„Assassin’s Creed“ war eigentlich eine Reihe, von der man jährliche Ableger erwarten konnte. Sinkende Verkaufszahlen und immer mehr Kritik der Spieler haben aber dafür gesorgt, dass Ubisoft ein Jahr Pause einlegt, und dem nächsten Ableger mehr Zeit schenkt. In der Zwischenzeit gab es zwar den furchtbaren Kinofilm „Assassin’s Creed“, jedoch lag der Fokus bei „Assassin’s Creed Origins“, das zahlreiche Neuerungen einführen soll. Ob damit aber auch die Ubisoft-Formel aufgelockert wird, oder die Spieler erneut einen Aufguss erhalten, haben wir für euch herausgefunden.

Die ewige Rache

Die Geschichte lässt sich einmal mehr mit dem Wort „Rache“ beschreiben. In einem Flashback erleben die Spieler nämlich, wie Hauptcharakter Bayek entführt wird, und dabei auch sein Sohn stirbt. Die Verantwortlichen müssen fortan gefunden und ermordet werden, wie man es mittlerweile gewohnt ist. Es ist wirklich unschön, dass sich die Entwickler einmal mehr für diesen recht einfallslosen Plot entschieden haben, und auch der Hauptheld kann hier nicht viel retten. Er wirkt uninteressant, und trotz einiger überraschender Szenen sowie netten Wendungen bleibt die Geschichte nur ein relativ unwichtiger Grund, Ägypten zu erkunden. Zudem gibt es wieder eine Handlung in der Gegenwart, wo man diesmal eine weibliche Heldin spielt. Diese Passagen sind aber sehr kurz, wohingegen Fans Massen an Texten durchforsten können.

Auch die Nebencharaktere überzeugen nicht gerade durch tiefsinnige Dialoge, und so bleibt es an den Nebenaufgaben hängen, den Spieler zu motivieren. Das klappt dann gleich überraschend gut, denn sinnlose Sammelaufgaben entfallen nahezu komplett. Jedes Mal wird eine Geschichte gesponnen, die häufig richtige Überraschungen bieten. Man wird sich also eher ablenken lassen, anstatt nur der Haupthandlung zu folgen. Einerseits darf man in Sachen Nebenaktivitäten zufrieden sein, die Hauptgeschichte ist jedoch nicht stärker als in den letzten Ablegern und bleibt eine Schwachstelle.

Nicht einfach nur eine Wüste

„Assassin’s Creed“ wäre nichts ohne seine Welten, im Gegensatz zu den vorherigen Teilen wird es diesmal jedoch offener. Das alte Ägypten ist schlichtweg gigantisch mit Städten, Monumenten, großen Wüsten und großen Gewässern. Es ist besonders beeindruckend, dass sich die Ortschaften dabei nie leer anfühlen, und es selbst in einer scheinbar leeren Wüste viel zu sehen gibt. Egal, ob Banditen oder eine Fata Morgana sowie andere Geheimnisse, man genießt jede Reise. Ebenso bemerkenswert ist die Verbundenheit der Welt. Alles ist irgendwie miteinander verbunden und somit fühlt man sich wirklich wie in Ägypten und nicht nur einer Aneinanderreihung von Sehenswürdigkeiten.

Natürlich haben die Entwickler besonders viel Wert darauf gelegt, die Umgebungen abwechslungsreich zu gestalten. Demnach ist oft die Bauweise der Gebäude je nach Gebiet anders, und auch unter Wasser sieht man nicht immer dieselben Elemente. Besonders stark sind jedoch die Bauwerke. Egal ob die Bücherei in Alexandria, die Pyramiden oder eine gewisse Sphynx, es macht unglaublich viel Spaß alles zu erkunden. Egal ob zu Fuß, mit dem Kamel oder einem Boot, die Möglichkeiten sind durchweg interessant und bereiten den Spielern eine Menge Spaß. Die besten Sachen findet man diesmal sogar selber, anstatt einfach nur zu synchronisieren und alle Punkte abzulaufen.

Kämpfen wie niemals zuvor

Zu den großen Neuerungen zählt das Kampfsystem. Dieses wurde in der Vergangenheit immer wieder kritisiert, ohne dass sich merklich etwas verändert hat. Nun orientiert man sich eher an Titeln wie „Dark Souls“ oder „Horizon: Zero Dawn“, indem man mit R1 und R2 sowohl leichte als auch schwere Schläge austeilt, dabei aber auch parieren und ausweichen muss. Das System ist eingängig und motiviert vor allem im Kampf gegen einzelne Gegner sehr. 

Perfekt ist es jedoch definitiv nicht. Das wird im Kampf gegen Gruppen deutlich, denn das Wechseln zwischen anvisierten Feinden funktioniert meist nicht, sodass man unweigerlich getroffen wird. Ohne Anvisieren schlägt man jedoch häufig daneben, und gegen bewegliche Tiere wird das Problem nur noch offensichtlicher. Es ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, für ausgefeilte Kämpfe sollten die Macher das System aber ausarbeiten. Die Basis ist glücklicherweise dennoch besser als jemals zuvor, weshalb man die Schwächen für die Spiellänge gerne akzeptiert.

Echtes Looten?

Ganz neu sind Elemente, die man normalerweise in einem Rollenspiel erwarten würde. Zum ersten Mal gibt es nämlich ein Level-System, das zusammen mit einem Fähigkeitenbaum die Spieldynamik verändert. Jede Aktion gibt nun nämlich Erfahrungspunkte, sei es das Erkunden neuer Gebiete, Töten von Gegner, Plündern von Schätzen oder Erledigen von Quests. Diese Aufgaben sind sogar an ein Level gebunden und werden in Rot dargestellt, wenn sie noch zu schwierig sind. Man muss also tatsächlich darauf achten, bevor man eine Aufgabe angeht, jedoch gibt es durchwegs genug zu tun. Dennoch ist es mitunter etwas frustrierend, wenn man Nebenaufgaben angehen muss, obwohl man der Haupthandlung folgen möchte.

Das Loot-Prinzip funktioniert wirklich wunderbar, jedoch sollte man auch auf Ressourcenjagd gehen. Obwohl man Waffen findet, die leider zu oft legendär sind und somit nicht ganz so besonders sind, wie sie wirken, ist die Aufwertung nicht zu verachten. Man verbessert nämlich nur einzelne Teile, optische Veränderungen sind davon völlig unabhängig. Bei den Waffen hingegen kommt es ganz auf besondere Fähigkeiten an, und durch ein teures Upgrade-System können diese sogar mit dem Spieler leveln. Es lohnt sich also durchaus hier Zeit zu verbringen, wobei die Möglichkeiten eher simpel gehalten sind. Die Fähigkeiten hingegen wirken sich stark auf den eigenen Spielstil aus und sollten mit Bedacht gewählt werden. Das Rad wird nicht neu erfunden, doch die Neuerungen lassen den Ablauf frischer wirken als zuletzt und vor allem das Ziel, ein hohes Level zu erreichen, ist überraschend effektiv.

Das zweite Paar Augen

Der neue Begleiter in „Assassin’s Creed Origins“ ist der Falke Senu, der zur besten Spielmechanik wird. Wenn man nämlich ein feindliches Lager infiltrieren wird, darf man auf Knopfdruck zum Vogel wechseln und anschließend Gegner markieren oder Ziele finden, um eine Route zu planen. Das spielt sich deutlich besser als man denkt, und bereits nach kurzer Zeit nimmt man jede Gelegenheit in Anspruch, um diese Planung vorzunehmen. Leider ist es aber auch nicht mehr so notwendig wie in vergangenen Teilen, denn durch das Kampfsystem ist man mitunter so mächtig, dass man sich auch durchkämpfen kann anstatt zu schleichen, wobei das nicht im Ansatz so viel Spaß macht wie im Verborgenen zu handeln.

Ein weiteres Highlight sind die Tempel, in denen kleinere Rätsel gelöst werden müssen. Diese lockern das Spiel auf, doch auch ältere Elemente wie die umstrittenen Seeschlachten kehren zurück, die nicht allen Spielern gefallen werden. Das Klettern hingegen ist noch einfacher als zuvor und verlangt nun gar keine Geschicklichkeit mehr. Einerseits macht das die Erkundung sehr einfach, doch schade sind die nicht genutzten Möglichkeiten dennoch. All das machen die Nebenquests aber wett, die stets abwechslungsreich sind und das Spiel wirklich von den Vorgängern abheben. Während man für die eigentliche Geschichte mit einigen Beschäftigungen in über 20 Stunden abschließen kann, wird man dazu ermutigt wirklich alles zu entdecken, was die Spielzeit mehr als verdoppelt. Zumal man während des Abenteuers nicht einmal alle Gebiete der gigantischen Welt bereisen muss.

Technik

Das Spiel sieht einfach großartig aus. Die Weitsicht ist beeindruckend, die Orte wunderschön und alle Charaktere sowie Bauwerke fantastisch. Das ist besonders bei der riesigen Welt bemerkenswert, und wenn man auf Senu oder das Schnellreisesystem verzichtet, muss man nach dem ersten Starten nicht eine Ladesequenz ertragen. Leider kommt das mit einigen Kompromissen, denn so beeindruckend die Optik ist, kann die Bildrate nicht mithalten. Diese kratzt ständig an den 30 Bildern pro Sekunde, erreicht diese aber oft nur mit Mühe und schwankt merklich, besonders in den Zwischensequenzen. Daran gewöhnt man sich zwar, wer jedoch auf der normalen PlayStation 4 spielt wird kein komplett flüssiges Spiel erwarten können. Zudem sind die Ladesequenzen etwas zu lang, zum Glück aber nie völlig unerträglich. 

Die Steuerung funktioniert mit den gewohnten Schwächen bei engen Passagen wie gewohnt und geht gut von der Hand. Die Musik ist ebenfalls gelungen. Die passenden Klänge untermalen das Geschehen sehr gut, wobei die einzelnen Stücke eher ablaufen anstatt wirklichen Ohrwurmcharakter zu besitzen. Die Sprecher passen da ins Bild, denn sie sind im deutschen zwar nicht perfekt, aber leisten einen guten Job. Im englischen darf man dazu noch einige Akzente ertragen, was die Atmosphäre schöner gestaltet.