Sony sorgte in der vergangenen Woche mit dem kontroversen „The Order 1886“ für reichlich Diskussionsstoff. Gerade mal durchschnittlich sechs Stunden Spielzeit bringt der vermeintliche Blockbuster-Titel für die PS4 auf die Waage, und das als Vollpreistitel. Die Entwickler von Ready at Dawn rechtfertigten die kurze Spiellänge kurzerhand damit, dass man lieber auf Qualität statt Quantität gesetzt habe.

Qualität statt Quantität

Ohne Frage: „The Order 1886“ ist hoch professionell und qualitativ entwickelt. Die Übergänge zwischen Spiel und Zwischensequenzen wirken beinahe übergangslos. Die Charaktermodelle strotzen nur so von Detailreichtum und das viktorianische London wirkt dank imposanten Lichtspielereien bedrückend düster. Zumindest inszenatorisch spielt „The Order 1886“ in der Königsklasse auf der PS4 mit und ist für Fans von cineastischen Spielen ein Fest. Punkt an Ready at Dawn.

Doch kann man die Qualität eines Spiels allein auf seine Inszenierung beschränken? Spielerisch liefert Read at Dawn mit „The Order 1886“ nämlich eine der ersten großen Enttäuschungen von 2015 ab. „The Order 1886“ spielt sich wie ein Deckungsshooter nach Schema F und streut hier und da einfallslose Quick Time-Events ein. Über die Handlung kann man sich sicherlich streiten, aber zumindest erzählerisch gehört „The Order 1886“ maximal in die obere Mittelklasse und ist meilenweit von einem „The Last of Us“ entfernt.

Über seine Spielzeit hinweg hält „The Order 1886“ seine hervorragende Inszenierung aber aufrecht. Bei anderen Blockbuster-Spielen wie „Assassin’s Creed Unity“ ist dies nicht der Fall. Während man in den ersten Spielstunden noch über das riesige Paris staunt und bei einer gewissen Traumsequenz mit offenem Mund vor dem Bildschirm sitzt, geht der Zauber über den langen Mittelteil verloren und findet erst gegen Ende des Spiels zurück. In dieser Hinsicht mag die Devise von Ready at Dawn „Qualität statt Quantität“ tatsächlich aufgehen. Lieber ein durchgängig hoch qualitatives Spiel abliefern, als den Spieler hohen Qualitätsschwankungen auszusetzen. Das Ende vom Lied: „The Order 1886“ wird massiv kritisiert, da der Käufer für sein Geld gerade Mal ein abendfüllendes Spiel erhält.

Künstliche Streckung

Anderer Fall: „Alien Isolation“ gehört für mich zu den besten Spielen des letzten Jahres, wenn es nicht mit einigen Schwächen im Mittelteil zu kämpfen hätte. Sowohl die Story als auch das ansonsten so atmosphärische Gameplay leiden dadurch, dass die Entwickler das Spiel länger gestreckt haben, als es ihm gut getan hat. „Wieso?“, fragt man sich. Nur um den Vollpreis von 60 bis 70 Euro zu rechtfertigen.

Die Frage, die sich automatisch eröffnet: Warum wird am einheitlichen Vollpreis festgehalten? Hätte „The Order 1886“ eine allgemein bessere Rezeption bekommen, wenn es für die Hälfte seines Preises in den Laden-Regalen gelandet wäre? Ich schätze ja, da die Erwartungen an das Spiel eine gänzlich andere gewesen wären. „The Order 1886“ wäre immer noch kein besseres Spiel und würde weiterhin unter seinem schematischen Gameplay leiden. Ein cineastischer Trip durch ein viktorianisches London voller Werwölfe und plumper Action-Kost, und sei er nur sechs Stunden lang, wäre für den durchschnittlichen Spieler aber wesentlich einladender. Vielleicht würde man das Spiel dann auch eher als das sehen, was es sein möchte: Kurze, aber hochqualitative Unterhaltung.

Immer wieder für ein Beispiel gut: Alien: Isolation

Nicht nachvollziehbare Preisstrukturen

Der festgesetzte Vollpreis für ein Spiel lässt sich nur schwer nachvollziehen. Wieso kostet ein gigantisches „GTA V“ in etwa genau so viel wie ein kurzweiliges „The Order 1886“? Nicht nur das: Jedes Spiel hat unterschiedliche Produktions- und Marketingskosten. Warum beinah jedem Spiel dennoch der 60 bis 70 Euro Vollpreis-Stempel aufgedrückt wird, lässt sich nicht nachvollziehen. Exotischere Spiele oder Sonderfälle wie „The Order 1886“ werden mit diesem Preisschema direkt zum Scheitern verurteilt, da sich nur ein Bruchteil traut, sich auf etwas Unbekanntes einzulassen. Auf der anderen Seite werden Entwickler dazu gezwungen, ihre Spiele mit wiederholenden Elementen und hanebüchenen Sammelmissionen künstlich zu strecken und aufgesetzten Multiplayer-Modi aufzuplustern. Ein Umdenken ist erwünscht. Dass der digitale Markt angesichts der immer noch starren und unflexiblen Preispolitik boomt, ist da nicht verwunderlich.


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