Three bearded Ladies haben sich von „XCOM“ inspirieren lassen und aus der Vorlage des Pen-and-Paper-Rollenspiels „Mutant“ ihr eigenes Rundenstrategiespiel veröffentlicht, „Mutant Year Zero: Road to Eden“. Was sich dahinter verbirgt und ob der Titel sich von seiner Inspirationsquelle emanzipieren kann oder nur eine lahme Kopie ist, klären wir im folgenden Review.

Die Menscheit, mal wieder am Rande der Zerstörung

Die Ereignisse von „Mutant Year Zero: Road to Eden“ setzen Jahre nach einer zerstörerischen
Virusepidemie in Kombination mit einem Nuklearkrieg ein. Die Menschheit ist fast vollständig vernichtet, weite Flächen des Planeten sind unbewohnbar oder werden von feindseligen Mutanten bewohnt. Eine letzte Gemeinschaft hat sich in der Arche zusammengeschlossen und kämpft täglich um ihr Überleben, denn Vorräte und Ersatzteile sind knapp. Den Gefahren außerhalb der Siedlung können die normalen Bewohner jedoch nicht trotzen und sogenannte „Stalker“, mutierte Humanoide, werden in die lebensfeindliche Wildnis geschickt, um das Nötigste zu sammeln.

Der Spieler begleitet die Ente Dux und Schweinemann Bormin bei ihren Streifzügen durch die Zone. Bei ihrer Rückkehr werden die beiden vom Anführer der Gemeinschaft beauftragt, den Mechaniker Hammond zu suchen. Dieser ist von einer Mission nicht zurückgekehrt und die Gemeinschaft hängt von dem Zustand seiner Maschinen ab. Die Suche nach ihm entwickelt sich zu der Suche nach Eden, einer möglichen Zuflucht für die geplagte Gemeinschaft.

Ente und Schwein suchen das Paradies

Die Inszenierung und das Storytelling wird in „Mutant Year Zero: Road to Eden“ hauptsächlich von kurzen Gesprächen zwischen den Protagonisten und der Umgebung übernommen. Die beiden Mutanten-Figuren sind überzeugend gestaltet und die Beziehung zwischen beiden und ihr freundschaftliches Hin und Her motiviert weiter zu spielen. Die wenigen Nebenfiguren sind dagegen etwas eindimensional gehalten und verkommen zu Statisten, deren einziger Zweck die Vervollständigung eurer Truppe ist. Die Hauptgeschichte dient als funktionaler Aufhänger für das Abenteuer, kann jedoch später nicht genug Tiefgang entwickeln, um vollständig zu überzeugen.

Der eigentliche Star ist aber die Spielwelt. Jahre nach der Apokalypse ist das Verständnis für die frühere Technologie verloren gegangen. Während der Streifzüge reagieren die Protagonisten erstaunt auf ein Kinderspielhaus und fragen sich, wie so kleine Menschen gelebt haben konnten. Das fehlende Verständnis der Spielfiguren erzeugt eine Fremdheit einer eigentlich vertrauten Spielwelt, was durch weitere Faktoren verstärkt wird. Immer wieder findet der Spieler „Artefakte“, eigentlich wertloser Schrott, den er in der Basis verkaufen kann. Für die Bewohner sind alte Teleskope oder Fernseher ein Gegenstand von Wert, alleine weil er aus der Zeit vor der Apokalypse stammt. Auch die Sprache unterstreicht die Fremdheit der Welt. Ein Hubschrauberwrack wird als gefallener Engel bezeichnet oder ein Flugzeug als Eisenvogel. Als letzter Puzzlestein sind über die Gebiete Notizen verteilt, die entweder von anderen Stalkern stammen oder von völlig unbeteiligten Personen, die Ereignisse aus der Apokalypse behandeln. Ein Gefühl für die Spielwelt und ihre Geschichte entsteht ohne alle Lücken zu füllen, sie bleibt mysteriös und der Spieler möchte sie erkunden. Trotz der schwachen Handlung lässt „Mutant Year Zero: Road to Eden“ den Wunsch nach mehr aufkeimen und weitere Spiele in diesem Universum sind wünschenswert.

Aus den Schatten

„Mutant Year Zero: Road to Eden“ ist auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad ein Spaziergang. Die Lebenspunkte der Figuren regenerieren sich nach jedem Kampf, Spezialfähigkeiten werden zurückgesetzt und Gegner verursachen weniger Schaden. Wählt der Spieler die Modi „Schwer“ oder „Sehr Schwer“ aus, wird das Spiel eine enorme Herausforderung. 

Vor den eigentlichen Kämpfen hat der Spieler die Möglichkeit, die Streitmacht der Gegner durch lautlose Hinterhalte auszuschalten. Wie in einem Stealth-Titel verfügen Gegner über einen Radius, in dem sie Feinde wahrnehmen und sofort Verstärkung anfordern. Stilecht wollen die Laufwege zunächst studiert werden, bevor ein gezielter Hinterhalt den Feind ausschaltet. Das System an sich ist eine sinnvolle Ergänzung im Kontext eines Rundenstrategiespiels, leidet jedoch an einigen Problemen. Zunächst können Gegner nicht gezielt durch Geräusche oder Fallen weggelockt werden, wodurch nur ein Teil der feindlichen Streitmacht durch heimliche Angriffe ausgeschaltet werden kann. Außerdem können besiegte Gegner nicht versteckt werden, um sie vor den Augen ihrer Verbündeten zu verbergen und sie reagieren auch nicht, wenn ihre Streitmacht stückweise dezimiert wird. Außerhalb von lautlosen Waffen gibt es auch keine Möglichkeiten, den Charakter auf einen heimlichen Spielstil auszurichten. Aufgrund der genannten Faktoren fühlt sich diese Spielweise nicht wie eine vollwertige Option, sondern nur als ein Teil des grundlegenden Gameplay-Loops an. Die Balance auf den höheren Schwierigkeitsgraden ist darauf ausgelegt, dass vor einem Kampf eine festgelegte Gegnerzahl ausgeschaltet werden muss, da sonst der Hauptkampf nicht schaffbar ist.

Knallharte Rundenstrategie

Die eigentlichen Rundenkämpfe machen zunächst eine gute Figur. Ähnlich wie im Vorbild „XCOM“ hat jede Figur zwei Aktionen, die für die Bewegung, die Verwendung von Waffen oder den Einsatz der Spezialfähigkeiten genutzt werden können. Auch die ikonische Schulterkamera aus dem Vorbild darf natürlich nicht fehlen. Obwohl auch diese Systeme ausgezeichnet funktionieren, ist die Balance erneut etwas problematisch. Die Kämpfe sind brutal und ohne Vorausplanen jedes Zuges nicht zu schaffen. Jede Bewegung der eigenen Figuren und der Gegner muss antizipiert, jede Aktion perfekt ausgenutzt und jede Deckung perfekt ausgenutzt werden. Denn die Gegner sind nicht nur in der Überzahl und ziemlich clever, sondern jeder Treffer ist überaus schmerzhaft. Wird der Spieler auf dem falschen Fuß erwischt, ist es meistens nicht möglich den Kampf noch zu drehen. Es ist spaßig, durch die perfekte taktische Ausführung einen Sieg zu erringen. Kehrseite ist jedoch, dass in einem laufenden Kampf nicht auf Fehler reagiert werden kann und mit dem Fluss des Gefechts gegangen wird, sondern sofort die Niederlage folgt.

Dreh jeden Stein um

Knappe Ressourcen erschweren die Kämpfe weiterhin. Granaten und Medikits sind spärlich in der Welt verteilt und vor jedem Kampf muss überlegt werden, ob man sie verwenden soll. Ohne den Einsatz ist der Kampf wahrscheinlich nicht machbar, aber spätere Kämpfe werden dadurch noch schwerer. Es ist frustrierend, wenn der Spieler gezwungen wird, nicht nur jede Begegnung akribisch zu planen, sondern auch den eigentlich unbekannten Spielverlauf zu antizipieren. 

Diese Ressourcenknappheit beeinflusst nicht nur die Planung der Kämpfe, sondern auch die Erkundung der Welt. Während die Gebiete linear aufeinander aufbauen, werden nur wenige optionale Gebiete eingestreut. Auf der Suche nach neuer Munition oder Schrott, der Währung des Spiels, ist es zwingend erforderlich, diese scheinbar optionalen oder hoch-stufigen Gebiete aufzusuchen, nur um einige Erfahrungspunkte oder nützliche Gegenstände abzustauben. Selbst wenn die Gegner eine zu hohe Stufe besitzen, muss der Spieler zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehren, da die mögliche Beute und die Erfahrungspunkte zu wertvoll sind. Bei der Rückkehr zur Basis muss der Spieler diese Ressourcen möglichst effizient einsetzten. Doch nicht nur neue Genstände, sondern auch Granaten oder Medikits kosten Schrott. Vor jedem neuen Streifzug muss abgewogen werden, wie viele Upgrades gekauft werden können, damit für die Kämpfe genug Vorräte in den Rucksack wandern. Raum für Fehler gibt es aufgrund des hohen Schwierigkeitsgrad nicht. Echte Flexibilität fehlt „Mutant Year Zero: Road to Eden“ und wäre wünschenswert gewesen. 

Funktioniert, aber mehr wäre nett

Für einen Levelaufstieg erhalten die Figuren Talentpunkte, die in einen rudimentären Baum investiert werden können. Über diesen Weg erhält jeder der Charaktere einen Signatur-Move, Ente Dux wachsen beispielsweise Mottenflügel, die das Gameplay maßgeblich beeinflussen. Davon abzweigend stehen lediglich zwei Pfade zu Verfügung, um den Charakter weiter zu individualisieren. Auch wenn durch ein derartiges System der Fortschritt spürbar wird, ähneln sich durch die marginalen Entwicklungsmöglichkeiten die Kämpfe zu sehr. Zusätzlich verfügt jeder Charakter über zwei Rüstungsplätze, Waffen können mit Aufsätzen ausgestattet und in drei Stufen aufgewertet werden. Auch dieses System funktioniert ordentlich, doch auch hier werden weitere Individualisierungsmöglichkeiten vermisst.

Hübsche Apokalypse

Optisch kann „Mutant Year Zero: Road to Eden“ vollständig überzeugen. Der Stil fängt eine zerstörte Welt gelungen ein, viele Details beleben die Karten und die Spielfiguren sind hübsch anzusehen. Auch akustisch gibt sich der Titel keine Blöße. Die Synchronsprecher machen einen guten Job, die Waffengeräusche sind wuchtig und ein subtiler Hintergrund-Soundtrack unterstreicht die Leere der Spielwelt. Die Steuerung geht einfach von der Hand und orientiert sich an Genrestandards.