Vor ein paar Tagen ist das umstrittene Open-World-Spiel „Fallout 76“ erschienen. In unserer Preview lobten wir die Atmosphäre und die große Spielwelt, kritisierten allerdings technische Probleme, die das Spielerlebnis spürbar trübten. Für unseren Testbericht haben wir uns erneut nach Appalachia begeben und wollen euch im Folgenden von unseren postapokalyptischen Abenteuern erzählen und klären, ob „Fallout 76“ zurecht umstritten ist.

Vom Vault in die große weite Welt

Es ist der Tag der Wiedereroberung Appalachias. 25 Jahre nachdem der Große Krieg weite Teile des Landes zerstört hat, machen sich die Bewohner der Vault-Tec Bunker auf den Weg nach draußen, um Appalachia wieder zur einstigen Blüte zu führen. Dabei kann man am Anfang seinen Charakter nach eigenem Geschmack erstellen und lernt vor dem Verlassen des Vault 76 noch ein paar Grundlagen, bevor man dann seine Reise antritt. Zunächst macht man sich dabei auf die Spur der Aufseherin, deren Tagebücher den Spieler durch die riesige Welt von „Fallout 76“ führen. Und tatsächlich verrät ein Blick auf die Karte, wie groß die Spielwelt tatsächlich ist. Und auch das Terrain ist sehr unterschiedlich, denn von verlassenen Städten über Gebirge bis hin zu idyllischen Wäldern findet man hier alles vor.

Dabei hat „Fallout 76“ im Vergleich zu den Vorgängern eine Änderung, die besonders schnell auffällt. Denn anders als in anderen Ablegern der Reihe gibt es keine klassischen NPCs, die einen mit Nebenmissionen versorgen und nebenbei noch einen Schwank aus ihrem Leben erzählen. Stattdessen geben einem Roboter oder alte Tagebücher Hinweise darauf, wo man als nächstes hin muss. Verschiedene Arten von Gegnern und bis zu 23 andere Spieler, deren Position man stets auf der Karte sieht, sorgen für Leben in Appalachia. Nichtsdestotrotz werden vor allem Fans der Vorgänger die kleinen und großen Geschichten der NPCs sicherlich vermissen und, auch wenn der Online-Aspekt neue Möglichkeiten bietet, hätten sich die Missionen durch Nebencharaktere bestimmt noch einmal lebendiger angefühlt. Das Missionsdesign selbst ist dabei aber durchaus gut gelungen, neben klassischen Eliminierungs- und Sammelmissionen gibt es auch einige innovativere Aufgaben, wo man beispielsweise innerhalb eines Zeitlimits durch eine Stadt voller Gegner rennen muss.

Gute und schlechte Neuerungen

Wie man es von einer nuklearen Welt erwarten kann, ist auch in „Fallout 76“ die Suche nach genießbaren Lebensmitteln ein schwieriges Unterfangen und ein wichtiger Bestandteil im Überlebenskampf, denn man muss regelmäßig essen und trinken. Zwar kann man auch verstrahlte oder ungekochte Lebensmitteln verspeisen, dabei besteht allerdings das Risiko, sich eine Krankheit einzufangen, die einen kurz- oder langfristig beeinflusst. Dieser Aspekt ist gut ausbalanciert und zwingt einen dazu, sich genau zu überlegen, ob man das Risiko eingehen möchte oder sich lieber nach einer Kochstation umschaut. Auch das Gegnerdesign kann sich sehen lassen, sodass man auf verbrannte Zombies, doppelköpfige Rehe und alle mögliche andere schaurige Mutationen trifft. Ab und an begegnet man auch besonders mächtigen Bestien, um die man zumindest zu Beginn des Spiels noch einen weiten Bogen machen sollte.

Das Fähigkeitensystem S.P.E.C.I.A.L. ist eines der Hauptbestandteile der „Fallout“-Spiele und wurde in „Fallout 76“ sinnvoll ergänzt. Bei jedem Levelaufstieg kann man eine von sechs verschiedenen Eigenschaften verbessern. Gleichzeitig erhält man Karten, die verschiedene Verbesserungen freischalten, sodass man beispielsweise mehr Schaden mit Schusswaffen macht oder ein geringeres Erkrankungsrisiko beim Verzehren von schlechtem Essen hat. Da sich die ausgerüsteten Karten jederzeit beliebig austauschen lassen, kann man auf Wunsch seinen Spielstil anpassen und somit Missionen erfüllen, die man vielleicht mit dem vorherigen Setup nicht geschafft hätte. Ebenfalls lobenswert sind die umfangreichen Optionen beim Aufbau eines Lagers, sodass manche Spieler allein in diesen Aspekt sicherlich viel Zeit stecken werden.

An vielen Stellen stellt sich „Fallout 76“ leider selbst ein Bein. Eines der besten Beispiele hierfür ist das Tragelimit, denn man kann nur eine begrenzte Anzahl Waffen, Heilmittel und Schrott mit sich herumtragen. Gleichzeitig erfordert das Spiel aber, dass man regelmäßig Verbrauchsgüter und Ausrüstung herstellt, wofür man alle möglichen Gegenstände braucht. Überschreitet man das Tragelimit, dann kann man nicht mehr Sprinten und selbst normales Gehen entleert die Ausdauerleiste, sodass man zwischendrin immer mal wieder gefühlt in Zeitlupe gehen muss, um diese Leiste wieder aufzufüllen.

Mit Freunden am spaßigsten

Immerhin gibt „Fallout 76“ den Spielern an manchen Stellen auch einige Freiheiten. So kann man zum Beispiel jederzeit zwischen der Third-Person- und der Ego-Perspektive wechseln. Außerdem kann man entweder ganz klassisch seine Gegner anvisieren oder aber das VATS nutzen, das einem in Austausch gegen Aktionspunkte anzeigt, mit welcher Wahrscheinlichkeit man mit seinem Schuss ein bestimmtes Körperteil zu treffen, ohne dass man dafür selbst den Gegner anvisieren muss. Das klassische Anvisieren und Schießen zeigte sich im Test bedauerlicherweise nicht ganz ohne Probleme, denn vor allem bei Nutzung der Third-Person-Perspektive gingen ab und an Schüsse dagegen, obwohl das Fadenkreuz direkt auf den Gegner zeigte.

Am meisten Spaß macht „Fallout 76“ ohne Zweifel dann, wenn man sich mit Freunden zusammenschließt. Denn dann kann man sich seine spärlichen Ressourcen teilen, mit taktischer Herangehensweise auch stärkere Gegner besiegen und alle möglichen Events absolvieren, die für Solospieler leider oft zu schwierig gestaltet sind. Zwar kann man aufgrund der Tatsache, dass alle anderen Spieler auf der Karte angezeigt werden, auch gezielt auf diese zugehen und kann sich auch mit diesen zusammenschließen. In den meisten Fällen schienen in unserem Test allerdings die meisten Leute ihren eigenen Missionen nachzugehen, und machten sich nach einer kurzen gemeinsamen Schlacht und eventuell einem kleinen Handel schnell wieder auf die Reise.

Technisch größtenteils eine Enttäuschung

Leider hat sich an der katastrophalen Technik in der Beta-Version in der Vollversion nicht viel gebessert. Besonders die Bildrate geht immer mal wieder in die Knie und in seltenen Fällen sogar so stark, dass kurze Animationen sich zum Teil fast aus Standbildern zusammensetzten. Und auch rein grafisch reißt „Fallout 76“ bei weitem keine Bäume aus und sieht stattdessen eher wie ein Titel von vor fünf Jahren aus. Trotzdem gibt es auch ein paar schöne Seiten, zu denen die gelungenen Lichteffekte und die zum Teil sehr schönen Umgebungen gehören, vor allem die größeren Waldpassagen. Ebenfalls gelungen sind auch die Synchronstimmen, die den Geschichten der toten Einwohner Appalachias, die auf Tonträgern aufgenommen sind, immerhin etwas Leben einhauchen. Andere Soundeffekte und die Musik allgemein sind stimmig, stechen allerdings nicht besonders heraus.