Arkane Studios ist vielleicht nicht für die finanziell erfolgreichsten Spiele bekannt, dafür für einige der qualitativ hochwertigsten. Das Studio schafft es mit jedem Spiel, sich in Sachen Kreativität und Spielspaß zu übertreffen, was im Falle von „Deathloop“ gar nicht so einfach ist. Nach zahlreichen Trailern auf allen PlayStation-Präsentationen war ich mir ziemlich sicher, wie der Titel ablaufen würde, nur um nach einigen Stunden herauszufinden, dass dem absolut nicht so ist. Ob deswegen die Erwartungen übertroffen oder unterboten wurden, erfahrt ihr im Test.

Täglich grüßt Julianna

Protagonist Colt wacht eines Tages an einem verlassenen Strand auf und kann sich nicht einmal mehr an seinen Namen erinnern. Dafür erkennt er aber sehr schnell seine Fähigkeit, Leute zu töten - was ihm dann auch noch Schriften verraten, die überall auftauchen, aber nur er sehen kann. Schnell trifft er auf Julianna, die ihn umbringt - nur um ihn dann über Fernkommunikation auszulachen, als er am selben Strand wieder aufwacht. Colt, und die gesamte Insel Blackreef, befinden sich nämlich in einer Zeitschleife, was allerdings nicht allen klar ist. Ohne zu wissen wieso, erinnert sich Colt daran, dass er diese Schleife durchbrechen muss - wofür er aber acht besondere Personen an einem Tag töten muss. 

„Deathloop“ benötigt nur wenige Minuten, um Spielende zu fesseln. Das grundlegende Mysterium gepaart mit der wunderbaren Kulisse und extrem überzeugenden schauspielerischen Leistungen ziehen einen in eine verrückte, überdrehte und bunte Welt, die Agententhriller der 80er Jahre mit übernatürlichen Elementen kombiniert. Dabei kann vor allem die Dynamik zwischen Julianna und Colt überzeugen, die für wunderbare Momente am Anfang eines jeden Levels sorgt. Die zahlreichen Hinweise zusammenzusetzen und herauszufinden, was wirklich vor dem Beginn des Abenteuers geschehen ist, wird bis zur letzten Sekunde niemals langweilig und weiß durch interessante Kniffe und Wendungen bestens zu unterhalten.

Eine lebendige Welt

Ein wenig traurig ist es da schon fast, dass die Ziele, Julianna ausgenommen, relativ wenig zu sagen haben. Spielende erfahren viel über ihre Charakterzüge, hauptsächlich über Dokumente, Chat Logs und Audiologs, die überraschend gut in den Spielablauf integriert wurden und sich somit weniger wie aufgesetzte Informationen, sondern Teile der Spielwelt anfühlen. Dennoch wäre es schön gewesen, wenn Colt direkte Gespräche mit ihnen hätte führen können, anstatt sie nur zu beobachten und bei Sichtkontakt direkt in Kämpfe verwickelt zu werden. 

Auch ansonsten macht „Deathloop“ regelmäßig deutlich, dass die Welt selbst die besten Geschichten erzählt. Seien es Malereien an Wänden, die Verwüstung von Wohnungen oder schlichtweg Gespräche zwischen Gegnern, denen man lauschen kann, während man sich an ihnen vorbeischleicht. Dass die Gebiete stets beeindruckend gestaltet wurden, versteckte Orte und zahlreiche Überraschungen bieten, hilft da ebenso wie das überragende Artdesign, speziell in den Gebäuden. Spielende fühlen sich schlichtweg wohl, jeden Winkel der verrückten Welt zu erforschen.

Klassischer als gedacht!

Wer „Deathloop“ gespielt hat, wird zumindest teilweise verstehen, wieso es Sony und Arkane Studios so schwer fiel, das Konzept dahinter vernünftig zu erklären. Das Ziel ist es nämlich, alle acht Ziele innerhalb eines Tages zu töten, damit die Loop beendet werden kann. Dafür muss Colt die vier offenen Areale besuchen, für jede der vier Zeitzonen pro Tag kann jedoch nur eine davon aufgesucht werden. Da sich meist aber nur ein Ziel pro Tageszeit an einem Ort aufhält, müssen die Spieler Hinweisen folgen, um das Verhalten der Gegner so zu verändern, dass sich mehrere an einem Ort versammeln. Stirbt Colt an einem Ort drei Mal, beginnt der gesamte Tag aber von vorn.

Das klingt teilweise kompliziert und erinnert an Roguelikes, „Deathloop“ zeigt sich aber überraschend konventionell. Alle Hinweise werden nämlich in einem Questbaum zusammengefasst, und hier lässt sich einfach ein Pfad auswählen, um linear zum nächsten Hinweis geführt zu werden. Im Endeffekt wählen Spielende also eine Quest und folgen meist den entsprechenden Markierungen - wie in vielen anderen Spielen auch. Dadurch verliert man zu keinem Zeitpunkt die Übersicht über die Missionen und muss sich nahezu nichts merken. Zudem wird angezeigt, welche Quest zu welcher Tageszeit verfügbar ist, sodass man sich keine Notizen machen muss und den Tag sogar entsprechend planen kann, um möglichst viele Aufgaben in einer Loop abzuhaken. Der Versuch, alle Ziele an einem Tag auszuschalten, kommt somit erst in der finalen Phase des Abenteuers. Das ist auch nicht optional: Wer die Hinweise ignoriert, macht keinen Fortschritt.

Der Loop

Was also bringt der Loop überhaupt spielerisch, wenn der Titel recht linear abläuft? Zum einen bringt sie Vielfalt mit, denn die vier offenen Bereiche verändern sich im Laufe des Tages. Dazu gehören das Wetter, Gegnerpositionen und plötzlich offene Wege, die vorher versperrt waren - und umgekehrt. Obwohl die Grundrisse der Gebiete in Erinnerung bleiben, spielen sie sich durchaus unterschiedlich je nach Tageszeit. Da Colt direkt zu einer späteren Zeit springen kann, muss man derweil auch nicht abwarten, falls man einer bestimmten Handlung folgen möchte. Erhält Colt derweil eine Information und stirbt auf dem Weg zurück zu seinem Bunker, verliert er zwar eingesammelte Items, behält aber das Wissen, das er erlangt hat.

Und dann wäre da der permanente Fortschritt. Colt sammelt im Laufe des Tages nicht nur Waffen, übernatürliche Fähigkeiten und Charakter- sowie Waffen-Perks, sondern auch das Material Residuum ein. All das verschwindet, wenn Colt drei Mal in einem Gebiet stirbt oder der Tag endet, weshalb der Held in den ersten Stunden stets mit seiner schwachen Ausrüstung starten muss. Wer aber Residuum nutzt, kann im Laufe eines Tages seine Waffen und Fähigkeiten anreichern, damit sie permanent im Arsenal bleiben und auch zu Beginn eines Runs direkt eingesetzt werden können. Somit wird aus der fies wirkenden Mechanik sehr schnell ein großer Bonus, denn bereits nach einigen Stunden verfügt Colt über ein Arsenal, mit dem er den Rest des Spieles meistern könnte. Der Anreiz besteht nun daraus, noch bessere Waffen oder schlicht andere zu finden, um das Arsenal zu vergrößern und somit für jede Situation die richtige Ausrüstung nutzen zu können. Deshalb ist die Mechanik nicht gerade frustrierend, denn in „Deathloop“ machen Spielende immer Fortschritt. Ein bisschen „Dark Souls“ darf aber nicht fehlen, weshalb man sein verlorenes Residuum nach einem Tod wieder einsammeln muss - oder alles nicht angereicherte verliert, wenn man keine Leben mehr übrig hat.

Übernatürlicher Fortschritt

Colts Arsenal wächst regelmäßig, und das liegt an den zahlreichen Waffentypen, die es zu finden gibt. Von schnellen Shotguns über Sniper-Gewehren bis hin zu Pistolen, die aufeinander gesteckt werden können, ist alles dabei, was sich das Shooter-Herz nur wünschen kann. Zudem lassen sich einige Waffen auch transformieren oder verschießen Giftgas, sodass es reichlich Möglichkeiten gibt, in die Kämpfe zu ziehen. Und dann wären da noch Perks für Colt und seine Waffen, die mehr Leben, einen Doppelsprung oder schnelleres Nachladen mit sich bringen. Da das Gunplay absolut perfekt ist und schnelle Gefechte mit Präzision ermöglicht, kommt niemals Langeweile auf.

Deutlich spannender sind aber die SLABS, von denen Colt nur zwei ausrüsten kann. Diese gibt es von den Visionären und verändern das Gameplay drastisch. Einmal ausgerüstet, kann Colt sich teleportieren, unsichtbar werden oder Gegner miteinander verbinden, sodass beide mit nur einem Schuss erledigt werden. Wer diese anreichert und dann nochmal aufsammelt, erhält Verbesserungen, sodass Colt zum Beispiel in der Luft für einige Sekunden schwebt, bevor er sich teleportiert. Diese Fähigkeiten sind teils übermächtig und ermöglichen es, die zahlreichen Konfrontationen auf derart unterschiedliche Weisen anzugehen, dass sie sich immer frisch und neu anfühlen. Genau dieser Mix aus starken Waffen, übernatürlichen Fähigkeiten und einem unglaublich flüssigen Bewegungssystem machen jeden Ausflug auf die Insel so spaßig.

Eine Spielwelt zum verlieben

Obwohl es nur vier Areale gibt, sind diese groß genug geraten und bieten kaum einen Fleck, auf dem es nichts zu erkunden gibt. Seien es versteckte Räume, Geheimgänge oder optionale Rätsel, überall gibt es extrem viel zu tun. Dabei schafft es „Deathloop“ die Spielwelt zu einer Spielwiese zu machen, denn jeder findet seine Lieblingsrouten und wird langsam vertraut mit den Umgebungen, weshalb man sich beinahe heimisch fühlt. Nach zahlreichen Stunden gibt es immer noch neue Orte zu entdecken, doch dahin zu kommen wird stets einfacher. Anfangs noch langsam am schleichen, kann Colt später wortwörtlich über die Dächer springen, was der atemberaubenden Vertikalität geschuldet ist. Da sich die Gebiete aber je nach Tageszeit drastisch verändern, bleibt dieser Ablauf stets frisch.

Zudem gibt es einen ganzen Haufen Nebenquests, und das in zwei Klassen. Einige davon können genauso wie Hauptquests verfolgt werden, für viele gibt es aber lediglich kleinere Hinweise. Dafür lohnt es sich, genauer hinzuschauen und die Hinweise während der Hauptaufgaben im Hinterkopf zu behalten, denn die Belohnungen sind mal hilfreich, mal witzig und häufig offenbarend. Die Welt kommuniziert permanent mit den Spielenden und es wird jedem selbst überlassen, ob man ihr zuhören möchte.

Für jede Spielart perfekt!

Die Quests selbst profitieren vom hervorragenden Leveldesign, bleiben sich zum Großteil aber dem Motto „Laufe nach A, finde B und töte C“ treu. Das ist nicht sonderlich schlimm, selten kommt es aber zu interessanten Momenten, in denen die Questmarker nur ein Areal anzeigen und Colt herausfinden muss, wie er an die nächsten Hinweise kommt. So etwas hätte gerne häufiger passieren dürfen, da das Spiel aber bereits prall gefüllt ist und alleine 20 bis 25 Stunden für die Haupthandlung benötigt werden, ist das Meckern auf hohem Niveau.

Besonders lobenswert ist die spielerische Vielfalt, mit der jede Situation angegangen werden kann. Die Passagen, in denen Schleichen ein Muss ist, lassen sich an einer Hand abzählen und sind meist auch nicht schwierig geraten, ansonsten darf jeder selbst entscheiden, ob er wild durch die Gegend schießen möchte, Fallen ausnutzen, Gegner leise erledigen oder Sicherheitssysteme hacken will - oder all das gleichzeitig tun möchte. Hier wird jeder Spielstil groß geschrieben, was noch deutlicher macht, dass die Spielwelt eine Spielwiese ist.

Dark Souls lässt grüßen

Als ob das alles nicht schon genug wäre, gibt es auch noch einen Mehrspieler-Modus. Immer, wenn Colt ein Gebiet mit einem Visionär betritt, kann Julianna auftauchen, die von einem anderen Spieler gesteuert wird. Fortan muss eine Antenne gehackt werden, damit man das Level auch wieder verlassen kann. Währenddessen kann sich Julianna frei bewegen und Colt jagen, was zu intensiven Momenten führt - allerdings hat sie im Gegensatz zum Protagonisten nur ein Leben. Somit hat Colt einen Vorteil und kann sich über extrem wertvolle Belohnungen freuen, wenn er sie ausschaltet. Natürlich ist es frustrierend, wenn ein anderer Spieler plötzlich auftaucht, doch genau diese intensiven Momente sind der Nervenkitzel, der das Spiel noch bemerkenswerter macht. Glücklicherweise lässt sich all das auch umstellen, sodass nur Freunde einen ärgern können oder gar ausschließlich die KI selbst.

Wer viel Zeit in diesem Modus verbringt, kann Verbesserungen und weitere Boni für Julianna freischalten, was überraschenderweise sehr motiviert. Natürlich hält sich die Langzeitmotivation in Grenzen, doch die Abwechslung tut gut und wer das Spiel bereits beendet hat, wird kein Problem damit haben, ab und zu einen anderen Spielenden zu stören.

Ein starkes Paket

Der Stil, die Grafik, die Animationen - in all diesen Bereichen ist „Deathloop“ überragend, auch wenn hier keine Maßstäbe gesetzt werden. Der Ray Tracing Modus sorgt für beeindruckende Bilder, aufgrund des hohen Spieltempos müssen wir aber die anderen Modi empfehlen, in denen die Bildrate nicht auf 30 beschränkt ist. Der Qualitätsmodus sieht ebenfalls fantastisch aus, die Bildrate kann hier aber immer mal wieder schwanken. Auch der Performance-Modus wird von kleinen Rucklern nicht verschont, diese tauchen aber sehr selten auf. Hier sieht „Deathloop“ wie ein poliertes PlayStation 4-Spiel aus, dafür aber mit hoher Bildrate, schnellen Ladezeiten und kaum technischen Problemen.

Auch die Einbindung des DualSense ist beeindruckend. Das haptische Feedback verleiht jeder Waffe und jeder Fähigkeit ein einzigartiges Gefühl, sodass man sich gar nicht mehr vorstellen kann, ohne dieses Feature zu spielen. Auch die adaptiven Trigger arbeiten mit und lassen einen spüren, wie schnell eine Waffe schießen kann. Den Abschluss macht ein Soundtrack voller Ohrwürmer sowie fantastische Sprecher, die den Charakteren würdig werden. Einziges Manko sind einige Bugs, die hoffentlich mit dem Day 1-Patch behoben werden. Zwei Mal ist das Spiel nämlich in einem Menü abgestürzt und hat uns insgesamt über eine Stunde Fortschritt gekostet.