetzungen erfüllt, kann diese umdrehen, um mehr Informationen zu erhalten – Waffenbeschreibungen aus „NieR“ lassen grüßen.

World of Cards

Der eigentliche Stil des Spieles lässt sich gar nicht genug loben, denn die Präsentation ist wahrlich erstklassig. Alle Spielelemente bestehen nämlich aus Karten – von den Charakteren und Monstern bis hin zu den Landflächen und Angriffen. Wechselt man den Ort, wird auch das gesamte Spielfeld abgeräumt und mit neuen Karten bestückt, was die wunderbaren Animationen noch ansehnlicher machen. Selbst die Protagonisten bestehen aus Karten, wobei diese in Dialogen gerne bewegt werden, um zumindest dynamische Szenerien zu simulieren. Auf dem Spielfeld bewegt sich die Heldentruppe allerdings als einzelne Spielfigur, während anliegende Felder in Dungeons und der Oberwelt dann erst aufgedeckt werden, um Pfade oder Städte zu offenbaren. In den Kämpfen gibt es ebenfalls noch Würfel, die das Brettspiel-Gefühl perfektionieren.

Diese Art langweilt nicht, da es in jedem Kapitel nette Überraschungen gibt, die das System auffrischen. Zwar bleiben die Grundlagen stets dieselben, aufgrund der wunderbaren Animationen sieht man aber niemals eine leblose Welt. Lediglich die Zufallskämpfe dürften nicht allen gefallen, doch zumindest erlauben diese, dass die Gruppe regelmäßig auflevelt und für jeden Kampf gewappnet ist. Die Dungeons hingegen ähneln sich etwas zu stark, sodass man recht glücklich ist, wenn es wieder in die größere Welt geht.

Klassisch und modern

Die Kämpfe stellen einen Mix aus klassischen Rollenspielen und den zahlreichen Kartenspielen dar, die auf Mana-Systeme setzen. Jeder der in der Party vorhandenen Charaktere kann vier Karten in die Kämpfe mitnehmen, die nur selten normale Angriffe sind. Für die meisten müssen Kristalle eingesetzt werden, von denen Spielende je einen pro Zug ansammeln können. Die stärksten Karten erfordern Kristalle, können dann aber neben einem hohen Schaden auch Elementarschaden hinzufügen, mehrere Gegner angreifen oder gar die eigene Party heilen. Deshalb ist es wichtig, sich entsprechend vorzubereiten. Allzu kompliziert wird das aber nicht, denn die Menge der Karten hält sich in Grenzen.

Obwohl das Kampfsystem sehr viel Potential bietet, ist es recht simpel gehalten. Die Angriffsoptionen werden stets dadurch limitiert, dass jeder Charakter nur wenige Karten mitnehmen kann, und auch nur drei Helden gleichzeitig kämpfen dürfen. Diese Limitierungen dienen aber auch dazu, die klassischen JRPG-Elemente bestens mit den Kartenspiel-Systemen zu vereinen, ohne jemals unübersichtlich zu werden oder Spielende zu überfordern. Somit eignet sich das Spiel auch für diejenigen, die mit beiden Genres bislang keine Berührungspunkte hatten.

Das Kartenspiel

Was wäre ein Kartenspiel, ohne ein Kartenspiel im Kartenspiel? In nahezu jeder Stadt lässt sich eine Taverne ansteuern, in der sich die Helden mit überraschend klassischen Karten in Duelle stürzen können. Auch diese Regeln sind leicht erklärt, denn jeder Spielende zieht zwei Karten, muss daraus Paare, Tripple oder eine kleine Straße bilden und erhält basierend auf den Zahlen Punkte. Zumindest anfangs lässt sich das auch in der Realität mit einem Deck nachspielen, im weiteren Verlauf lassen sich aber Sonderregeln und Items auswählen, die das Geschehen deutlich spannender und weniger Zufalls-basiert gestalten.

Da auch dieses Kartenspiel stets erweitert wird, eignet es sich bestens als Zwischenbeschäftigung, Abwechslung wäre hier aber die falsche Bezeichnung. Zumindest lässt sich dieser Modus auch über das Hauptmenü ansteuern, sogar mit passendem Online-Multiplayer, den wir im Testzeitraum leider nicht ausprobieren konnten.

Die alten Stärken

Neben Yoko Taro ist auch Keiichi Okabe an Bord, der sich durch die atemberaubenden Soundtracks der „NieR“-Spiele einen Namen gemacht hat. Genau diese Verbindung dürfte wohl jeder direkt hören, der die Titel gespielt hat, egal ob das Hauptthema, das gesungen wird, oder die Melodien im Spiel, von denen besonders das Kampfthema zum Ohrwurm wird. Leider sind die zahlreichen „NieR“-Extras, darunter eine Emil-Spielfigur und Devolas Lied, nur über DLCs erhältlich.

Ansonsten macht das Spiel technisch eine gute Figur. Die Kantenglättung könnte etwas sauberer sein, stören tut sie aber niemals. Auch die Bildrate bleibt durchweg flüssig, was die butterweichen Animationen der Karten unterstreicht. Lediglich das Kampftempo dürfte etwas höher sein, hier soll aber ein Patch in Zukunft für Besserung sorgen.